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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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II. Hauptstück,
jede andre Merkmaale und Verhältnisse neue Ein-
theilungen zulassen, durch deren Combination man
endlich den einzelnen Arten und Indiuiduis näher
kömmt. Solche einzelne Eintheilungen nennt man
Eintheilungen in gewissen Absichten, und die
Absicht ist jedesmal ein Merkmaal oder ein Verhält-
niß des Begriffes. Z. E. Wir werden im folgenden
sehen, daß der Begriff eines Urtheilo in mehrere
Absichten eingetheilt werde. Sie sind allgemein
oder partikular, bejahend oder verneinend, bedingt
oder ausdrücklich, theoretisch oder praktisch, wahr oder
falsch, gewiß oder ungewiß, bekannt oder unbekannt
etc. