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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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Anmerkungen zu einer physiognomischen Abhandlung.

Talente, nicht mehr als Talente, nicht Genie zeigen? -- Nun! Ein einziges Beyspiel einer solchen
Stirn eines natürlichen Dummkopfes; eines Kopfs ohne Talente -- ohne bestimmte, leuchten-
de, allgemein anerkannte -- Talente! Eine einzige Stirn und Nase, wie 2. -- die nicht durch
Klugheit, Ueberlegung, Festigkeit, und Adel der Seele sich auszeichnen!

Die Stirn 3. sollte, im gesunden Zustande des Körpers, je gleich denken, gleich fortlaufen
mit der Stirn 4? und diese je die Ueberlegung und ruhige Weisheit von 2. eigenthümlich besitzen?
Nur einen einzigen natürlichen Dummkopf, wie 3! -- Kann seyn, daß so ein Charakter zerdrückt,
zertreten wird, auch wenn der Umriß der Stirne bleibt -- So wie der Umriß der Stirne im Schla-
fe, im Tode bleibt -- aber wir sprechen vom natürlichen, gesunden Zustande.

Des IV. Ban-
des II. Tafel.
J ... h. II.

Es folgt hier ein von freyer Hand gemachter Ausschnitt -- von einem allbekann-
ten Kopfe -- Wenn in dieser Nase, (sie dürfte unten etwas breiter und vielleicht um
ein Haar länger seyn) -- wenn in dem bloßen äußersten Umrisse der Nase nicht vor-
zügliche -- Wissens-Lernensbegier; nicht Aktifität des Geistes -- nicht Betriebsamkeit sich hervor-
zuthun; nicht etwas natürlich edles, freyes, großmüthiges liegt -- das heißt, wenn man mir eine
Nase zeigt, die dieser gleicht, und sich durch solchen Charakter nicht auszeichnet -- wenn eine solche
Stirn, natürlicher Weise, gewaltthätige Zufälle abgerechnet, nicht viel faßt, leicht faßt und behält --
mehr helle sieht, als tief -- mehr zu sinnlichen als abstrakten Erkenntnissen Hang hat -- wenn die-
se Stirn auf dieselbe kalte, tiefe Weise calculirt, wie die vorige; die vorige so heiter, witzreich, co-
lorirt -- spricht, wie diese -- weg mit Physiognomik! wenigstens mit meiner! Nichts von dem
Launichten, von der Titusgüte des Mundes -- der gehört, wenn man will, zu den beweglichen
Theilen, und wir sprechen von den festen.

Hier noch andere Beyspiele. --

Wenn
Phys. Fragm. IV Versuch. C
Anmerkungen zu einer phyſiognomiſchen Abhandlung.

Talente, nicht mehr als Talente, nicht Genie zeigen? — Nun! Ein einziges Beyſpiel einer ſolchen
Stirn eines natuͤrlichen Dummkopfes; eines Kopfs ohne Talente — ohne beſtimmte, leuchten-
de, allgemein anerkannte — Talente! Eine einzige Stirn und Naſe, wie 2. — die nicht durch
Klugheit, Ueberlegung, Feſtigkeit, und Adel der Seele ſich auszeichnen!

Die Stirn 3. ſollte, im geſunden Zuſtande des Koͤrpers, je gleich denken, gleich fortlaufen
mit der Stirn 4? und dieſe je die Ueberlegung und ruhige Weisheit von 2. eigenthuͤmlich beſitzen?
Nur einen einzigen natuͤrlichen Dummkopf, wie 3! — Kann ſeyn, daß ſo ein Charakter zerdruͤckt,
zertreten wird, auch wenn der Umriß der Stirne bleibt — So wie der Umriß der Stirne im Schla-
fe, im Tode bleibt — aber wir ſprechen vom natuͤrlichen, geſunden Zuſtande.

Des IV. Ban-
des II. Tafel.
J ... h. II.

