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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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Jch habe Dir seit dem Sommer 30, seit Paris
nichts mehr über mein Leben geschrieben. Offen
gestanden, Freund, jenes teutsche Mädchen, jene
zauberische Julia hat so viel von meiner ursprüng-
lichen Kraft zerbrochen, daß ich seit jener Zeit micht
mehr gern von mir erzähle. Wir sind wie die Wei-
ber: wir gestehen es uns nicht gern, daß wir älter
und somit unmächtiger werden. Julia hat mir das
fabelhafte Vertrauen auf meine Kraft und Macht
geraubt, und dadurch den Zauber meiner Jugend
erschüttert. Sie war das erste Mädchen, das mir
widerstand. Jn jener Nacht, wo ich Alles vergeb-
lich aufgeboten hatte, um sie zu erweichen, rannte
ich wie toll durch die Straßen von Paris, ich stüirzte
mich in die Seine, um meine Gluth zu kühlen,
meine Eitelkeit und Zuversicht waren in's Herz ge-
troffen. Jch kenne den sentimentalen Liebesjammer
nicht, den die Teutschen so ausführlich beschreiben,
und woraus sie eine Art von Poesie gemacht haben,
Wehmuth und Thränen kamen mir also nicht zu
Hilfe, um die wilde, unbefriedigte Kraft in mir zu
brechen, sie mußte daher in sich selbst vertoben. O es
war eine grausame Wirthschaft!

Jch habe Dir ſeit dem Sommer 30, ſeit Paris
nichts mehr über mein Leben geſchrieben. Offen
geſtanden, Freund, jenes teutſche Mädchen, jene
zauberiſche Julia hat ſo viel von meiner urſprüng-
lichen Kraft zerbrochen, daß ich ſeit jener Zeit micht
mehr gern von mir erzähle. Wir ſind wie die Wei-
ber: wir geſtehen es uns nicht gern, daß wir älter
und ſomit unmächtiger werden. Julia hat mir das
fabelhafte Vertrauen auf meine Kraft und Macht
geraubt, und dadurch den Zauber meiner Jugend
erſchüttert. Sie war das erſte Mädchen, das mir
widerſtand. Jn jener Nacht, wo ich Alles vergeb-
lich aufgeboten hatte, um ſie zu erweichen, rannte
ich wie toll durch die Straßen von Paris, ich ſtüirzte
mich in die Seine, um meine Gluth zu kühlen,
meine Eitelkeit und Zuverſicht waren in’s Herz ge-
troffen. Jch kenne den ſentimentalen Liebesjammer
nicht, den die Teutſchen ſo ausführlich beſchreiben,
und woraus ſie eine Art von Poeſie gemacht haben,
Wehmuth und Thränen kamen mir alſo nicht zu
Hilfe, um die wilde, unbefriedigte Kraft in mir zu
brechen, ſie mußte daher in ſich ſelbſt vertoben. O es
war eine grauſame Wirthſchaft!

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[6/0014] Jch habe Dir ſeit dem Sommer 30, ſeit Paris nichts mehr über mein Leben geſchrieben. Offen geſtanden, Freund, jenes teutſche Mädchen, jene zauberiſche Julia hat ſo viel von meiner urſprüng- lichen Kraft zerbrochen, daß ich ſeit jener Zeit micht mehr gern von mir erzähle. Wir ſind wie die Wei- ber: wir geſtehen es uns nicht gern, daß wir älter und ſomit unmächtiger werden. Julia hat mir das fabelhafte Vertrauen auf meine Kraft und Macht geraubt, und dadurch den Zauber meiner Jugend erſchüttert. Sie war das erſte Mädchen, das mir widerſtand. Jn jener Nacht, wo ich Alles vergeb- lich aufgeboten hatte, um ſie zu erweichen, rannte ich wie toll durch die Straßen von Paris, ich ſtüirzte mich in die Seine, um meine Gluth zu kühlen, meine Eitelkeit und Zuverſicht waren in’s Herz ge- troffen. Jch kenne den ſentimentalen Liebesjammer nicht, den die Teutſchen ſo ausführlich beſchreiben, und woraus ſie eine Art von Poeſie gemacht haben, Wehmuth und Thränen kamen mir alſo nicht zu Hilfe, um die wilde, unbefriedigte Kraft in mir zu brechen, ſie mußte daher in ſich ſelbſt vertoben. O es war eine grauſame Wirthſchaft!

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/14>, abgerufen am 23.04.2024.