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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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benswürdigkeit. Eine gewisse Ritterlichkeit hat immer
ihre Mißgriffe erzeugt, auch die letzten. Wenn sie
sich wie die Helden geschlagen hatten, dann verziehen
sie auch großmüthig wie die Helden. Der ganze
moderne Wirrwarr selbst mit Berechnung und Geld
wird von ihnen und durch ihre Lebhaftigkeit so bunt
und interessant ausgebildet, daß er immer noch einen
Schimmer von Poesie behält. Jst ihnen auch oft
die Freiheit wieder entglitten, die Gleichheit haben
sie aus allen Stürmen gerettet; der reiche Banquier
und der ärmste Journalist, einer repräsentirt seinen
Monsieur wie der andre; und das ist nicht etwa
gesellige Duldung mit allerlei Rückhaltsgedanken, wie
man sie in den besten Gesellschaften Teutschlands
findet, nein, es ist eine Sache an sich, ein Absolutes.
Jeder Mann gilt für einen Mann, und seine Worte
werden nach ihrem absoluten Werthe beachtet, nicht
nach Rücksichten. Das Geld ist mächtig, aber nicht
allmächtig. Keime zu allerlei neuen, lockenden Zu-
ständen liegen überall am Tage, nirgends ist Tod
und Erstarrung.

Jch wollte mir das neue Königreich betrachten,
was gegen alle diplomatische Erwartung aus den

benswürdigkeit. Eine gewiſſe Ritterlichkeit hat immer
ihre Mißgriffe erzeugt, auch die letzten. Wenn ſie
ſich wie die Helden geſchlagen hatten, dann verziehen
ſie auch großmüthig wie die Helden. Der ganze
moderne Wirrwarr ſelbſt mit Berechnung und Geld
wird von ihnen und durch ihre Lebhaftigkeit ſo bunt
und intereſſant ausgebildet, daß er immer noch einen
Schimmer von Poeſie behält. Jſt ihnen auch oft
die Freiheit wieder entglitten, die Gleichheit haben
ſie aus allen Stürmen gerettet; der reiche Banquier
und der ärmſte Journaliſt, einer repräſentirt ſeinen
Monſieur wie der andre; und das iſt nicht etwa
geſellige Duldung mit allerlei Rückhaltsgedanken, wie
man ſie in den beſten Geſellſchaften Teutſchlands
findet, nein, es iſt eine Sache an ſich, ein Abſolutes.
Jeder Mann gilt für einen Mann, und ſeine Worte
werden nach ihrem abſoluten Werthe beachtet, nicht
nach Rückſichten. Das Geld iſt mächtig, aber nicht
allmächtig. Keime zu allerlei neuen, lockenden Zu-
ſtänden liegen überall am Tage, nirgends iſt Tod
und Erſtarrung.

Jch wollte mir das neue Königreich betrachten,
was gegen alle diplomatiſche Erwartung aus den

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[14/0022] benswürdigkeit. Eine gewiſſe Ritterlichkeit hat immer ihre Mißgriffe erzeugt, auch die letzten. Wenn ſie ſich wie die Helden geſchlagen hatten, dann verziehen ſie auch großmüthig wie die Helden. Der ganze moderne Wirrwarr ſelbſt mit Berechnung und Geld wird von ihnen und durch ihre Lebhaftigkeit ſo bunt und intereſſant ausgebildet, daß er immer noch einen Schimmer von Poeſie behält. Jſt ihnen auch oft die Freiheit wieder entglitten, die Gleichheit haben ſie aus allen Stürmen gerettet; der reiche Banquier und der ärmſte Journaliſt, einer repräſentirt ſeinen Monſieur wie der andre; und das iſt nicht etwa geſellige Duldung mit allerlei Rückhaltsgedanken, wie man ſie in den beſten Geſellſchaften Teutſchlands findet, nein, es iſt eine Sache an ſich, ein Abſolutes. Jeder Mann gilt für einen Mann, und ſeine Worte werden nach ihrem abſoluten Werthe beachtet, nicht nach Rückſichten. Das Geld iſt mächtig, aber nicht allmächtig. Keime zu allerlei neuen, lockenden Zu- ſtänden liegen überall am Tage, nirgends iſt Tod und Erſtarrung. Jch wollte mir das neue Königreich betrachten, was gegen alle diplomatiſche Erwartung aus den

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/22>, abgerufen am 28.03.2024.