Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Kapitel.
Kraft in die Höhe führt, die um so stärker wird, je
mehr wir uns dem Zentrum nähern."

"Jch muß es zugeben", sagte Grunthe. "Es ist
gerade, als wenn wir uns in einem Kraftfelde be-
fänden, das uns direkt von der Erde abstößt. Sollen
wir einen Versuchsballon ablassen?"

"Kann uns nichts neues mehr sagen -- es ist zu
spät. Da -- wir sind in den Wolken."

"Also hinunter!" rief Saltner.

Torm riß das Landungsventil auf.

Der Ballon mäßigte seine aufsteigende Bewegung,
aber zu sinken begann er nicht.

Die Blicke der Luftschiffer hingen an den Jnstru-
menten. Wenige Minuten mußten ihr Schicksal ent-
scheiden. Das Gas strömte in die verdünnte Luft mit
großer Gewalt aus. Brachte dies den Ballon nicht
bald zum Sinken, so war es klar, daß sie die Herr-
schaft über das Luftmeer verloren hatten. Sie be-
fanden sich dann einer Gewalt gegenüber, die sie,
unabhängig von dem Gleichgewicht ihres Ballons in
der Atmosphäre, von der Erde forttrieb.

Und der Ballon sank nicht. Eine Zeit lang schien
es, als wollte er sich auf gleicher Höhe halten, aber
die wirbelnde Bewegung hörte nicht auf, die ihn der
Axe der Jnsel entgegentrieb. Diese Axe, daran war
ja kein Zweifel, war nichts anderes als die Erdaxe
selbst, jene mathematische Linie, um welche die Rotation
der Erde erfolgt. Jmmer stärker wurden sie zu ihr
hingezogen. Aber je näher sie ihr kamen, um so
heftiger wurde der Ballon nach oben gedrängt. Schon

Zweites Kapitel.
Kraft in die Höhe führt, die um ſo ſtärker wird, je
mehr wir uns dem Zentrum nähern.‟

„Jch muß es zugeben‟, ſagte Grunthe. „Es iſt
gerade, als wenn wir uns in einem Kraftfelde be-
fänden, das uns direkt von der Erde abſtößt. Sollen
wir einen Verſuchsballon ablaſſen?‟

„Kann uns nichts neues mehr ſagen — es iſt zu
ſpät. Da — wir ſind in den Wolken.‟

„Alſo hinunter!‟ rief Saltner.

Torm riß das Landungsventil auf.

Der Ballon mäßigte ſeine aufſteigende Bewegung,
aber zu ſinken begann er nicht.

Die Blicke der Luftſchiffer hingen an den Jnſtru-
menten. Wenige Minuten mußten ihr Schickſal ent-
ſcheiden. Das Gas ſtrömte in die verdünnte Luft mit
großer Gewalt aus. Brachte dies den Ballon nicht
bald zum Sinken, ſo war es klar, daß ſie die Herr-
ſchaft über das Luftmeer verloren hatten. Sie be-
fanden ſich dann einer Gewalt gegenüber, die ſie,
unabhängig von dem Gleichgewicht ihres Ballons in
der Atmoſphäre, von der Erde forttrieb.

