Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
Jahren. Ach was, pflegte meine Mutter zu rufen, er
weiß wie nöthig er sie braucht, denn es geht kein Bier
ordentlich zusammen ohne den Segen und die Gegenwart
und vor allen Dingen ohne die Würze der Mutter Schön-
knechten! Er soll nur einmal die Würze von Jemand
Anderem kochen lassen, da werdet Jhr's schale Bier er-
leben! Aber das weiß er gar gut, der alte Sünder, daß
er ohne den Zauber der guten Kräfte im Brauhause trotz
aller Hexerei seiner Lene im Malzhause kein klares, wohl-
schmeckendes Bier zu Stande bringt!

Zwischen dem Brauhause und Malzhause, welche an-
einander stießen, erschien er mir denn auch immer, jener
alte Brauer mit seinem furchtbar altmodischen Gesichte,
oben auf dem schwarzen Treppen-Altan. Altmodisch
war das Gesicht, weil es überaus grobe Züge, große
Nase und großes Kinn hatte. Sein Erscheinen geschah
fast immer mitten in der Nacht. Abends ward ich hin-
über geschickt in's Brauhaus, wo die Mutter Schönknech-
ten allein die Würze kochte in einem tiefen Loche, welches
vor der Ofenthür ausgemauert und mit zwei bretternen
Wandbänken versehen war. Jch fand sie stets beschäftigt
und glühend roth wegen des großen Feuers unter
dem Würzekessel, und zunächst gab es nichts Einsames
und Schauerliches, denn es kam wohl auch noch unsere
Köchin mit Kaffeekannen von Bunzlauer Geschirr, die
mit Würze gefüllt und an ein Paar Specialfreundinnen
der Mutter als besondere Delikatesse noch am späten

Einleitung.
Jahren. Ach was, pflegte meine Mutter zu rufen, er
weiß wie noͤthig er ſie braucht, denn es geht kein Bier
ordentlich zuſammen ohne den Segen und die Gegenwart
und vor allen Dingen ohne die Wuͤrze der Mutter Schoͤn-
knechten! Er ſoll nur einmal die Wuͤrze von Jemand
Anderem kochen laſſen, da werdet Jhr’s ſchale Bier er-
leben! Aber das weiß er gar gut, der alte Suͤnder, daß
er ohne den Zauber der guten Kraͤfte im Brauhauſe trotz
aller Hexerei ſeiner Lene im Malzhauſe kein klares, wohl-
ſchmeckendes Bier zu Stande bringt!

