Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

Bild:
<< vorherige Seite

fortgeschrittene Schattierungen, ohne die grundsätz-
liche Haltung der Parteien zu ändern. Allenfalls prä-
zisierte die Fortschrittliche Volkspartei etwas ge-
nauer, warum sie trotz grundsätzlicher Sympathie
für das Frauenstimmrecht auch dieses Mal die Frage
vertagen wolle. Die Wahlrechtskommission besteht
aus 12 Konservativen, 8 Zentrum, 4 Freikonservati-
ven, 6 Nationalliberalen, 3 Fortschrittlern, 1 Sozial-
demokraten und 1 Polen. Das Schicksal der Wahl-
rechtsvorlage, auch bezüglich der Erfüllung des all-
gemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahl-
rechts, ist noch unentschieden. Mit Bezug auf das
Frauenwahlrecht dürften die Aussichten sich nicht
erheblich günstiger gestalten, als es nach den Ver-
handlungen im Verfassungsausschuß des Reichstags
und im Plenum des Abgeordnetenhauses voraus-
zusehen ist. Diese Erfahrungen werden die Stimm-
rechtlerinnen nur veranlassen, ihre ganze Kraft darauf
zu konzentrieren, den Vorläufer des parlamentarischen
Wahlrechts, das Frauenwahlrecht in der Gemeinde, in
absehbarer Zeit durchzuführen. Der gegebene Zeit-
punkt hierfür dürfte allerdings bei Gelegenheit der
Reform der Städteordnungen gekommen sein. Bis da-
hin werden die Frauen sich auf ihre zukünftigen
kommunalen Pflichten auch weiterhin durch intensive
theoretische Schulung, durch gesteigerte freiwillige
ehrenamtliche Tätigkeit in der Gemeinde und durch
fortgesetzte Einwirkung auf die maßgebenden Re-
gierungskreise und die Parteien vorbereiten, um letz-
tere zu überzeugen, daß die Reform des Gemeinde-
wahlrechts in den einzelnen Bundesstaaten nur unter
voller Einbeziehung der Frauen erfolgen kann.

Denn im Gegensatz zu der Entwicklung in ver-
schiedenen Staaten des Auslandes wird in Deutsch-
land die Einführung des Gemeindewahlrechts der
Frau der des parlamentarischen Frauenwahlrechts vor-

fortgeschrittene Schattierungen, ohne die grundsätz-
liche Haltung der Parteien zu ändern. Allenfalls prä-
zisierte die Fortschrittliche Volkspartei etwas ge-
nauer, warum sie trotz grundsätzlicher Sympathie
für das Frauenstimmrecht auch dieses Mal die Frage
vertagen wolle. Die Wahlrechtskommission besteht
aus 12 Konservativen, 8 Zentrum, 4 Freikonservati-
ven, 6 Nationalliberalen, 3 Fortschrittlern, 1 Sozial-
demokraten und 1 Polen. Das Schicksal der Wahl-
rechtsvorlage, auch bezüglich der Erfüllung des all-
gemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahl-
rechts, ist noch unentschieden. Mit Bezug auf das
Frauenwahlrecht dürften die Aussichten sich nicht
erheblich günstiger gestalten, als es nach den Ver-
handlungen im Verfassungsausschuß des Reichstags
und im Plenum des Abgeordnetenhauses voraus-
zusehen ist. Diese Erfahrungen werden die Stimm-
rechtlerinnen nur veranlassen, ihre ganze Kraft darauf
zu konzentrieren, den Vorläufer des parlamentarischen
Wahlrechts, das Frauenwahlrecht in der Gemeinde, in
absehbarer Zeit durchzuführen. Der gegebene Zeit-
punkt hierfür dürfte allerdings bei Gelegenheit der
Reform der Städteordnungen gekommen sein. Bis da-
hin werden die Frauen sich auf ihre zukünftigen
kommunalen Pflichten auch weiterhin durch intensive
theoretische Schulung, durch gesteigerte freiwillige
ehrenamtliche Tätigkeit in der Gemeinde und durch
fortgesetzte Einwirkung auf die maßgebenden Re-
gierungskreise und die Parteien vorbereiten, um letz-
tere zu überzeugen, daß die Reform des Gemeinde-
wahlrechts in den einzelnen Bundesstaaten nur unter
voller Einbeziehung der Frauen erfolgen kann.

