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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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Sprecher der Nationalliberalen gab zu, daß der Krieg
starke Argumente für das Frauenstimmrecht geliefert
habe und seine Partei der Frage des Frauenstimm-
rechts deshalb wesentlich sympathischer gegenüber-
stände als früher, jedoch die Zustimmung zur so-
fortigen Einführung von der Partei noch nicht ge-
geben werden könne. Auch der Vertreter der Fort-
schrittlichen Volkspartei hält es für eine ernste Zu-
kunftsaufgabe, die politische Stellung der Frau ihrer
wirtschaftlichen anzupassen, will aber die Frage (un-
beschadet der Verpflichtung der Mannheimer Re-
solution) noch offen lassen und konnte sich noch
nicht entschließen, den sozialdemokratischen Anträgen
zuzustimmen. Es ergibt sich daraus, daß die beiden
liberalen Parteien sich wohl bewußt sind, den Zeit-
ereignissen und den berechtigten Ansprüchen der
Frauen ein gewisses Zugeständnis zu machen, daß
sie aber die Erfüllung der diesbezüglichen Frauen-
wünsche verzögern, um die Reform des Männer-
wahlrechtes nicht zu gefährden. Die Grundlage der
letzten Verhandlung im Abgeordnetenhaus vom 15. Ja-
nuar 1918 bildeten Frauenpetitionen aus den Kreisen
der Stimmrechtlerinnen bezüglich stimmberechtigter
Wahl von Frauen in städtische Deputationen und Ein-
gaben von seiten der konfessionell organisierten, nicht
politisch wirken wollenden Frauen des Deutsch-Evan-
gelischen und des Katholischen Frauenbundes, be-
treffend Zuziehung sachverständiger Frauen zu par-
lamentarischen Kommissionen, die sich auf Frauen-
fragen beziehen. Der Gang der Beratungen ist als
durchaus enttäuschend anzusprechen, nachdem der
Regierungsvertreter sich nicht einmal zu dem be-
scheidenen Zugeständnis bereit erklärte, die Gleich-
berechtigung der Frauen in städtischen Deputationen
durch sofortige Aenderung der diesbezüglichen Pa-
ragraphen der Städteordnungen anzuerkennen, und

Sprecher der Nationalliberalen gab zu, daß der Krieg
starke Argumente für das Frauenstimmrecht geliefert
habe und seine Partei der Frage des Frauenstimm-
rechts deshalb wesentlich sympathischer gegenüber-
stände als früher, jedoch die Zustimmung zur so-
fortigen Einführung von der Partei noch nicht ge-
geben werden könne. Auch der Vertreter der Fort-
schrittlichen Volkspartei hält es für eine ernste Zu-
kunftsaufgabe, die politische Stellung der Frau ihrer
wirtschaftlichen anzupassen, will aber die Frage (un-
beschadet der Verpflichtung der Mannheimer Re-
solution) noch offen lassen und konnte sich noch
nicht entschließen, den sozialdemokratischen Anträgen
zuzustimmen. Es ergibt sich daraus, daß die beiden
liberalen Parteien sich wohl bewußt sind, den Zeit-
ereignissen und den berechtigten Ansprüchen der
Frauen ein gewisses Zugeständnis zu machen, daß
sie aber die Erfüllung der diesbezüglichen Frauen-
wünsche verzögern, um die Reform des Männer-
wahlrechtes nicht zu gefährden. Die Grundlage der
letzten Verhandlung im Abgeordnetenhaus vom 15. Ja-
nuar 1918 bildeten Frauenpetitionen aus den Kreisen
der Stimmrechtlerinnen bezüglich stimmberechtigter
Wahl von Frauen in städtische Deputationen und Ein-
gaben von seiten der konfessionell organisierten, nicht
politisch wirken wollenden Frauen des Deutsch-Evan-
gelischen und des Katholischen Frauenbundes, be-
treffend Zuziehung sachverständiger Frauen zu par-
lamentarischen Kommissionen, die sich auf Frauen-
fragen beziehen. Der Gang der Beratungen ist als
durchaus enttäuschend anzusprechen, nachdem der
Regierungsvertreter sich nicht einmal zu dem be-
scheidenen Zugeständnis bereit erklärte, die Gleich-
berechtigung der Frauen in städtischen Deputationen
durch sofortige Aenderung der diesbezüglichen Pa-
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[43/0043] Sprecher der Nationalliberalen gab zu, daß der Krieg starke Argumente für das Frauenstimmrecht geliefert habe und seine Partei der Frage des Frauenstimm- rechts deshalb wesentlich sympathischer gegenüber- stände als früher, jedoch die Zustimmung zur so- fortigen Einführung von der Partei noch nicht ge- geben werden könne. Auch der Vertreter der Fort- schrittlichen Volkspartei hält es für eine ernste Zu- kunftsaufgabe, die politische Stellung der Frau ihrer wirtschaftlichen anzupassen, will aber die Frage (un- beschadet der Verpflichtung der Mannheimer Re- solution) noch offen lassen und konnte sich noch nicht entschließen, den sozialdemokratischen Anträgen zuzustimmen. Es ergibt sich daraus, daß die beiden liberalen Parteien sich wohl bewußt sind, den Zeit- ereignissen und den berechtigten Ansprüchen der Frauen ein gewisses Zugeständnis zu machen, daß sie aber die Erfüllung der diesbezüglichen Frauen- wünsche verzögern, um die Reform des Männer- wahlrechtes nicht zu gefährden. Die Grundlage der letzten Verhandlung im Abgeordnetenhaus vom 15. Ja- nuar 1918 bildeten Frauenpetitionen aus den Kreisen der Stimmrechtlerinnen bezüglich stimmberechtigter Wahl von Frauen in städtische Deputationen und Ein- gaben von seiten der konfessionell organisierten, nicht politisch wirken wollenden Frauen des Deutsch-Evan- gelischen und des Katholischen Frauenbundes, be- treffend Zuziehung sachverständiger Frauen zu par- lamentarischen Kommissionen, die sich auf Frauen- fragen beziehen. Der Gang der Beratungen ist als durchaus enttäuschend anzusprechen, nachdem der Regierungsvertreter sich nicht einmal zu dem be- scheidenen Zugeständnis bereit erklärte, die Gleich- berechtigung der Frauen in städtischen Deputationen durch sofortige Aenderung der diesbezüglichen Pa- ragraphen der Städteordnungen anzuerkennen, und  

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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/43>, abgerufen am 24.04.2024.