Es folgt hier ein von freyer Hand gemachter Ausſchnitt — von einem allbekann-
ten Kopfe — Wenn in dieſer Naſe, (ſie duͤrfte unten etwas breiter und vielleicht um
ein Haar laͤnger ſeyn) — wenn in dem bloßen aͤußerſten Umriſſe der Naſe nicht vor-
zuͤgliche — Wiſſens-Lernensbegier; nicht Aktifitaͤt des Geiſtes — nicht Betriebſamkeit ſich hervor-
zuthun; nicht etwas natuͤrlich edles, freyes, großmuͤthiges liegt — das heißt, wenn man mir eine
Naſe zeigt, die dieſer gleicht, und ſich durch ſolchen Charakter nicht auszeichnet — wenn eine ſolche
Stirn, natuͤrlicher Weiſe, gewaltthaͤtige Zufaͤlle abgerechnet, nicht viel faßt, leicht faßt und behaͤlt —
mehr helle ſieht, als tief — mehr zu ſinnlichen als abſtrakten Erkenntniſſen Hang hat — wenn die-
ſe Stirn auf dieſelbe kalte, tiefe Weiſe calculirt, wie die vorige; die vorige ſo heiter, witzreich, co-
lorirt — ſpricht, wie dieſe — weg mit Phyſiognomik! wenigſtens mit meiner! Nichts von dem
Launichten, von der Titusguͤte des Mundes — der gehoͤrt, wenn man will, zu den beweglichen
Theilen, und wir ſprechen von den feſten.

Hier noch andere Beyſpiele. —

Wenn
Phyſ. Fragm. IV Verſuch. C
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[17/0037] Anmerkungen zu einer phyſiognomiſchen Abhandlung. Talente, nicht mehr als Talente, nicht Genie zeigen? — Nun! Ein einziges Beyſpiel einer ſolchen Stirn eines natuͤrlichen Dummkopfes; eines Kopfs ohne Talente — ohne beſtimmte, leuchten- de, allgemein anerkannte — Talente! Eine einzige Stirn und Naſe, wie 2. — die nicht durch Klugheit, Ueberlegung, Feſtigkeit, und Adel der Seele ſich auszeichnen! Die Stirn 3. ſollte, im geſunden Zuſtande des Koͤrpers, je gleich denken, gleich fortlaufen mit der Stirn 4? und dieſe je die Ueberlegung und ruhige Weisheit von 2. eigenthuͤmlich beſitzen? Nur einen einzigen natuͤrlichen Dummkopf, wie 3! — Kann ſeyn, daß ſo ein Charakter zerdruͤckt, zertreten wird, auch wenn der Umriß der Stirne bleibt — So wie der Umriß der Stirne im Schla- fe, im Tode bleibt — aber wir ſprechen vom natuͤrlichen, geſunden Zuſtande. Es folgt hier ein von freyer Hand gemachter Ausſchnitt — von einem allbekann- ten Kopfe — Wenn in dieſer Naſe, (ſie duͤrfte unten etwas breiter und vielleicht um ein Haar laͤnger ſeyn) — wenn in dem bloßen aͤußerſten Umriſſe der Naſe nicht vor- zuͤgliche — Wiſſens-Lernensbegier; nicht Aktifitaͤt des Geiſtes — nicht Betriebſamkeit ſich hervor- zuthun; nicht etwas natuͤrlich edles, freyes, großmuͤthiges liegt — das heißt, wenn man mir eine Naſe zeigt, die dieſer gleicht, und ſich durch ſolchen Charakter nicht auszeichnet — wenn eine ſolche Stirn, natuͤrlicher Weiſe, gewaltthaͤtige Zufaͤlle abgerechnet, nicht viel faßt, leicht faßt und behaͤlt — mehr helle ſieht, als tief — mehr zu ſinnlichen als abſtrakten Erkenntniſſen Hang hat — wenn die- ſe Stirn auf dieſelbe kalte, tiefe Weiſe calculirt, wie die vorige; die vorige ſo heiter, witzreich, co- lorirt — ſpricht, wie dieſe — weg mit Phyſiognomik! wenigſtens mit meiner! Nichts von dem Launichten, von der Titusguͤte des Mundes — der gehoͤrt, wenn man will, zu den beweglichen Theilen, und wir ſprechen von den feſten. Hier noch andere Beyſpiele. — Wenn Phyſ. Fragm. IV Verſuch. C

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/37>, abgerufen am 28.03.2024.