Denn im Gegensatz zu der Entwicklung in ver-
schiedenen Staaten des Auslandes wird in Deutsch-
land die Einführung des Gemeindewahlrechts der
Frau der des parlamentarischen Frauenwahlrechts vor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0046" n="46"/>
fortgeschrittene Schattierungen, ohne die grundsätz-<lb/>
liche Haltung der Parteien zu ändern. Allenfalls prä-<lb/>
zisierte die Fortschrittliche Volkspartei etwas ge-<lb/>
nauer, warum sie trotz grundsätzlicher Sympathie<lb/>
für das Frauenstimmrecht auch dieses Mal die Frage<lb/>
vertagen wolle. Die Wahlrechtskommission besteht<lb/>
aus 12 Konservativen, 8 Zentrum, 4 Freikonservati-<lb/>
ven, 6 Nationalliberalen, 3 Fortschrittlern, 1 Sozial-<lb/>
demokraten und 1 Polen. Das Schicksal der Wahl-<lb/>
rechtsvorlage, auch bezüglich der Erfüllung des all-<lb/>
gemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahl-<lb/>
rechts, ist noch unentschieden. Mit Bezug auf das<lb/>
Frauenwahlrecht dürften die Aussichten sich nicht<lb/>
erheblich günstiger gestalten, als es nach den Ver-<lb/>
handlungen im Verfassungsausschuß des Reichstags<lb/>
und im Plenum des Abgeordnetenhauses voraus-<lb/>
zusehen ist. Diese Erfahrungen werden die Stimm-<lb/>
rechtlerinnen nur veranlassen, ihre ganze Kraft darauf<lb/>
zu konzentrieren, den Vorläufer des parlamentarischen<lb/>
Wahlrechts, das Frauenwahlrecht in der Gemeinde, in<lb/>
absehbarer Zeit durchzuführen. Der gegebene Zeit-<lb/>
punkt hierfür dürfte allerdings bei Gelegenheit der<lb/>
Reform der Städteordnungen gekommen sein. Bis da-<lb/>
hin werden die Frauen sich auf ihre zukünftigen<lb/>
kommunalen Pflichten auch weiterhin durch intensive<lb/>
theoretische Schulung, durch gesteigerte freiwillige<lb/>
ehrenamtliche Tätigkeit in der Gemeinde und durch<lb/>
fortgesetzte Einwirkung auf die maßgebenden Re-<lb/>
gierungskreise und die Parteien vorbereiten, um letz-<lb/>
tere zu überzeugen, daß die Reform des Gemeinde-<lb/>
wahlrechts in den einzelnen Bundesstaaten nur unter<lb/>
voller Einbeziehung der Frauen erfolgen kann.</p><lb/>
      <p>Denn im Gegensatz zu der Entwicklung in ver-<lb/>
schiedenen Staaten des Auslandes wird in Deutsch-<lb/>
land die Einführung des Gemeindewahlrechts der<lb/>
Frau der des parlamentarischen Frauenwahlrechts vor-<lb/>
&#x2003;
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0046] fortgeschrittene Schattierungen, ohne die grundsätz- liche Haltung der Parteien zu ändern. Allenfalls prä- zisierte die Fortschrittliche Volkspartei etwas ge- nauer, warum sie trotz grundsätzlicher Sympathie für das Frauenstimmrecht auch dieses Mal die Frage vertagen wolle. Die Wahlrechtskommission besteht aus 12 Konservativen, 8 Zentrum, 4 Freikonservati- ven, 6 Nationalliberalen, 3 Fortschrittlern, 1 Sozial- demokraten und 1 Polen. Das Schicksal der Wahl- rechtsvorlage, auch bezüglich der Erfüllung des all- gemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahl- rechts, ist noch unentschieden. Mit Bezug auf das Frauenwahlrecht dürften die Aussichten sich nicht erheblich günstiger gestalten, als es nach den Ver- handlungen im Verfassungsausschuß des Reichstags und im Plenum des Abgeordnetenhauses voraus- zusehen ist. Diese Erfahrungen werden die Stimm- rechtlerinnen nur veranlassen, ihre ganze Kraft darauf zu konzentrieren, den Vorläufer des parlamentarischen Wahlrechts, das Frauenwahlrecht in der Gemeinde, in absehbarer Zeit durchzuführen. Der gegebene Zeit- punkt hierfür dürfte allerdings bei Gelegenheit der Reform der Städteordnungen gekommen sein. Bis da- hin werden die Frauen sich auf ihre zukünftigen kommunalen Pflichten auch weiterhin durch intensive theoretische Schulung, durch gesteigerte freiwillige ehrenamtliche Tätigkeit in der Gemeinde und durch fortgesetzte Einwirkung auf die maßgebenden Re- gierungskreise und die Parteien vorbereiten, um letz- tere zu überzeugen, daß die Reform des Gemeinde- wahlrechts in den einzelnen Bundesstaaten nur unter voller Einbeziehung der Frauen erfolgen kann. Denn im Gegensatz zu der Entwicklung in ver- schiedenen Staaten des Auslandes wird in Deutsch- land die Einführung des Gemeindewahlrechts der Frau der des parlamentarischen Frauenwahlrechts vor-  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-06-26T14:08:50Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-26T14:08:50Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/46
Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/46>, abgerufen am 25.04.2024.