Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Am Nordpol.
zog sich über den Bergen dort eine Wolkenwand empor.
Das Auffallendste in der ganzen Scenerie aber bot
der Anblick einer der Jnseln, die zahlreich und in
unregelmäßiger Gestaltung in dem Bassin lagen, bis
an dessen Ufer der Ballon jetzt herangeschwebt war.
Sie war kleiner, als die Mehrzahl der übrigen Jnseln.
Aber ihre Formen waren so vollkommen regelmäßig,
daß es zweifelhaft schien, ob man eine Gestaltung der
Natur vor sich habe. Die mit Flechten bekleideten
Felstrümmer, welche die andern Jnseln bedeckten, fehlten
hier vollständig.

Die Forscher mochten sich etwa noch zwölf Kilo-
meter von der rätselhaften Jnsel entfernt befinden, die
sie mit ihren Ferngläsern musterten, als Torm sich an
Grunthe wendete.

"Sagen Sie uns, bitte, Jhre Meinung. Können
wir eigentlich bestimmen, wo wir uns befinden? Jch
muß gestehen, daß ich beim Ueberschreiten des Gebirges
und dem raschen Höhenwechsel nicht mehr imstande
war, die einzelnen Landmarken zu verfolgen."

"Jch habe", erwiderte Grunthe, "einige Peilungen
gemacht, aber zu einer sicheren Bestimmung reichen sie
nicht mehr aus. Auch die Methode aus der Messung
der Sonnenhöhe ist jetzt nicht anwendbar, da wir nicht
mehr imstande sind, die Tageszeit auch nur mit einiger
Sicherheit anzugeben. Wir haben die Himmelsrichtung
vollständig verloren. Der Kompaß ist ja hier im
Norden sehr unzuverlässig. Auf alle Fälle sind wir
ganz nahe am Pol, wo alle Meridiane so nah zu-
sammenlaufen, daß eine Abweichung von einem Kilo-

Laßwitz, Auf zwei Planeten. 2

Am Nordpol.
zog ſich über den Bergen dort eine Wolkenwand empor.
Das Auffallendſte in der ganzen Scenerie aber bot
der Anblick einer der Jnſeln, die zahlreich und in
unregelmäßiger Geſtaltung in dem Baſſin lagen, bis
an deſſen Ufer der Ballon jetzt herangeſchwebt war.
Sie war kleiner, als die Mehrzahl der übrigen Jnſeln.
Aber ihre Formen waren ſo vollkommen regelmäßig,
daß es zweifelhaft ſchien, ob man eine Geſtaltung der
Natur vor ſich habe. Die mit Flechten bekleideten
Felstrümmer, welche die andern Jnſeln bedeckten, fehlten
hier vollſtändig.

Die Forſcher mochten ſich etwa noch zwölf Kilo-
meter von der rätſelhaften Jnſel entfernt befinden, die
ſie mit ihren Ferngläſern muſterten, als Torm ſich an
Grunthe wendete.

„Sagen Sie uns, bitte, Jhre Meinung. Können
wir eigentlich beſtimmen, wo wir uns befinden? Jch
muß geſtehen, daß ich beim Ueberſchreiten des Gebirges
und dem raſchen Höhenwechſel nicht mehr imſtande
war, die einzelnen Landmarken zu verfolgen.‟

„Jch habe‟, erwiderte Grunthe, „einige Peilungen
gemacht, aber zu einer ſicheren Beſtimmung reichen ſie
nicht mehr aus. Auch die Methode aus der Meſſung
der Sonnenhöhe iſt jetzt nicht anwendbar, da wir nicht
mehr imſtande ſind, die Tageszeit auch nur mit einiger
Sicherheit anzugeben. Wir haben die Himmelsrichtung
vollſtändig verloren. Der Kompaß iſt ja hier im
Norden ſehr unzuverläſſig. Auf alle Fälle ſind wir
ganz nahe am Pol, wo alle Meridiane ſo nah zu-
ſammenlaufen, daß eine Abweichung von einem Kilo-

