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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897.

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Am Nordpol.
sei, an Grunthes unerschütterlichem Ausspruche etwas
zu ändern.

"Dann haben wir keine 90 Kilometer mehr bis
zum Pol" rief Torm lebhaft.

"Neunundachtzig einhalb", sprach Grunthe.

"Dann sind wir in zwei Stunden dort."

"Jn einer Stunde und 52 Minuten", verbesserte
Grunthe unerschütterlich, "wenn nämlich der Wind
mit derselben Geschwindigkeit anhält."

"Ja -- wenn", so rief Torm lebhaft. "Nur noch
zwei Stunden, Gott gebe es!"

"Sobald wir über jenen Bergrücken sind, werden
wir den Pol sehen."

"Sie haben recht, Doktor! Sehen werden wir den
Pol -- ob auch erreichen?"

"Warum nicht?" fragte Grunthe.

"Hinter den Bergen, der Himmel gefällt mir
nicht -- auf der Nordseite liegt jetzt seit Stunden die
Sonne, es ist dort ein aufsteigender Luftstrom vor-
handen --"

"Wir müssen abwarten."

"Da -- da -- sehen Sie -- den herrlichen Ab-
sturz des Gletschers", rief Torm.

"Wir fliegen gerade auf ihn zu; müssen wir nicht
steigen?" fragte Grunthe.

"Gewiß, dort müssen wir hinüber. Aufgepaßt!
Schneiden Sie ab!"

Zwei Säcke Ballast klappten herab. Der Ballon
schoß in die Höhe.

"Wie die Entfernung täuscht", sagte Torm. "Jch

Am Nordpol.
ſei, an Grunthes unerſchütterlichem Ausſpruche etwas
zu ändern.

„Dann haben wir keine 90 Kilometer mehr bis
zum Pol‟ rief Torm lebhaft.

„Neunundachtzig einhalb‟, ſprach Grunthe.

„Dann ſind wir in zwei Stunden dort.‟

„Jn einer Stunde und 52 Minuten‟, verbeſſerte
Grunthe unerſchütterlich, „wenn nämlich der Wind
mit derſelben Geſchwindigkeit anhält.‟

„Ja — wenn‟, ſo rief Torm lebhaft. „Nur noch
zwei Stunden, Gott gebe es!‟

„Sobald wir über jenen Bergrücken ſind, werden
wir den Pol ſehen.‟

„Sie haben recht, Doktor! Sehen werden wir den
Pol — ob auch erreichen?‟

„Warum nicht?‟ fragte Grunthe.

„Hinter den Bergen, der Himmel gefällt mir
nicht — auf der Nordſeite liegt jetzt ſeit Stunden die
Sonne, es iſt dort ein aufſteigender Luftſtrom vor-
handen —‟

„Wir müſſen abwarten.‟

„Da — da — ſehen Sie — den herrlichen Ab-
ſturz des Gletſchers‟, rief Torm.

„Wir fliegen gerade auf ihn zu; müſſen wir nicht
ſteigen?‟ fragte Grunthe.

„Gewiß, dort müſſen wir hinüber. Aufgepaßt!
Schneiden Sie ab!‟

Zwei Säcke Ballaſt klappten herab. Der Ballon
ſchoß in die Höhe.

„Wie die Entfernung täuſcht‟, ſagte Torm. „Jch

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[9/0017] Am Nordpol. ſei, an Grunthes unerſchütterlichem Ausſpruche etwas zu ändern. „Dann haben wir keine 90 Kilometer mehr bis zum Pol‟ rief Torm lebhaft. „Neunundachtzig einhalb‟, ſprach Grunthe. „Dann ſind wir in zwei Stunden dort.‟ „Jn einer Stunde und 52 Minuten‟, verbeſſerte Grunthe unerſchütterlich, „wenn nämlich der Wind mit derſelben Geſchwindigkeit anhält.‟ „Ja — wenn‟, ſo rief Torm lebhaft. „Nur noch zwei Stunden, Gott gebe es!‟ „Sobald wir über jenen Bergrücken ſind, werden wir den Pol ſehen.‟ „Sie haben recht, Doktor! Sehen werden wir den Pol — ob auch erreichen?‟ „Warum nicht?‟ fragte Grunthe. „Hinter den Bergen, der Himmel gefällt mir nicht — auf der Nordſeite liegt jetzt ſeit Stunden die Sonne, es iſt dort ein aufſteigender Luftſtrom vor- handen —‟ „Wir müſſen abwarten.‟ „Da — da — ſehen Sie — den herrlichen Ab- ſturz des Gletſchers‟, rief Torm. „Wir fliegen gerade auf ihn zu; müſſen wir nicht ſteigen?‟ fragte Grunthe. „Gewiß, dort müſſen wir hinüber. Aufgepaßt! Schneiden Sie ab!‟ Zwei Säcke Ballaſt klappten herab. Der Ballon ſchoß in die Höhe. „Wie die Entfernung täuſcht‟, ſagte Torm. „Jch

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/17>, abgerufen am 19.04.2024.