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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Historisches und Statistisches.
vollständig abgeschlossen, doch mit der Eisengewinnung in ihrer ein-
fachsten Form sich vertraut zeigen, mit der Bronze oder dem Kupfer
aber häufig unbekannt sind.

In den Schriften der historischen Völker lassen sich meistens
Spuren ihrer Bekanntschaft mit dem Eisen bis zu den Anfängen aller
schriftlichen Tradition hinauf verfolgen. In den Büchern Mosis wird
mehrfach des Eisens erwähnt und Thubalkain, ein Abkömmling Kains
im sechsten Gliede, wird ein "Meister in Erz und allerlei Eisenwerk"
genannt, ein Beweis, dass der Erzähler selbst die Kenntniss des Eisens
als uralt betrachtet; da aber jene Bücher jedenfalls bald nach dem
Auszuge der Juden aus Aegypten (1600 v. Chr.) geschrieben wurden,
so lässt sich folgern, dass auch dort, wo die Juden sich 430 Jahre
lang aufhielten, das Eisen um jene Zeit schon bekannt gewesen sein
muss. Auch Homer erwähnt nicht selten des Eisens und Stahls, und
zwar mehr als Material für den Ackerbau als für den Krieg, da die
Waffen der damaligen Zeit noch aus Bronze gefertigt wurden. In Italien
war das Eisen schon lange vor den Römern bekannt; in einer im
Jahre 1853 zu Villanova bei Bologna aufgedeckten Todtenstadt aus
voretruskischer Zeit wurden eine grosse Zahl eiserner Geräthe gefunden.

Berühmt war im Alterthume, besonders bei den Griechen, das
Eisen der Chalyber, eines Volksstammes am schwarzen Meere; die Be-
zeichnung khalups für Eisen deutet darauf hin, dass jene die Lehrer der
Griechen in der Eisendarstellung gewesen seien, und zahlreiche Reste
alter Eisenhütten wurden zur Zeit des Kaisers Augustus in dem er-
wähnten Lande gefunden. Eine ausgedehnte Eisenindustrie wurde zur
Römerzeit, als das Eisen bereits das Material für Waffen, Rüstungen,
Ackerbaugeräthe, Handwerkszeug aller Art u. s. w. bildete, in ver-
schiedenen eisenerzreichen römischen Provinzen betrieben, insbesondere
in Spanien, Gallien, England, Kärnten; noch jetzt werden in jenen
Ländern Schlackenhalden, ja selbst Oefen und Schmelzgeräthe aus der
Römerzeit gefunden. Besonderen Ruf jedoch hatte das Eisen der Serer,
eines vermuthlich ostasiatischen Volksstammes, welches gemeinschaft-
lich mit kostbaren Geweben nach Rom gebracht wurde und vermuth-
lich mit dem heutigen Wootz- oder Damascenerstahle übereinstimmte.

Sehr einfach war natürlich die Technik der Eisengewinnung im
Alterthume. Roh- und Gusseisen kannte man überhaupt nicht; durch
Schmelzen von reinen Eisenerzen mit reichem Brennstoffaufwande in
niedrigen Oefen oder Feuern stellte man unter starkem Eisenverluste
durch Verschlackung einen Klumpen schmiedbaren Eisens dar, welcher
dann ausgeschmiedet wurde. Alle Nachrichten und erhaltenen Spuren
früherer eisenhüttenmännischen Thätigkeit weisen darauf hin, dass das
Verfahren im Wesentlichen überall das nämliche war, welches noch
heute in entlegenen, von der Cultur nicht erreichten Gegenden an-
getroffen wird. Nur durch Zufall geschah es wohl mitunter, dass bei
dem Schmelzprocesse die Reduction und Kohlung zu weit getrieben
wurde, und dann entstand, wie Aristoteles von den schon erwähnten
Chalybern berichtet, ein Eisen, welches "wie Wasser" schmolz, weisse
Farbe besass, dem Rosten weniger unterworfen war, aber erst einer
"Reinigung" durch wiederholtes Umschmelzen bedurfte, um schmiedbar

Historisches und Statistisches.
vollständig abgeschlossen, doch mit der Eisengewinnung in ihrer ein-
fachsten Form sich vertraut zeigen, mit der Bronze oder dem Kupfer
aber häufig unbekannt sind.

