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Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4).

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Rechtlerinnen gegenüber eine Bedeutung erlangt hätten, die in
einem geradezu lächerlichen Verhältnis zu ihrer zahlenmäßigen
Macht steht. - Wenn in letzterer Zeit die Beiratskonferenz des
Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht seinen § 3, der ein
gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht für alle Frauen
fordert, abzuändern vorschlägt und auf die Form bringen will
"ein gleiches Wahlrecht für alle Frauen", so hat das seine guten
taktischen Gründe. Diesem Verbande, der unter Frau Cauers
Führung stand und dessen Organ die von Dr. An. Augsburg re-
digierte Zeitschrift "Frauenstimmrecht" ist, stehen drei andere
Verbände gegenüber, der Frauenstimmrechtsverband für West-
deutschland, der Schlesische Verband für Frauenstimmrecht und der
Norddeutsche Verband für Frauenstimmrecht. Manche Mitglieder
des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht haben wohl be-
fürchtet, daß seine sozialdemokratische Forderung des gleichen, ge-
heimen und direkten Wahlrechts für alle Frauen ihn bei den ge-
mäßigten politischen Parteien als Bundesgenossen gänzlich un-
möglich machen würde gegenüber den zuletzt genannten Ver-
bänden, deren meist nationalliberale Führerinnen die weniger
radikale Forderung auf das gleiche Wahlrecht mit den Männern
erheben. - Es würde sehr irrig sein, aus dieser Zersplitterung
der wenigen Stimmrechtlerinnen auf einen Auflösungsprozeß
schließen zu wollen. Auch hier verfolgt die radikale Frauen-
bewegung den richtigen Grundsatz: Getrennt marschieren und ver-
eint schlagen. Die gemäßigten Verbände betreiben eben den
Stimmenfang bei den gemäßigten Parteien, die radikalen bei den
Linksparteien. Das Endziel ist bei allen das gleiche, nämlich
das des berühmten, vorläufig beiseite gestellten § 3. Es ist nur
sehr die Frage, ob unsere in Frauenfragen etwas begriffsstutzigen
gemäßigten Politiker rechtzeitig dahinterkommen werden.

Der Totaleindruck vom heutigen Stande der Frauenstimm-
rechtsbewegung ist für den Gegner ein durchaus trüber, und die
Siegeszuversicht der Rechtlerinnen ist leider allzu begreiflich.
Unsere Hoffnung für die Zukunft ruht vor allem auf der jetzt
endlich organisierten Aufklärungsarbeit, welche die Massen auf
unsere Seite führen und damit den Regierungen den Rücken
stärken wird, um den selbstsüchtigen Treibereien der politischen
Parteien einen unerschütterlichen Widerstand entgegen setzen zu
können. Die Stellungnahme der Regierungen
entscheidet alles
; beim parlamentarischen Regiment in
Deutschland würde heute schon unser Schicksal entschieden sein.
Der nächste Abschnitt wird darzulegen versuchen, aus welchen

Rechtlerinnen gegenüber eine Bedeutung erlangt hätten, die in
einem geradezu lächerlichen Verhältnis zu ihrer zahlenmäßigen
Macht steht. – Wenn in letzterer Zeit die Beiratskonferenz des
Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht seinen § 3, der ein
gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht für alle Frauen
fordert, abzuändern vorschlägt und auf die Form bringen will
„ein gleiches Wahlrecht für alle Frauen“, so hat das seine guten
taktischen Gründe. Diesem Verbande, der unter Frau Cauers
Führung stand und dessen Organ die von Dr. An. Augsburg re-
digierte Zeitschrift „Frauenstimmrecht“ ist, stehen drei andere
Verbände gegenüber, der Frauenstimmrechtsverband für West-
deutschland, der Schlesische Verband für Frauenstimmrecht und der
Norddeutsche Verband für Frauenstimmrecht. Manche Mitglieder
des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht haben wohl be-
fürchtet, daß seine sozialdemokratische Forderung des gleichen, ge-
heimen und direkten Wahlrechts für alle Frauen ihn bei den ge-
mäßigten politischen Parteien als Bundesgenossen gänzlich un-
möglich machen würde gegenüber den zuletzt genannten Ver-
bänden, deren meist nationalliberale Führerinnen die weniger
radikale Forderung auf das gleiche Wahlrecht mit den Männern
erheben. – Es würde sehr irrig sein, aus dieser Zersplitterung
der wenigen Stimmrechtlerinnen auf einen Auflösungsprozeß
schließen zu wollen. Auch hier verfolgt die radikale Frauen-
bewegung den richtigen Grundsatz: Getrennt marschieren und ver-
eint schlagen. Die gemäßigten Verbände betreiben eben den
Stimmenfang bei den gemäßigten Parteien, die radikalen bei den
Linksparteien. Das Endziel ist bei allen das gleiche, nämlich
das des berühmten, vorläufig beiseite gestellten § 3. Es ist nur
sehr die Frage, ob unsere in Frauenfragen etwas begriffsstutzigen
gemäßigten Politiker rechtzeitig dahinterkommen werden.

