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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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in allen Ausschüssen ernannt. Obwohl sie verschie-
denen Parteien angehörten, in den Hauptfragen auch
im Sinne ihrer Partei stimmten, haben sie in allge-
meinen Frauenfragen sich durch vorherige Beratung
in interfraktionellen Besprechungen verständigt. Den-
noch wird ihnen das Zeugnis ausgestellt, daß sie
durchaus nicht lediglich Fraueninteressen bevorzugen,
sich vielmehr ihrer Aufgabe bewußt sind, Volksver-
treterinnen im wahren Sinne des Wortes zu sein.
ln Norwegen haben wir ein Beispiel, wie das be-
schränkte Wahlrecht zur Erweiterung führt. Auch
dort hat den Frauen das Bekenntnis ihrer nationalen
Gesinnung den Sieg errungen. Als die Frage der
Loslösung Norwegens von Schweden einer Volksab-
stimmung der Männer unterbreitet wurde, veranstal-
teten 300 000 Frauen unter sich eine Abstimmung
und erklärten sich gleichfalls für die Unabhängig-
keit. Das überzeugte die Männer von der politischen
Reife der norwegischen Frauen und 1907 erhielten
sie das aktive und passive Wahlrecht unter Voraus-
setzung einer bestimmten Steuerleistung. Den Ehe-
frauen wurde die Steuerleistung des Mannes ange-
rechnet. Nach der Erweiterung gab es in Norwegen
25 000 mehr Wählerinnen als Wähler. Eine Frau
wurde als Ersatzdeputierte in das Storthing gewählt.
Sie bewies ihr realpolitisches Verständnis, indem sie
sich als grundsätzliche Anhängerin der Schiedsge-
richtsidee erklärte, aber für Erhöhung des Heeres-
budgets stimmte. Der Antrag auf Zulassung der
Frauen zu allen Aemtern wurde im Storthing ange-
nommen, so daß in Norwegen Frauen auch Mitglieder
des Ministeriums sein können und bereits im diplo-
matischen Dienst verwendet werden. Das Gesetz,
welches die unehelichen Kinder den ehelichen gleich-
stellt und ihnen den Namen des Vaters gibt, ist
auch auf den Einfluß der Wählerinnen zurückzuführen.

in allen Ausschüssen ernannt. Obwohl sie verschie-
denen Parteien angehörten, in den Hauptfragen auch
im Sinne ihrer Partei stimmten, haben sie in allge-
meinen Frauenfragen sich durch vorherige Beratung
in interfraktionellen Besprechungen verständigt. Den-
noch wird ihnen das Zeugnis ausgestellt, daß sie
durchaus nicht lediglich Fraueninteressen bevorzugen,
sich vielmehr ihrer Aufgabe bewußt sind, Volksver-
treterinnen im wahren Sinne des Wortes zu sein.
ln Norwegen haben wir ein Beispiel, wie das be-
schränkte Wahlrecht zur Erweiterung führt. Auch
dort hat den Frauen das Bekenntnis ihrer nationalen
Gesinnung den Sieg errungen. Als die Frage der
Loslösung Norwegens von Schweden einer Volksab-
stimmung der Männer unterbreitet wurde, veranstal-
teten 300 000 Frauen unter sich eine Abstimmung
und erklärten sich gleichfalls für die Unabhängig-
keit. Das überzeugte die Männer von der politischen
Reife der norwegischen Frauen und 1907 erhielten
sie das aktive und passive Wahlrecht unter Voraus-
setzung einer bestimmten Steuerleistung. Den Ehe-
frauen wurde die Steuerleistung des Mannes ange-
rechnet. Nach der Erweiterung gab es in Norwegen
25 000 mehr Wählerinnen als Wähler. Eine Frau
wurde als Ersatzdeputierte in das Storthing gewählt.
Sie bewies ihr realpolitisches Verständnis, indem sie
sich als grundsätzliche Anhängerin der Schiedsge-
richtsidee erklärte, aber für Erhöhung des Heeres-
budgets stimmte. Der Antrag auf Zulassung der
Frauen zu allen Aemtern wurde im Storthing ange-
nommen, so daß in Norwegen Frauen auch Mitglieder
des Ministeriums sein können und bereits im diplo-
matischen Dienst verwendet werden. Das Gesetz,
welches die unehelichen Kinder den ehelichen gleich-
stellt und ihnen den Namen des Vaters gibt, ist
auch auf den Einfluß der Wählerinnen zurückzuführen.

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[31/0031] in allen Ausschüssen ernannt. Obwohl sie verschie- denen Parteien angehörten, in den Hauptfragen auch im Sinne ihrer Partei stimmten, haben sie in allge- meinen Frauenfragen sich durch vorherige Beratung in interfraktionellen Besprechungen verständigt. Den- noch wird ihnen das Zeugnis ausgestellt, daß sie durchaus nicht lediglich Fraueninteressen bevorzugen, sich vielmehr ihrer Aufgabe bewußt sind, Volksver- treterinnen im wahren Sinne des Wortes zu sein. ln Norwegen haben wir ein Beispiel, wie das be- schränkte Wahlrecht zur Erweiterung führt. Auch dort hat den Frauen das Bekenntnis ihrer nationalen Gesinnung den Sieg errungen. Als die Frage der Loslösung Norwegens von Schweden einer Volksab- stimmung der Männer unterbreitet wurde, veranstal- teten 300 000 Frauen unter sich eine Abstimmung und erklärten sich gleichfalls für die Unabhängig- keit. Das überzeugte die Männer von der politischen Reife der norwegischen Frauen und 1907 erhielten sie das aktive und passive Wahlrecht unter Voraus- setzung einer bestimmten Steuerleistung. Den Ehe- frauen wurde die Steuerleistung des Mannes ange- rechnet. Nach der Erweiterung gab es in Norwegen 25 000 mehr Wählerinnen als Wähler. Eine Frau wurde als Ersatzdeputierte in das Storthing gewählt. Sie bewies ihr realpolitisches Verständnis, indem sie sich als grundsätzliche Anhängerin der Schiedsge- richtsidee erklärte, aber für Erhöhung des Heeres- budgets stimmte. Der Antrag auf Zulassung der Frauen zu allen Aemtern wurde im Storthing ange- nommen, so daß in Norwegen Frauen auch Mitglieder des Ministeriums sein können und bereits im diplo- matischen Dienst verwendet werden. Das Gesetz, welches die unehelichen Kinder den ehelichen gleich- stellt und ihnen den Namen des Vaters gibt, ist auch auf den Einfluß der Wählerinnen zurückzuführen.

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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/31>, abgerufen am 29.03.2024.