In den Schriften der historischen Völker lassen sich meistens
Spuren ihrer Bekanntschaft mit dem Eisen bis zu den Anfängen aller
schriftlichen Tradition hinauf verfolgen. In den Büchern Mosis wird
mehrfach des Eisens erwähnt und Thubalkain, ein Abkömmling Kains
im sechsten Gliede, wird ein „Meister in Erz und allerlei Eisenwerk“
genannt, ein Beweis, dass der Erzähler selbst die Kenntniss des Eisens
als uralt betrachtet; da aber jene Bücher jedenfalls bald nach dem
Auszuge der Juden aus Aegypten (1600 v. Chr.) geschrieben wurden,
so lässt sich folgern, dass auch dort, wo die Juden sich 430 Jahre
lang aufhielten, das Eisen um jene Zeit schon bekannt gewesen sein
muss. Auch Homer erwähnt nicht selten des Eisens und Stahls, und
zwar mehr als Material für den Ackerbau als für den Krieg, da die
Waffen der damaligen Zeit noch aus Bronze gefertigt wurden. In Italien
war das Eisen schon lange vor den Römern bekannt; in einer im
Jahre 1853 zu Villanova bei Bologna aufgedeckten Todtenstadt aus
voretruskischer Zeit wurden eine grosse Zahl eiserner Geräthe gefunden.

Berühmt war im Alterthume, besonders bei den Griechen, das
Eisen der Chalyber, eines Volksstammes am schwarzen Meere; die Be-
zeichnung χάλυψ für Eisen deutet darauf hin, dass jene die Lehrer der
Griechen in der Eisendarstellung gewesen seien, und zahlreiche Reste
alter Eisenhütten wurden zur Zeit des Kaisers Augustus in dem er-
wähnten Lande gefunden. Eine ausgedehnte Eisenindustrie wurde zur
Römerzeit, als das Eisen bereits das Material für Waffen, Rüstungen,
Ackerbaugeräthe, Handwerkszeug aller Art u. s. w. bildete, in ver-
schiedenen eisenerzreichen römischen Provinzen betrieben, insbesondere
in Spanien, Gallien, England, Kärnten; noch jetzt werden in jenen
Ländern Schlackenhalden, ja selbst Oefen und Schmelzgeräthe aus der
Römerzeit gefunden. Besonderen Ruf jedoch hatte das Eisen der Serer,
eines vermuthlich ostasiatischen Volksstammes, welches gemeinschaft-
lich mit kostbaren Geweben nach Rom gebracht wurde und vermuth-
lich mit dem heutigen Wootz- oder Damascenerstahle übereinstimmte.

Sehr einfach war natürlich die Technik der Eisengewinnung im
Alterthume. Roh- und Gusseisen kannte man überhaupt nicht; durch
Schmelzen von reinen Eisenerzen mit reichem Brennstoffaufwande in
niedrigen Oefen oder Feuern stellte man unter starkem Eisenverluste
durch Verschlackung einen Klumpen schmiedbaren Eisens dar, welcher
dann ausgeschmiedet wurde. Alle Nachrichten und erhaltenen Spuren
früherer eisenhüttenmännischen Thätigkeit weisen darauf hin, dass das
Verfahren im Wesentlichen überall das nämliche war, welches noch
heute in entlegenen, von der Cultur nicht erreichten Gegenden an-
getroffen wird. Nur durch Zufall geschah es wohl mitunter, dass bei
dem Schmelzprocesse die Reduction und Kohlung zu weit getrieben
wurde, und dann entstand, wie Aristoteles von den schon erwähnten
Chalybern berichtet, ein Eisen, welches „wie Wasser“ schmolz, weisse
Farbe besass, dem Rosten weniger unterworfen war, aber erst einer
„Reinigung“ durch wiederholtes Umschmelzen bedurfte, um schmiedbar

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/35>, abgerufen am 16.04.2024.