Der Totaleindruck vom heutigen Stande der Frauenstimm-
rechtsbewegung ist für den Gegner ein durchaus trüber, und die
Siegeszuversicht der Rechtlerinnen ist leider allzu begreiflich.
Unsere Hoffnung für die Zukunft ruht vor allem auf der jetzt
endlich organisierten Aufklärungsarbeit, welche die Massen auf
unsere Seite führen und damit den Regierungen den Rücken
stärken wird, um den selbstsüchtigen Treibereien der politischen
Parteien einen unerschütterlichen Widerstand entgegen setzen zu
können. Die Stellungnahme der Regierungen
entscheidet alles
; beim parlamentarischen Regiment in
Deutschland würde heute schon unser Schicksal entschieden sein.
Der nächste Abschnitt wird darzulegen versuchen, aus welchen

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[12/0012] Rechtlerinnen gegenüber eine Bedeutung erlangt hätten, die in einem geradezu lächerlichen Verhältnis zu ihrer zahlenmäßigen Macht steht. – Wenn in letzterer Zeit die Beiratskonferenz des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht seinen § 3, der ein gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht für alle Frauen fordert, abzuändern vorschlägt und auf die Form bringen will „ein gleiches Wahlrecht für alle Frauen“, so hat das seine guten taktischen Gründe. Diesem Verbande, der unter Frau Cauers Führung stand und dessen Organ die von Dr. An. Augsburg re- digierte Zeitschrift „Frauenstimmrecht“ ist, stehen drei andere Verbände gegenüber, der Frauenstimmrechtsverband für West- deutschland, der Schlesische Verband für Frauenstimmrecht und der Norddeutsche Verband für Frauenstimmrecht. Manche Mitglieder des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht haben wohl be- fürchtet, daß seine sozialdemokratische Forderung des gleichen, ge- heimen und direkten Wahlrechts für alle Frauen ihn bei den ge- mäßigten politischen Parteien als Bundesgenossen gänzlich un- möglich machen würde gegenüber den zuletzt genannten Ver- bänden, deren meist nationalliberale Führerinnen die weniger radikale Forderung auf das gleiche Wahlrecht mit den Männern erheben. – Es würde sehr irrig sein, aus dieser Zersplitterung der wenigen Stimmrechtlerinnen auf einen Auflösungsprozeß schließen zu wollen. Auch hier verfolgt die radikale Frauen- bewegung den richtigen Grundsatz: Getrennt marschieren und ver- eint schlagen. Die gemäßigten Verbände betreiben eben den Stimmenfang bei den gemäßigten Parteien, die radikalen bei den Linksparteien. Das Endziel ist bei allen das gleiche, nämlich das des berühmten, vorläufig beiseite gestellten § 3. Es ist nur sehr die Frage, ob unsere in Frauenfragen etwas begriffsstutzigen gemäßigten Politiker rechtzeitig dahinterkommen werden. Der Totaleindruck vom heutigen Stande der Frauenstimm- rechtsbewegung ist für den Gegner ein durchaus trüber, und die Siegeszuversicht der Rechtlerinnen ist leider allzu begreiflich. Unsere Hoffnung für die Zukunft ruht vor allem auf der jetzt endlich organisierten Aufklärungsarbeit, welche die Massen auf unsere Seite führen und damit den Regierungen den Rücken stärken wird, um den selbstsüchtigen Treibereien der politischen Parteien einen unerschütterlichen Widerstand entgegen setzen zu können. Die Stellungnahme der Regierungen entscheidet alles; beim parlamentarischen Regiment in Deutschland würde heute schon unser Schicksal entschieden sein. Der nächste Abschnitt wird darzulegen versuchen, aus welchen

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4), S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1913/12>, abgerufen am 19.04.2024.