Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Kapitel.
nachzudenken, denn der Ballon bewegt sich jetzt nur
langsam."

"Und diese Gelegenheit wollen wir benutzen, um
dem Nordpol unsern wohlverdienten Gruß zu bringen",
rief Saltner. Mit diesen Worten zog er ein Futteral
hervor, aus welchem drei Flaschen Champagner ihre
silbernen Hälse einladend hervorstreckten.

"Davon weiß ich ja gar nichts", sagte Torm
fragend.

"Das ist eine Stiftung von Frau Jsma. Sehen
Sie, es steht darauf: Am Pol zu öffnen. Gewicht
vier Kilogramm."

Torm lachte. "Dachte ich mir doch", sagte er,
"daß meine Frau irgend etwas einschmuggeln würde,
was das Expeditionsreglement durchbricht."

"Es ist doch aber auch ein herrlicher Gedanke von
Jhrer Frau, sich am Nordpol in Champagner hoch-
leben zu lassen", erwiderte Saltner. "Erstens für
sich selbst, denn das ist etwas, was noch nicht dage-
wesen ist; das müssen Sie zugeben, Damen sind hier
noch niemals leben gelassen worden. Und zweitens für
uns, das müssen Sie auch zugeben; es ist sehr wonnig,
in dieser Kälte den Schaumwein zu trinken auf das
Wohl unserer Kommandeuse. Und drittens, ist es
nicht einfach bejauchzbar, das tragische Antlitz unseres
Astronomen zu sehen? Denn Champagner trinkt er
prinzipiell nicht, und auf weibliche Wesen stößt er
prinzipiell nicht an; da er aber auf dem Nordpol
prinzipiell in ein Hoch einstimmen muß und will, so
findet er sich in einem Widerstreit der Prinzipien,

Erſtes Kapitel.
nachzudenken, denn der Ballon bewegt ſich jetzt nur
langſam.‟

„Und dieſe Gelegenheit wollen wir benutzen, um
dem Nordpol unſern wohlverdienten Gruß zu bringen‟,
rief Saltner. Mit dieſen Worten zog er ein Futteral
hervor, aus welchem drei Flaſchen Champagner ihre
ſilbernen Hälſe einladend hervorſtreckten.

„Davon weiß ich ja gar nichts‟, ſagte Torm
fragend.

„Das iſt eine Stiftung von Frau Jsma. Sehen
Sie, es ſteht darauf: Am Pol zu öffnen. Gewicht
vier Kilogramm.‟

Torm lachte. „Dachte ich mir doch‟, ſagte er,
„daß meine Frau irgend etwas einſchmuggeln würde,
was das Expeditionsreglement durchbricht.‟

