Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Abschnitt. I. Fragment.
[Abbildung]

Und damit wir bey bloßen Silhouetten stehen bleiben, welche unser Verfasser mit einem
unerklärbaren, beynahe gänzlichen Stillschweigen übergeht, als ob keine Zeile davon in unsern
Fragmenten stünde; wird er sich je getrauen, vor irgend einem Menschen, oder auch nur in der
Stille seines Cabinets -- beym Anblick einer Menge Silhouetten den Gedanken auszusprechen --
den er so ohne und gegen alle Beweise, und gegen seine eigenen Grundsätze -- hinsetzt -- "Talente
"und Gaben des Geistes haben keine Zeichen in den festen Theilen des Kopfes" -- das heißt mit
andern Worten -- "willkührlich und ohne alle innere Ursache hat der eine scharfeckigte, der andre
"stumpfe Stirnknochen -- Es ist nur Zufall, (in einer Welt, wo nichts durch Zufall geschieht) -- Eine
"eckigte Stirn und eine runde -- eine flache und eine gewölbte können dieselben Talente, dieselben
"Geistesgaben in demselben Grade beherbergen?" -- Was ist dagegen zu sagen? Nichts, als
Siehe! Siehe! -- und dann entscheide.

Des IV.
Bandes I.
Tafel Gs.
4 männliche
Silhouetten.

Hier 4. Silhouetten, 3. etwas gewandt, kein ganz Profil also -- alle fehlerhaft
vielleicht; aber -- doch das thut hier nichts -- nur so, wie sie noch da sind -- die Form
ist immer wahr oder charakteristisch genug -- Der Mund von 1. ist verschnitten -- und
wird dadurch sehr unter den Ausdruck des Originals erniedriget -- aber wir sprechen
von den festen Theilen; von der Stirne; vom Umrisse der Nase -- wenn die nicht Talente, große

Talente,
I. Abſchnitt. I. Fragment.
[Abbildung]

Und damit wir bey bloßen Silhouetten ſtehen bleiben, welche unſer Verfaſſer mit einem
unerklaͤrbaren, beynahe gaͤnzlichen Stillſchweigen uͤbergeht, als ob keine Zeile davon in unſern
Fragmenten ſtuͤnde; wird er ſich je getrauen, vor irgend einem Menſchen, oder auch nur in der
Stille ſeines Cabinets — beym Anblick einer Menge Silhouetten den Gedanken auszuſprechen —
den er ſo ohne und gegen alle Beweiſe, und gegen ſeine eigenen Grundſaͤtze — hinſetzt — „Talente
„und Gaben des Geiſtes haben keine Zeichen in den feſten Theilen des Kopfes“ — das heißt mit
andern Worten — „willkuͤhrlich und ohne alle innere Urſache hat der eine ſcharfeckigte, der andre
„ſtumpfe Stirnknochen — Es iſt nur Zufall, (in einer Welt, wo nichts durch Zufall geſchieht) — Eine
„eckigte Stirn und eine runde — eine flache und eine gewoͤlbte koͤnnen dieſelben Talente, dieſelben
„Geiſtesgaben in demſelben Grade beherbergen?“ — Was iſt dagegen zu ſagen? Nichts, als
Siehe! Siehe! — und dann entſcheide.

Des IV.
Bandes I.
Tafel Gs.
4 maͤnnliche
Silhouetten.

Hier 4. Silhouetten, 3. etwas gewandt, kein ganz Profil alſo — alle fehlerhaft
vielleicht; aber — doch das thut hier nichts — nur ſo, wie ſie noch da ſind — die Form
iſt immer wahr oder charakteriſtiſch genug — Der Mund von 1. iſt verſchnitten — und
wird dadurch ſehr unter den Ausdruck des Originals erniedriget — aber wir ſprechen
von den feſten Theilen; von der Stirne; vom Umriſſe der Naſe — wenn die nicht Talente, große