Und der Ballon ſank nicht. Eine Zeit lang ſchien
es, als wollte er ſich auf gleicher Höhe halten, aber
die wirbelnde Bewegung hörte nicht auf, die ihn der
Axe der Jnſel entgegentrieb. Dieſe Axe, daran war
ja kein Zweifel, war nichts anderes als die Erdaxe
ſelbſt, jene mathematiſche Linie, um welche die Rotation
der Erde erfolgt. Jmmer ſtärker wurden ſie zu ihr
hingezogen. Aber je näher ſie ihr kamen, um ſo
heftiger wurde der Ballon nach oben gedrängt. Schon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0042" n="34"/><fw place="top" type="header">Zweites Kapitel.</fw><lb/>
Kraft in die Höhe führt, die um &#x017F;o &#x017F;tärker wird, je<lb/>
mehr wir uns dem Zentrum nähern.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jch muß es zugeben&#x201F;, &#x017F;agte Grunthe. &#x201E;Es i&#x017F;t<lb/>
gerade, als wenn wir uns in einem Kraftfelde be-<lb/>
fänden, das uns direkt von der Erde ab&#x017F;tößt. Sollen<lb/>
wir einen Ver&#x017F;uchsballon abla&#x017F;&#x017F;en?&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Kann uns nichts neues mehr &#x017F;agen &#x2014; es i&#x017F;t zu<lb/>
&#x017F;pät. Da &#x2014; wir &#x017F;ind in den Wolken.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Al&#x017F;o hinunter!&#x201F; rief Saltner.</p><lb/>
          <p>Torm riß das Landungsventil auf.</p><lb/>
          <p>Der Ballon mäßigte &#x017F;eine auf&#x017F;teigende Bewegung,<lb/>
aber zu &#x017F;inken begann er nicht.</p><lb/>
          <p>Die Blicke der Luft&#x017F;chiffer hingen an den Jn&#x017F;tru-<lb/>
menten. Wenige Minuten mußten ihr Schick&#x017F;al ent-<lb/>
&#x017F;cheiden. Das Gas &#x017F;trömte in die verdünnte Luft mit<lb/>
großer Gewalt aus. Brachte dies den Ballon nicht<lb/>
bald zum Sinken, &#x017F;o war es klar, daß &#x017F;ie die Herr-<lb/>
&#x017F;chaft über das Luftmeer verloren hatten. Sie be-<lb/>
fanden &#x017F;ich dann einer Gewalt gegenüber, die &#x017F;ie,<lb/>
unabhängig von dem Gleichgewicht ihres Ballons in<lb/>
der Atmo&#x017F;phäre, von der Erde forttrieb.</p><lb/>
          <p>Und der Ballon &#x017F;ank nicht. Eine Zeit lang &#x017F;chien<lb/>
es, als wollte er &#x017F;ich auf gleicher Höhe halten, aber<lb/>
die wirbelnde Bewegung hörte nicht auf, die ihn der<lb/>
Axe der Jn&#x017F;el entgegentrieb. Die&#x017F;e Axe, daran war<lb/>
ja kein Zweifel, war nichts anderes als die Erdaxe<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, jene mathemati&#x017F;che Linie, um welche die Rotation<lb/>
der Erde erfolgt. Jmmer &#x017F;tärker wurden &#x017F;ie zu ihr<lb/>
hingezogen. Aber je näher &#x017F;ie ihr kamen, um &#x017F;o<lb/>
heftiger wurde der Ballon nach oben gedrängt. Schon<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0042] Zweites Kapitel. Kraft in die Höhe führt, die um ſo ſtärker wird, je mehr wir uns dem Zentrum nähern.‟ „Jch muß es zugeben‟, ſagte Grunthe. „Es iſt gerade, als wenn wir uns in einem Kraftfelde be- fänden, das uns direkt von der Erde abſtößt. Sollen wir einen Verſuchsballon ablaſſen?‟ „Kann uns nichts neues mehr ſagen — es iſt zu ſpät. Da — wir ſind in den Wolken.‟ „Alſo hinunter!‟ rief Saltner. Torm riß das Landungsventil auf. Der Ballon mäßigte ſeine aufſteigende Bewegung, aber zu ſinken begann er nicht. Die Blicke der Luftſchiffer hingen an den Jnſtru- menten. Wenige Minuten mußten ihr Schickſal ent- ſcheiden. Das Gas ſtrömte in die verdünnte Luft mit großer Gewalt aus. Brachte dies den Ballon nicht bald zum Sinken, ſo war es klar, daß ſie die Herr- ſchaft über das Luftmeer verloren hatten. Sie be- fanden ſich dann einer Gewalt gegenüber, die ſie, unabhängig von dem Gleichgewicht ihres Ballons in der Atmoſphäre, von der Erde forttrieb. Und der Ballon ſank nicht. Eine Zeit lang ſchien es, als wollte er ſich auf gleicher Höhe halten, aber die wirbelnde Bewegung hörte nicht auf, die ihn der Axe der Jnſel entgegentrieb. Dieſe Axe, daran war ja kein Zweifel, war nichts anderes als die Erdaxe ſelbſt, jene mathematiſche Linie, um welche die Rotation der Erde erfolgt. Jmmer ſtärker wurden ſie zu ihr hingezogen. Aber je näher ſie ihr kamen, um ſo heftiger wurde der Ballon nach oben gedrängt. Schon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/42
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/42>, abgerufen am 23.04.2024.