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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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Solche Arbeit muß selbstlos ohne den selbstsüchtigen
Hintergedanken der zu erwerbenden Rechte geleistet
werden, sonst ist sie wertlos und ohne Segen.

Es gehört zu den stehenden Behauptungen der
Frauenbewegung, daß die Waisenpflege ihr das Dasein
verdanke. Das ist unrichtig. Richtig ist, daß die
Waisenpflege auf der von Geh. Sanitätsrat Taube in
Leipzig gegebenen Grundlage aufgebaut ist. Die
Frauenbewegung hat sich dann später dieses Gebietes
bemächtigt und durch einen Petitionssturm dafür gesorgt,
daß in das bürgerliche Gesetzbuch verschiedene Be-
stimmungen hineinkamen, die der ganzen Arbeit der
Waisenpflege sehr abträglich sind. Eine der gefährlichsten
unter diesen Bestimmungen ist die über das Verfügungs-
recht der unehelichen Mutter über die Person des Kindes.
Jn der Regel wird das Kind für das Geld des Erzeugers
irgend wo untergebracht, und die Mutter geht ihrer
Wege. Das Recht der Mutter wird nicht einmal ohne
weiteres hinfällig, wenn die Mutter sich der Prostitution
ergibt. Diese Bevorrechtung der unehelichen Mutter ist
für eine sorgfältige Waisenpflege ein sehr schlimmes
Hindernis.

Die Rechtlerinnen behaupten, daß erst das Wahlrecht
in der Gemeinde und - was ihnen wohl die Haupt-
sache sein dürfte - die Möglichkeit, die leitenden Posten
als Waisenräte usw. den Frauen zu übertragen, diesen
Gelegenheit geben würde, den vollen guten weiblichen
Einfluß zur Geltung zu bringen. Dabei verschweigen
sie, daß auch die heutigen männlichen Waisenräte ihre
Ämter mit äußerster Gewissenhaftigkeit und mit Wohl-

Solche Arbeit muß selbstlos ohne den selbstsüchtigen
Hintergedanken der zu erwerbenden Rechte geleistet
werden, sonst ist sie wertlos und ohne Segen.

Es gehört zu den stehenden Behauptungen der
Frauenbewegung, daß die Waisenpflege ihr das Dasein
verdanke. Das ist unrichtig. Richtig ist, daß die
Waisenpflege auf der von Geh. Sanitätsrat Taube in
Leipzig gegebenen Grundlage aufgebaut ist. Die
Frauenbewegung hat sich dann später dieses Gebietes
bemächtigt und durch einen Petitionssturm dafür gesorgt,
daß in das bürgerliche Gesetzbuch verschiedene Be-
stimmungen hineinkamen, die der ganzen Arbeit der
Waisenpflege sehr abträglich sind. Eine der gefährlichsten
unter diesen Bestimmungen ist die über das Verfügungs-
recht der unehelichen Mutter über die Person des Kindes.
Jn der Regel wird das Kind für das Geld des Erzeugers
irgend wo untergebracht, und die Mutter geht ihrer
Wege. Das Recht der Mutter wird nicht einmal ohne
weiteres hinfällig, wenn die Mutter sich der Prostitution
ergibt. Diese Bevorrechtung der unehelichen Mutter ist
für eine sorgfältige Waisenpflege ein sehr schlimmes
Hindernis.

Die Rechtlerinnen behaupten, daß erst das Wahlrecht
in der Gemeinde und – was ihnen wohl die Haupt-
sache sein dürfte – die Möglichkeit, die leitenden Posten
als Waisenräte usw. den Frauen zu übertragen, diesen
Gelegenheit geben würde, den vollen guten weiblichen
Einfluß zur Geltung zu bringen. Dabei verschweigen
sie, daß auch die heutigen männlichen Waisenräte ihre
Ämter mit äußerster Gewissenhaftigkeit und mit Wohl-

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[47/0049] Solche Arbeit muß selbstlos ohne den selbstsüchtigen Hintergedanken der zu erwerbenden Rechte geleistet werden, sonst ist sie wertlos und ohne Segen. Es gehört zu den stehenden Behauptungen der Frauenbewegung, daß die Waisenpflege ihr das Dasein verdanke. Das ist unrichtig. Richtig ist, daß die Waisenpflege auf der von Geh. Sanitätsrat Taube in Leipzig gegebenen Grundlage aufgebaut ist. Die Frauenbewegung hat sich dann später dieses Gebietes bemächtigt und durch einen Petitionssturm dafür gesorgt, daß in das bürgerliche Gesetzbuch verschiedene Be- stimmungen hineinkamen, die der ganzen Arbeit der Waisenpflege sehr abträglich sind. Eine der gefährlichsten unter diesen Bestimmungen ist die über das Verfügungs- recht der unehelichen Mutter über die Person des Kindes. Jn der Regel wird das Kind für das Geld des Erzeugers irgend wo untergebracht, und die Mutter geht ihrer Wege. Das Recht der Mutter wird nicht einmal ohne weiteres hinfällig, wenn die Mutter sich der Prostitution ergibt. Diese Bevorrechtung der unehelichen Mutter ist für eine sorgfältige Waisenpflege ein sehr schlimmes Hindernis. Die Rechtlerinnen behaupten, daß erst das Wahlrecht in der Gemeinde und – was ihnen wohl die Haupt- sache sein dürfte – die Möglichkeit, die leitenden Posten als Waisenräte usw. den Frauen zu übertragen, diesen Gelegenheit geben würde, den vollen guten weiblichen Einfluß zur Geltung zu bringen. Dabei verschweigen sie, daß auch die heutigen männlichen Waisenräte ihre Ämter mit äußerster Gewissenhaftigkeit und mit Wohl-  

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/49>, abgerufen am 29.03.2024.