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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

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barschen Bedeuten ab, er führe einen verwundeten
russischen General.

Bei alle dem war die Lage äußerst gefährlich:
wenn die Russen die polnischen Uniformen auf dem
Wagen erkannten, so war das Aeußerste zu befürch-
ten. So nöthig ihnen also auch das Tageslicht
war zum Auffinden des Weges, so besorgt sahen
sie doch das verdrießliche Grau des Morgens herauf-
dämmern.

Und das Unglück stand auch schon am Wege.
Nicht weit von ihnen theilte sich die Straße; am
Scheidepunkte hielt ein russischer Offizier zu Pferde.
Als er das Fuhrwerk erblickte, kam er ihm einige
Schritte entgegen und forderte mit rauhen Worten
die Abtretung des Wagens. Manasse brachte die
gewöhnliche Entschuldigung vor. Der Offizier ließ
sich aber nicht hindern, zog den Degen, gebot halt,
und steckte den Kopf nach dem Wagen hinein.
Glücklicherweise war jener Mantel, womit Joel auf
dem Schlachtfelde seinen Nachbar zugedeckt hatte,
von einem russischen Kürassier. Joel suchte deshalb
in Eile sich selbst damit zu bedecken, und da er
ebenfalls russisch verstand, so rief er drohend, der

barſchen Bedeuten ab, er führe einen verwundeten
ruſſiſchen General.

Bei alle dem war die Lage äußerſt gefährlich:
wenn die Ruſſen die polniſchen Uniformen auf dem
Wagen erkannten, ſo war das Aeußerſte zu befürch-
ten. So nöthig ihnen alſo auch das Tageslicht
war zum Auffinden des Weges, ſo beſorgt ſahen
ſie doch das verdrießliche Grau des Morgens herauf-
dämmern.

Und das Unglück ſtand auch ſchon am Wege.
Nicht weit von ihnen theilte ſich die Straße; am
Scheidepunkte hielt ein ruſſiſcher Offizier zu Pferde.
Als er das Fuhrwerk erblickte, kam er ihm einige
Schritte entgegen und forderte mit rauhen Worten
die Abtretung des Wagens. Manaſſe brachte die
gewöhnliche Entſchuldigung vor. Der Offizier ließ
ſich aber nicht hindern, zog den Degen, gebot halt,
und ſteckte den Kopf nach dem Wagen hinein.
Glücklicherweiſe war jener Mantel, womit Joel auf
dem Schlachtfelde ſeinen Nachbar zugedeckt hatte,
von einem ruſſiſchen Küraſſier. Joel ſuchte deshalb
in Eile ſich ſelbſt damit zu bedecken, und da er
ebenfalls ruſſiſch verſtand, ſo rief er drohend, der

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[28/0038] barſchen Bedeuten ab, er führe einen verwundeten ruſſiſchen General. Bei alle dem war die Lage äußerſt gefährlich: wenn die Ruſſen die polniſchen Uniformen auf dem Wagen erkannten, ſo war das Aeußerſte zu befürch- ten. So nöthig ihnen alſo auch das Tageslicht war zum Auffinden des Weges, ſo beſorgt ſahen ſie doch das verdrießliche Grau des Morgens herauf- dämmern. Und das Unglück ſtand auch ſchon am Wege. Nicht weit von ihnen theilte ſich die Straße; am Scheidepunkte hielt ein ruſſiſcher Offizier zu Pferde. Als er das Fuhrwerk erblickte, kam er ihm einige Schritte entgegen und forderte mit rauhen Worten die Abtretung des Wagens. Manaſſe brachte die gewöhnliche Entſchuldigung vor. Der Offizier ließ ſich aber nicht hindern, zog den Degen, gebot halt, und ſteckte den Kopf nach dem Wagen hinein. Glücklicherweiſe war jener Mantel, womit Joel auf dem Schlachtfelde ſeinen Nachbar zugedeckt hatte, von einem ruſſiſchen Küraſſier. Joel ſuchte deshalb in Eile ſich ſelbſt damit zu bedecken, und da er ebenfalls ruſſiſch verſtand, ſo rief er drohend, der

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/38>, abgerufen am 29.03.2024.