Talente,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0032" n="16"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#g">Ab&#x017F;chnitt.</hi> <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#g">Fragment.</hi> </hi> </fw><lb/>
            <figure/>
            <p>Und damit wir bey bloßen Silhouetten &#x017F;tehen bleiben, welche un&#x017F;er Verfa&#x017F;&#x017F;er mit einem<lb/>
unerkla&#x0364;rbaren, beynahe ga&#x0364;nzlichen Still&#x017F;chweigen u&#x0364;bergeht, als ob keine Zeile davon in un&#x017F;ern<lb/><hi rendition="#fr">Fragmenten</hi> &#x017F;tu&#x0364;nde; wird er &#x017F;ich je getrauen, vor irgend einem Men&#x017F;chen, oder auch nur in der<lb/>
Stille &#x017F;eines Cabinets &#x2014; beym Anblick einer Menge Silhouetten den Gedanken auszu&#x017F;prechen &#x2014;<lb/>
den er &#x017F;o ohne und gegen alle Bewei&#x017F;e, und gegen &#x017F;eine eigenen Grund&#x017F;a&#x0364;tze &#x2014; hin&#x017F;etzt &#x2014; &#x201E;Talente<lb/>
&#x201E;und Gaben des Gei&#x017F;tes haben keine Zeichen in den fe&#x017F;ten Theilen des Kopfes&#x201C; &#x2014; das heißt mit<lb/>
andern Worten &#x2014; &#x201E;willku&#x0364;hrlich und ohne alle innere Ur&#x017F;ache hat der eine &#x017F;charfeckigte, der andre<lb/>
&#x201E;&#x017F;tumpfe Stirnknochen &#x2014; Es i&#x017F;t nur Zufall, (in einer Welt, wo nichts durch Zufall ge&#x017F;chieht) &#x2014; Eine<lb/>
&#x201E;eckigte Stirn und eine runde &#x2014; eine flache und eine gewo&#x0364;lbte ko&#x0364;nnen die&#x017F;elben Talente, die&#x017F;elben<lb/>
&#x201E;Gei&#x017F;tesgaben in dem&#x017F;elben Grade beherbergen?&#x201C; &#x2014; Was i&#x017F;t dagegen zu &#x017F;agen? Nichts, als<lb/><hi rendition="#fr">Siehe! Siehe!</hi> &#x2014; und dann ent&#x017F;cheide.</p><lb/>
            <note place="left">Des <hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/>
Bandes <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
Tafel <hi rendition="#aq">Gs.</hi><lb/>
4 ma&#x0364;nnliche<lb/>
Silhouetten.</note>
            <p>Hier 4. Silhouetten, 3. etwas gewandt, kein ganz Profil al&#x017F;o &#x2014; alle fehlerhaft<lb/>
vielleicht; aber &#x2014; doch das thut hier nichts &#x2014; nur &#x017F;o, wie &#x017F;ie noch da &#x017F;ind &#x2014; die <hi rendition="#fr">Form</hi><lb/>
i&#x017F;t immer wahr oder charakteri&#x017F;ti&#x017F;ch genug &#x2014; Der Mund von 1. i&#x017F;t ver&#x017F;chnitten &#x2014; und<lb/>
wird dadurch &#x017F;ehr unter den Ausdruck des Originals erniedriget &#x2014; aber wir &#x017F;prechen<lb/>
von den fe&#x017F;ten Theilen; von der Stirne; vom Umri&#x017F;&#x017F;e der Na&#x017F;e &#x2014; wenn die nicht Talente, große</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Talente,</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0032] I. Abſchnitt. I. Fragment. [Abbildung] Und damit wir bey bloßen Silhouetten ſtehen bleiben, welche unſer Verfaſſer mit einem unerklaͤrbaren, beynahe gaͤnzlichen Stillſchweigen uͤbergeht, als ob keine Zeile davon in unſern Fragmenten ſtuͤnde; wird er ſich je getrauen, vor irgend einem Menſchen, oder auch nur in der Stille ſeines Cabinets — beym Anblick einer Menge Silhouetten den Gedanken auszuſprechen — den er ſo ohne und gegen alle Beweiſe, und gegen ſeine eigenen Grundſaͤtze — hinſetzt — „Talente „und Gaben des Geiſtes haben keine Zeichen in den feſten Theilen des Kopfes“ — das heißt mit andern Worten — „willkuͤhrlich und ohne alle innere Urſache hat der eine ſcharfeckigte, der andre „ſtumpfe Stirnknochen — Es iſt nur Zufall, (in einer Welt, wo nichts durch Zufall geſchieht) — Eine „eckigte Stirn und eine runde — eine flache und eine gewoͤlbte koͤnnen dieſelben Talente, dieſelben „Geiſtesgaben in demſelben Grade beherbergen?“ — Was iſt dagegen zu ſagen? Nichts, als Siehe! Siehe! — und dann entſcheide. Hier 4. Silhouetten, 3. etwas gewandt, kein ganz Profil alſo — alle fehlerhaft vielleicht; aber — doch das thut hier nichts — nur ſo, wie ſie noch da ſind — die Form iſt immer wahr oder charakteriſtiſch genug — Der Mund von 1. iſt verſchnitten — und wird dadurch ſehr unter den Ausdruck des Originals erniedriget — aber wir ſprechen von den feſten Theilen; von der Stirne; vom Umriſſe der Naſe — wenn die nicht Talente, große Talente,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/32
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/32>, abgerufen am 16.04.2024.