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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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Frau und Tochter eines reichen, vornehmen Advoka-
ten von Waelen. Die Familie ist sehr angesehn und
rühmt sich mit spanischen Granden vermischt zu sein.
Leopold hatte mich mit seiner schnellen Gewandtheit
unter dem alten spanischen Namen vorgestellt, den
ich seit Jahren beinahe vergessen hatte. Der gute
Junge dachte nicht daran, wie dieser klangvolle Name
ihm gefährlich werden könne. Er empfahl mich so
vortrefflich bei dieser Familie, daß ich in wenig Tagen
ein hochangesehener Hausfreund war. Frau van Wae-
len ist dreißig Jahr alt und eine strotzende flamän-
dische Schönheit von hohem, vollem Wuchse, feu-
rigem Auge, sie ist schweigsamen und dennoch inner-
lich lebhaften Temperamentes. Die besten, üppigsten
Formen für einen Rubens, eine Frau für Prome-
nade, Haus und Bett, wie sie ein Advokat nur
wünschen kann. Stolz auf sich selbst, eitel auf ihre
Tochter kommt sie in die wunderliche Verlegenheit,
ob sie die nahenden Liebhaber sich oder der Tochter
wünschen soll. Denn Herr van Waelen ist ein lan-
ger, trockner Gesell mit einem buschigen Backenbarte,
seiner einzigen Schönheit. Es war wirklich ein ganz
neues Element, in dem ich mich beim Eintritte in

Frau und Tochter eines reichen, vornehmen Advoka-
ten von Waelen. Die Familie iſt ſehr angeſehn und
rühmt ſich mit ſpaniſchen Granden vermiſcht zu ſein.
Leopold hatte mich mit ſeiner ſchnellen Gewandtheit
unter dem alten ſpaniſchen Namen vorgeſtellt, den
ich ſeit Jahren beinahe vergeſſen hatte. Der gute
Junge dachte nicht daran, wie dieſer klangvolle Name
ihm gefährlich werden könne. Er empfahl mich ſo
vortrefflich bei dieſer Familie, daß ich in wenig Tagen
ein hochangeſehener Hausfreund war. Frau van Wae-
len iſt dreißig Jahr alt und eine ſtrotzende flamän-
diſche Schönheit von hohem, vollem Wuchſe, feu-
rigem Auge, ſie iſt ſchweigſamen und dennoch inner-
lich lebhaften Temperamentes. Die beſten, üppigſten
Formen für einen Rubens, eine Frau für Prome-
nade, Haus und Bett, wie ſie ein Advokat nur
wünſchen kann. Stolz auf ſich ſelbſt, eitel auf ihre
Tochter kommt ſie in die wunderliche Verlegenheit,
ob ſie die nahenden Liebhaber ſich oder der Tochter
wünſchen ſoll. Denn Herr van Waelen iſt ein lan-
ger, trockner Geſell mit einem buſchigen Backenbarte,
ſeiner einzigen Schönheit. Es war wirklich ein ganz
neues Element, in dem ich mich beim Eintritte in

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[18/0026] Frau und Tochter eines reichen, vornehmen Advoka- ten von Waelen. Die Familie iſt ſehr angeſehn und rühmt ſich mit ſpaniſchen Granden vermiſcht zu ſein. Leopold hatte mich mit ſeiner ſchnellen Gewandtheit unter dem alten ſpaniſchen Namen vorgeſtellt, den ich ſeit Jahren beinahe vergeſſen hatte. Der gute Junge dachte nicht daran, wie dieſer klangvolle Name ihm gefährlich werden könne. Er empfahl mich ſo vortrefflich bei dieſer Familie, daß ich in wenig Tagen ein hochangeſehener Hausfreund war. Frau van Wae- len iſt dreißig Jahr alt und eine ſtrotzende flamän- diſche Schönheit von hohem, vollem Wuchſe, feu- rigem Auge, ſie iſt ſchweigſamen und dennoch inner- lich lebhaften Temperamentes. Die beſten, üppigſten Formen für einen Rubens, eine Frau für Prome- nade, Haus und Bett, wie ſie ein Advokat nur wünſchen kann. Stolz auf ſich ſelbſt, eitel auf ihre Tochter kommt ſie in die wunderliche Verlegenheit, ob ſie die nahenden Liebhaber ſich oder der Tochter wünſchen ſoll. Denn Herr van Waelen iſt ein lan- ger, trockner Geſell mit einem buſchigen Backenbarte, ſeiner einzigen Schönheit. Es war wirklich ein ganz neues Element, in dem ich mich beim Eintritte in

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/26>, abgerufen am 23.04.2024.