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Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856.

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zu unterscheiden. Im erstern Falle ist es meist ein regel-
widriger Zug. Der Gegner hat dann die Wahl, ihn als
gültig aufzunehmen oder ihn einfach zum Ersatz durch
einen regelrechten Zug zurückzugeben oder endlich statt
dessen den König zur Strafe ziehen zu lassen. Bei mehrfachen
unmittelbar einander folgenden Verstössen gestatten manche
Gesetzentwürfe dem Gegner die Auswahl unter ihnen, eine
Möglichkeit, welche dem Grundprinzip des Spieles (s. §. 400)
zuwiderläuft und deshalb streng zurückzuweisen ist. Denn
will der Gegner eine der Willenserklärungen anerkennen,
so bietet sich nach §. 400 allein diejenige erste, welche
wenigstens theilweise gesetzmässig erscheint. -- Die ge-
meinsamen Verstösse gehören meist zu solchen Fällen, welche
die Convalescenz nicht gestatten, z. B. die unrichtige Lage
des Brettes, ferner der Fall, dass ein König mehrere Züge
hindurch im Schach geblieben wäre oder dass sich zwei
Figuren auf einem Felde und umgekehrt befänden. In
solchen Fällen gilt bei Nichteinigung der Spieler als cor-
recter Ausweg allein die Nichtigkeitserklärung der Partie.
-- Wir werden nun nach diesen allgemeinen Andeutungen
im folgenden Kapitel eine kurzgefasste Redaction sämmt-
licher Hauptgesetze vorführen.

Sechszigstes Kapitel.
Gesetze des Schachspiels.

§. 403. Gesetze eines Spieles können für die Spielen-
den nur insoweit Kraft haben, als von letzteren nicht belie-
bige Normen selbst festgestellt werden. Nur in dem Falle
einer Differenz oder des Mangels von Selbstbestimmungen
treten positive Vorschriften, welche durch die Annahme der
Mehrzahl der Spieler und durch langjährige Uebung sanctionirt
sind, in Wirksamkeit. Daher gelten als erste Bedingungen
jedes Gesetzentwurfes die folgenden Bestimmungen.

Anmerkung. Die genannten Bestimmungen lassen sich am
besten so fassen: 1. Im Schachspiele gilt wie in jedem
anderen Spiele als Grundlage aller Gesetze das Abkommen
unter den betheiligten Personen. Es herrscht daher voll-
kommene Autonomie der Spielenden, insofern sie auf ge-
meinsamer Verständigung der letzteren vor oder während
des Spieles beruht. -- 2. Soweit beim Schachspiele be-
sondere Uebereinkunft der Spielenden mangelt, treten die
folgenden Bestimmungen in Kraft, d. h. unter dem Aus-
druck "Schachspielen" wird in jenem Falle die Erfüllung
der folgenden Gesetze verstanden. 3. Alle einseitig will-
kürlichen Particularannahmen werden aufgehoben, unbe-
zu unterscheiden. Im erstern Falle ist es meist ein regel-
widriger Zug. Der Gegner hat dann die Wahl, ihn als
gültig aufzunehmen oder ihn einfach zum Ersatz durch
einen regelrechten Zug zurückzugeben oder endlich statt
dessen den König zur Strafe ziehen zu lassen. Bei mehrfachen
unmittelbar einander folgenden Verstössen gestatten manche
Gesetzentwürfe dem Gegner die Auswahl unter ihnen, eine
Möglichkeit, welche dem Grundprinzip des Spieles (s. §. 400)
zuwiderläuft und deshalb streng zurückzuweisen ist. Denn
will der Gegner eine der Willenserklärungen anerkennen,
so bietet sich nach §. 400 allein diejenige erste, welche
wenigstens theilweise gesetzmässig erscheint. — Die ge-
meinsamen Verstösse gehören meist zu solchen Fällen, welche
die Convalescenz nicht gestatten, z. B. die unrichtige Lage
des Brettes, ferner der Fall, dass ein König mehrere Züge
hindurch im Schach geblieben wäre oder dass sich zwei
Figuren auf einem Felde und umgekehrt befänden. In
solchen Fällen gilt bei Nichteinigung der Spieler als cor-
recter Ausweg allein die Nichtigkeitserklärung der Partie.
— Wir werden nun nach diesen allgemeinen Andeutungen
im folgenden Kapitel eine kurzgefasste Redaction sämmt-
licher Hauptgesetze vorführen.