„Es iſt doch aber auch ein herrlicher Gedanke von
Jhrer Frau, ſich am Nordpol in Champagner hoch-
leben zu laſſen‟, erwiderte Saltner. „Erſtens für
ſich ſelbſt, denn das iſt etwas, was noch nicht dage-
weſen iſt; das müſſen Sie zugeben, Damen ſind hier
noch niemals leben gelaſſen worden. Und zweitens für
uns, das müſſen Sie auch zugeben; es iſt ſehr wonnig,
in dieſer Kälte den Schaumwein zu trinken auf das
Wohl unſerer Kommandeuſe. Und drittens, iſt es
nicht einfach bejauchzbar, das tragiſche Antlitz unſeres
Aſtronomen zu ſehen? Denn Champagner trinkt er
prinzipiell nicht, und auf weibliche Weſen ſtößt er
prinzipiell nicht an; da er aber auf dem Nordpol
prinzipiell in ein Hoch einſtimmen muß und will, ſo
findet er ſich in einem Widerſtreit der Prinzipien,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0022" n="14"/><fw place="top" type="header">Er&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
nachzudenken, denn der Ballon bewegt &#x017F;ich jetzt nur<lb/>
lang&#x017F;am.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und die&#x017F;e Gelegenheit wollen wir benutzen, um<lb/>
dem Nordpol un&#x017F;ern wohlverdienten Gruß zu bringen&#x201F;,<lb/>
rief Saltner. Mit die&#x017F;en Worten zog er ein Futteral<lb/>
hervor, aus welchem drei Fla&#x017F;chen Champagner ihre<lb/>
&#x017F;ilbernen Häl&#x017F;e einladend hervor&#x017F;treckten.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Davon weiß ich ja gar nichts&#x201F;, &#x017F;agte Torm<lb/>
fragend.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das i&#x017F;t eine Stiftung von Frau Jsma. Sehen<lb/>
Sie, es &#x017F;teht darauf: Am Pol zu öffnen. Gewicht<lb/>
vier Kilogramm.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Torm lachte. &#x201E;Dachte ich mir doch&#x201F;, &#x017F;agte er,<lb/>
&#x201E;daß meine Frau irgend etwas ein&#x017F;chmuggeln würde,<lb/>
was das Expeditionsreglement durchbricht.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es i&#x017F;t doch aber auch ein herrlicher Gedanke von<lb/>
Jhrer Frau, &#x017F;ich am Nordpol in Champagner hoch-<lb/>
leben zu la&#x017F;&#x017F;en&#x201F;, erwiderte Saltner. &#x201E;Er&#x017F;tens für<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, denn das i&#x017F;t etwas, was noch nicht dage-<lb/>
we&#x017F;en i&#x017F;t; das mü&#x017F;&#x017F;en Sie zugeben, Damen &#x017F;ind hier<lb/>
noch niemals leben gela&#x017F;&#x017F;en worden. Und zweitens für<lb/>
uns, das mü&#x017F;&#x017F;en Sie auch zugeben; es i&#x017F;t &#x017F;ehr wonnig,<lb/>
in die&#x017F;er Kälte den Schaumwein zu trinken auf das<lb/>
Wohl un&#x017F;erer Kommandeu&#x017F;e. Und drittens, i&#x017F;t es<lb/>
nicht einfach bejauchzbar, das tragi&#x017F;che Antlitz un&#x017F;eres<lb/>
A&#x017F;tronomen zu &#x017F;ehen? Denn Champagner trinkt er<lb/>
prinzipiell nicht, und auf weibliche We&#x017F;en &#x017F;tößt er<lb/>
prinzipiell nicht an; da er aber auf dem Nordpol<lb/>
prinzipiell in ein Hoch ein&#x017F;timmen muß und will, &#x017F;o<lb/>
findet er &#x017F;ich in einem Wider&#x017F;treit der Prinzipien,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0022] Erſtes Kapitel. nachzudenken, denn der Ballon bewegt ſich jetzt nur langſam.‟ „Und dieſe Gelegenheit wollen wir benutzen, um dem Nordpol unſern wohlverdienten Gruß zu bringen‟, rief Saltner. Mit dieſen Worten zog er ein Futteral hervor, aus welchem drei Flaſchen Champagner ihre ſilbernen Hälſe einladend hervorſtreckten. „Davon weiß ich ja gar nichts‟, ſagte Torm fragend. „Das iſt eine Stiftung von Frau Jsma. Sehen Sie, es ſteht darauf: Am Pol zu öffnen. Gewicht vier Kilogramm.‟ Torm lachte. „Dachte ich mir doch‟, ſagte er, „daß meine Frau irgend etwas einſchmuggeln würde, was das Expeditionsreglement durchbricht.‟ „Es iſt doch aber auch ein herrlicher Gedanke von Jhrer Frau, ſich am Nordpol in Champagner hoch- leben zu laſſen‟, erwiderte Saltner. „Erſtens für ſich ſelbſt, denn das iſt etwas, was noch nicht dage- weſen iſt; das müſſen Sie zugeben, Damen ſind hier noch niemals leben gelaſſen worden. Und zweitens für uns, das müſſen Sie auch zugeben; es iſt ſehr wonnig, in dieſer Kälte den Schaumwein zu trinken auf das Wohl unſerer Kommandeuſe. Und drittens, iſt es nicht einfach bejauchzbar, das tragiſche Antlitz unſeres Aſtronomen zu ſehen? Denn Champagner trinkt er prinzipiell nicht, und auf weibliche Weſen ſtößt er prinzipiell nicht an; da er aber auf dem Nordpol prinzipiell in ein Hoch einſtimmen muß und will, ſo findet er ſich in einem Widerſtreit der Prinzipien,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/22
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/22>, abgerufen am 19.04.2024.