Zwiſchen dem Brauhauſe und Malzhauſe, welche an-
einander ſtießen, erſchien er mir denn auch immer, jener
alte Brauer mit ſeinem furchtbar altmodiſchen Geſichte,
oben auf dem ſchwarzen Treppen-Altan. Altmodiſch
war das Geſicht, weil es uͤberaus grobe Zuͤge, große
Naſe und großes Kinn hatte. Sein Erſcheinen geſchah
faſt immer mitten in der Nacht. Abends ward ich hin-
uͤber geſchickt in’s Brauhaus, wo die Mutter Schoͤnknech-
ten allein die Wuͤrze kochte in einem tiefen Loche, welches
vor der Ofenthuͤr ausgemauert und mit zwei bretternen
Wandbaͤnken verſehen war. Jch fand ſie ſtets beſchaͤftigt
und gluͤhend roth wegen des großen Feuers unter
dem Wuͤrzekeſſel, und zunaͤchſt gab es nichts Einſames
und Schauerliches, denn es kam wohl auch noch unſere
Koͤchin mit Kaffeekannen von Bunzlauer Geſchirr, die
mit Wuͤrze gefuͤllt und an ein Paar Specialfreundinnen
der Mutter als beſondere Delikateſſe noch am ſpaͤten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0018" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
Jahren. Ach was, pflegte meine Mutter zu rufen, er<lb/>
weiß wie no&#x0364;thig er &#x017F;ie braucht, denn es geht kein Bier<lb/>
ordentlich zu&#x017F;ammen ohne den Segen und die Gegenwart<lb/>
und vor allen Dingen ohne die Wu&#x0364;rze der Mutter Scho&#x0364;n-<lb/>
knechten! Er &#x017F;oll nur einmal die Wu&#x0364;rze von Jemand<lb/>
Anderem kochen la&#x017F;&#x017F;en, da werdet Jhr&#x2019;s &#x017F;chale Bier er-<lb/>
leben! Aber das weiß er gar gut, der alte Su&#x0364;nder, daß<lb/>
er ohne den Zauber der guten Kra&#x0364;fte im Brauhau&#x017F;e trotz<lb/>
aller Hexerei &#x017F;einer Lene im Malzhau&#x017F;e kein klares, wohl-<lb/>
&#x017F;chmeckendes Bier zu Stande bringt!</p><lb/>
        <p>Zwi&#x017F;chen dem Brauhau&#x017F;e und Malzhau&#x017F;e, welche an-<lb/>
einander &#x017F;tießen, er&#x017F;chien er mir denn auch immer, jener<lb/>
alte Brauer mit &#x017F;einem furchtbar altmodi&#x017F;chen Ge&#x017F;ichte,<lb/>
oben auf dem &#x017F;chwarzen Treppen-Altan. Altmodi&#x017F;ch<lb/>
war das Ge&#x017F;icht, weil es u&#x0364;beraus grobe Zu&#x0364;ge, große<lb/>
Na&#x017F;e und großes Kinn hatte. Sein Er&#x017F;cheinen ge&#x017F;chah<lb/>
fa&#x017F;t immer mitten in der Nacht. Abends ward ich hin-<lb/>
u&#x0364;ber ge&#x017F;chickt in&#x2019;s Brauhaus, wo die Mutter Scho&#x0364;nknech-<lb/>
ten allein die Wu&#x0364;rze kochte in einem tiefen Loche, welches<lb/>
vor der Ofenthu&#x0364;r ausgemauert und mit zwei bretternen<lb/>
Wandba&#x0364;nken ver&#x017F;ehen war. Jch fand &#x017F;ie &#x017F;tets be&#x017F;cha&#x0364;ftigt<lb/>
und glu&#x0364;hend roth wegen des großen Feuers unter<lb/>
dem Wu&#x0364;rzeke&#x017F;&#x017F;el, und zuna&#x0364;ch&#x017F;t gab es nichts Ein&#x017F;ames<lb/>
und Schauerliches, denn es kam wohl auch noch un&#x017F;ere<lb/>
Ko&#x0364;chin mit Kaffeekannen von Bunzlauer Ge&#x017F;chirr, die<lb/>
mit Wu&#x0364;rze gefu&#x0364;llt und an ein Paar Specialfreundinnen<lb/>
der Mutter als be&#x017F;ondere Delikate&#x017F;&#x017F;e noch am &#x017F;pa&#x0364;ten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0018] Einleitung. Jahren. Ach was, pflegte meine Mutter zu rufen, er weiß wie noͤthig er ſie braucht, denn es geht kein Bier ordentlich zuſammen ohne den Segen und die Gegenwart und vor allen Dingen ohne die Wuͤrze der Mutter Schoͤn- knechten! Er ſoll nur einmal die Wuͤrze von Jemand Anderem kochen laſſen, da werdet Jhr’s ſchale Bier er- leben! Aber das weiß er gar gut, der alte Suͤnder, daß er ohne den Zauber der guten Kraͤfte im Brauhauſe trotz aller Hexerei ſeiner Lene im Malzhauſe kein klares, wohl- ſchmeckendes Bier zu Stande bringt! Zwiſchen dem Brauhauſe und Malzhauſe, welche an- einander ſtießen, erſchien er mir denn auch immer, jener alte Brauer mit ſeinem furchtbar altmodiſchen Geſichte, oben auf dem ſchwarzen Treppen-Altan. Altmodiſch war das Geſicht, weil es uͤberaus grobe Zuͤge, große Naſe und großes Kinn hatte. Sein Erſcheinen geſchah faſt immer mitten in der Nacht. Abends ward ich hin- uͤber geſchickt in’s Brauhaus, wo die Mutter Schoͤnknech- ten allein die Wuͤrze kochte in einem tiefen Loche, welches vor der Ofenthuͤr ausgemauert und mit zwei bretternen Wandbaͤnken verſehen war. Jch fand ſie ſtets beſchaͤftigt und gluͤhend roth wegen des großen Feuers unter dem Wuͤrzekeſſel, und zunaͤchſt gab es nichts Einſames und Schauerliches, denn es kam wohl auch noch unſere Koͤchin mit Kaffeekannen von Bunzlauer Geſchirr, die mit Wuͤrze gefuͤllt und an ein Paar Specialfreundinnen der Mutter als beſondere Delikateſſe noch am ſpaͤten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/18
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/18>, abgerufen am 23.04.2024.