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Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916.

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Recht. Jn solchem Falle sind nicht die Frauen an sich
wahlberechtigt, sondern sie sind es nur als Vertreter des
Mannes in der Repräsentation des Besitzes. Sie sind
stimmberechtigt, nicht weil sie Frauen sind, sondern
obgleich sie Frauen sind.

Die prinzipielle Bedeutung der Frage des kirchlichen
Stimmrechts der Frauen wurde auf dieser Synode von
Oberlyzealdirektor Wagner in Altona besonders ein-
drucksvoll gewürdigt. Wir entnehmen den Ausführungen
dieses Redners folgenden Abschnitt:

"Auf dem großen Frauentage in Gotha haben
sämtliche Frauenvereine (scl. des Bundes deutscher
Frauenvereine. D. Verf.) für die Gewährung des
politischen Wahlrechts gestimmt. Nur der deutsch-
evangelische Frauenbund verhielt sich neutral; und wenn
dieser gemäßigte Verein die Forderung des politischen
Wahlrechts freilich auch nicht in seinem Programm führt,
so weiß ich doch, daß ein großer Teil seiner Glieder
diese Forderung vertritt. Obwohl diese Frauen mit
ganzem Herzen im kirchlichen Leben stehen, fassen auch
sie die Erlangung des kirchlichen Wahlrechts nur als
Vorstufe für die Erlangung des politischen Wahlrechts
auf. - Meine Herren, wenn das erreicht wird, dann
ist die Entwicklung von 1789 an ihrem Endpunkte
angelangt. Die völlige Atomisierung der Gesellschaft,
die völlige Herausreißung der Menschen aus den
natürlichen Lebensgemeinschaften hat sich dann vollzogen.
Die Entwicklung ist zum Abschluß gekommen, die den
Menschen nicht als Persönlichkeit, sondern als Zahl
wertet. Bisher machte diese Entwicklung Halt vor der

Recht. Jn solchem Falle sind nicht die Frauen an sich
wahlberechtigt, sondern sie sind es nur als Vertreter des
Mannes in der Repräsentation des Besitzes. Sie sind
stimmberechtigt, nicht weil sie Frauen sind, sondern
obgleich sie Frauen sind.

Die prinzipielle Bedeutung der Frage des kirchlichen
Stimmrechts der Frauen wurde auf dieser Synode von
Oberlyzealdirektor Wagner in Altona besonders ein-
drucksvoll gewürdigt. Wir entnehmen den Ausführungen
dieses Redners folgenden Abschnitt:

„Auf dem großen Frauentage in Gotha haben
sämtliche Frauenvereine (scl. des Bundes deutscher
Frauenvereine. D. Verf.) für die Gewährung des
politischen Wahlrechts gestimmt. Nur der deutsch-
evangelische Frauenbund verhielt sich neutral; und wenn
dieser gemäßigte Verein die Forderung des politischen
Wahlrechts freilich auch nicht in seinem Programm führt,
so weiß ich doch, daß ein großer Teil seiner Glieder
diese Forderung vertritt. Obwohl diese Frauen mit
ganzem Herzen im kirchlichen Leben stehen, fassen auch
sie die Erlangung des kirchlichen Wahlrechts nur als
Vorstufe für die Erlangung des politischen Wahlrechts
auf. – Meine Herren, wenn das erreicht wird, dann
ist die Entwicklung von 1789 an ihrem Endpunkte
angelangt. Die völlige Atomisierung der Gesellschaft,
die völlige Herausreißung der Menschen aus den
natürlichen Lebensgemeinschaften hat sich dann vollzogen.
Die Entwicklung ist zum Abschluß gekommen, die den
Menschen nicht als Persönlichkeit, sondern als Zahl
wertet. Bisher machte diese Entwicklung Halt vor der

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[34/0036] Recht. Jn solchem Falle sind nicht die Frauen an sich wahlberechtigt, sondern sie sind es nur als Vertreter des Mannes in der Repräsentation des Besitzes. Sie sind stimmberechtigt, nicht weil sie Frauen sind, sondern obgleich sie Frauen sind. Die prinzipielle Bedeutung der Frage des kirchlichen Stimmrechts der Frauen wurde auf dieser Synode von Oberlyzealdirektor Wagner in Altona besonders ein- drucksvoll gewürdigt. Wir entnehmen den Ausführungen dieses Redners folgenden Abschnitt: „Auf dem großen Frauentage in Gotha haben sämtliche Frauenvereine (scl. des Bundes deutscher Frauenvereine. D. Verf.) für die Gewährung des politischen Wahlrechts gestimmt. Nur der deutsch- evangelische Frauenbund verhielt sich neutral; und wenn dieser gemäßigte Verein die Forderung des politischen Wahlrechts freilich auch nicht in seinem Programm führt, so weiß ich doch, daß ein großer Teil seiner Glieder diese Forderung vertritt. Obwohl diese Frauen mit ganzem Herzen im kirchlichen Leben stehen, fassen auch sie die Erlangung des kirchlichen Wahlrechts nur als Vorstufe für die Erlangung des politischen Wahlrechts auf. – Meine Herren, wenn das erreicht wird, dann ist die Entwicklung von 1789 an ihrem Endpunkte angelangt. Die völlige Atomisierung der Gesellschaft, die völlige Herausreißung der Menschen aus den natürlichen Lebensgemeinschaften hat sich dann vollzogen. Die Entwicklung ist zum Abschluß gekommen, die den Menschen nicht als Persönlichkeit, sondern als Zahl wertet. Bisher machte diese Entwicklung Halt vor der

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig; Hummel, Helene: Frauenstimmrecht und Frauenemanzipation. Berlin, 1916, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1916/36>, abgerufen am 29.03.2024.