Sechszigstes Kapitel.
Gesetze des Schachspiels.

§. 403. Gesetze eines Spieles können für die Spielen-
den nur insoweit Kraft haben, als von letzteren nicht belie-
bige Normen selbst festgestellt werden. Nur in dem Falle
einer Differenz oder des Mangels von Selbstbestimmungen
treten positive Vorschriften, welche durch die Annahme der
Mehrzahl der Spieler und durch langjährige Uebung sanctionirt
sind, in Wirksamkeit. Daher gelten als erste Bedingungen
jedes Gesetzentwurfes die folgenden Bestimmungen.

Anmerkung. Die genannten Bestimmungen lassen sich am
besten so fassen: 1. Im Schachspiele gilt wie in jedem
anderen Spiele als Grundlage aller Gesetze das Abkommen
unter den betheiligten Personen. Es herrscht daher voll-
kommene Autonomie der Spielenden, insofern sie auf ge-
meinsamer Verständigung der letzteren vor oder während
des Spieles beruht. — 2. Soweit beim Schachspiele be-
sondere Uebereinkunft der Spielenden mangelt, treten die
folgenden Bestimmungen in Kraft, d. h. unter dem Aus-
druck „Schachspielen“ wird in jenem Falle die Erfüllung
der folgenden Gesetze verstanden. 3. Alle einseitig will-
kürlichen Particularannahmen werden aufgehoben, unbe-
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[228/0240] zu unterscheiden. Im erstern Falle ist es meist ein regel- widriger Zug. Der Gegner hat dann die Wahl, ihn als gültig aufzunehmen oder ihn einfach zum Ersatz durch einen regelrechten Zug zurückzugeben oder endlich statt dessen den König zur Strafe ziehen zu lassen. Bei mehrfachen unmittelbar einander folgenden Verstössen gestatten manche Gesetzentwürfe dem Gegner die Auswahl unter ihnen, eine Möglichkeit, welche dem Grundprinzip des Spieles (s. §. 400) zuwiderläuft und deshalb streng zurückzuweisen ist. Denn will der Gegner eine der Willenserklärungen anerkennen, so bietet sich nach §. 400 allein diejenige erste, welche wenigstens theilweise gesetzmässig erscheint. — Die ge- meinsamen Verstösse gehören meist zu solchen Fällen, welche die Convalescenz nicht gestatten, z. B. die unrichtige Lage des Brettes, ferner der Fall, dass ein König mehrere Züge hindurch im Schach geblieben wäre oder dass sich zwei Figuren auf einem Felde und umgekehrt befänden. In solchen Fällen gilt bei Nichteinigung der Spieler als cor- recter Ausweg allein die Nichtigkeitserklärung der Partie. — Wir werden nun nach diesen allgemeinen Andeutungen im folgenden Kapitel eine kurzgefasste Redaction sämmt- licher Hauptgesetze vorführen. Sechszigstes Kapitel. Gesetze des Schachspiels. §. 403. Gesetze eines Spieles können für die Spielen- den nur insoweit Kraft haben, als von letzteren nicht belie- bige Normen selbst festgestellt werden. Nur in dem Falle einer Differenz oder des Mangels von Selbstbestimmungen treten positive Vorschriften, welche durch die Annahme der Mehrzahl der Spieler und durch langjährige Uebung sanctionirt sind, in Wirksamkeit. Daher gelten als erste Bedingungen jedes Gesetzentwurfes die folgenden Bestimmungen. Anmerkung. Die genannten Bestimmungen lassen sich am besten so fassen: 1. Im Schachspiele gilt wie in jedem anderen Spiele als Grundlage aller Gesetze das Abkommen unter den betheiligten Personen. Es herrscht daher voll- kommene Autonomie der Spielenden, insofern sie auf ge- meinsamer Verständigung der letzteren vor oder während des Spieles beruht. — 2. Soweit beim Schachspiele be- sondere Uebereinkunft der Spielenden mangelt, treten die folgenden Bestimmungen in Kraft, d. h. unter dem Aus- druck „Schachspielen“ wird in jenem Falle die Erfüllung der folgenden Gesetze verstanden. 3. Alle einseitig will- kürlichen Particularannahmen werden aufgehoben, unbe-

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Zitationshilfe: Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/240>, abgerufen am 19.04.2024.