Laßwitz, Auf zwei Planeten. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="17"/><fw place="top" type="header">Am Nordpol.</fw><lb/>
zog &#x017F;ich über den Bergen dort eine Wolkenwand empor.<lb/>
Das Auffallend&#x017F;te in der ganzen Scenerie aber bot<lb/>
der Anblick einer der Jn&#x017F;eln, die zahlreich und in<lb/>
unregelmäßiger Ge&#x017F;taltung in dem Ba&#x017F;&#x017F;in lagen, bis<lb/>
an de&#x017F;&#x017F;en Ufer der Ballon jetzt herange&#x017F;chwebt war.<lb/>
Sie war kleiner, als die Mehrzahl der übrigen Jn&#x017F;eln.<lb/>
Aber ihre Formen waren &#x017F;o vollkommen regelmäßig,<lb/>
daß es zweifelhaft &#x017F;chien, ob man eine Ge&#x017F;taltung der<lb/>
Natur vor &#x017F;ich habe. Die mit Flechten bekleideten<lb/>
Felstrümmer, welche die andern Jn&#x017F;eln bedeckten, fehlten<lb/>
hier voll&#x017F;tändig.</p><lb/>
          <p>Die For&#x017F;cher mochten &#x017F;ich etwa noch zwölf Kilo-<lb/>
meter von der rät&#x017F;elhaften Jn&#x017F;el entfernt befinden, die<lb/>
&#x017F;ie mit ihren Fernglä&#x017F;ern mu&#x017F;terten, als Torm &#x017F;ich an<lb/>
Grunthe wendete.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sagen Sie uns, bitte, Jhre Meinung. Können<lb/>
wir eigentlich be&#x017F;timmen, wo wir uns befinden? Jch<lb/>
muß ge&#x017F;tehen, daß ich beim Ueber&#x017F;chreiten des Gebirges<lb/>
und dem ra&#x017F;chen Höhenwech&#x017F;el nicht mehr im&#x017F;tande<lb/>
war, die einzelnen Landmarken zu verfolgen.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jch habe&#x201F;, erwiderte Grunthe, &#x201E;einige Peilungen<lb/>
gemacht, aber zu einer &#x017F;icheren Be&#x017F;timmung reichen &#x017F;ie<lb/>
nicht mehr aus. Auch die Methode aus der Me&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
der Sonnenhöhe i&#x017F;t jetzt nicht anwendbar, da wir nicht<lb/>
mehr im&#x017F;tande &#x017F;ind, die Tageszeit auch nur mit einiger<lb/>
Sicherheit anzugeben. Wir haben die Himmelsrichtung<lb/>
voll&#x017F;tändig verloren. Der Kompaß i&#x017F;t ja hier im<lb/>
Norden &#x017F;ehr unzuverlä&#x017F;&#x017F;ig. Auf alle Fälle &#x017F;ind wir<lb/>
ganz nahe am Pol, wo alle Meridiane &#x017F;o nah zu-<lb/>
&#x017F;ammenlaufen, daß eine Abweichung von einem Kilo-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Laßwitz,</hi> Auf zwei Planeten.</hi> 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0025] Am Nordpol. zog ſich über den Bergen dort eine Wolkenwand empor. Das Auffallendſte in der ganzen Scenerie aber bot der Anblick einer der Jnſeln, die zahlreich und in unregelmäßiger Geſtaltung in dem Baſſin lagen, bis an deſſen Ufer der Ballon jetzt herangeſchwebt war. Sie war kleiner, als die Mehrzahl der übrigen Jnſeln. Aber ihre Formen waren ſo vollkommen regelmäßig, daß es zweifelhaft ſchien, ob man eine Geſtaltung der Natur vor ſich habe. Die mit Flechten bekleideten Felstrümmer, welche die andern Jnſeln bedeckten, fehlten hier vollſtändig. Die Forſcher mochten ſich etwa noch zwölf Kilo- meter von der rätſelhaften Jnſel entfernt befinden, die ſie mit ihren Ferngläſern muſterten, als Torm ſich an Grunthe wendete. „Sagen Sie uns, bitte, Jhre Meinung. Können wir eigentlich beſtimmen, wo wir uns befinden? Jch muß geſtehen, daß ich beim Ueberſchreiten des Gebirges und dem raſchen Höhenwechſel nicht mehr imſtande war, die einzelnen Landmarken zu verfolgen.‟ „Jch habe‟, erwiderte Grunthe, „einige Peilungen gemacht, aber zu einer ſicheren Beſtimmung reichen ſie nicht mehr aus. Auch die Methode aus der Meſſung der Sonnenhöhe iſt jetzt nicht anwendbar, da wir nicht mehr imſtande ſind, die Tageszeit auch nur mit einiger Sicherheit anzugeben. Wir haben die Himmelsrichtung vollſtändig verloren. Der Kompaß iſt ja hier im Norden ſehr unzuverläſſig. Auf alle Fälle ſind wir ganz nahe am Pol, wo alle Meridiane ſo nah zu- ſammenlaufen, daß eine Abweichung von einem Kilo- Laßwitz, Auf zwei Planeten. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/25
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/25>, abgerufen am 28.03.2024.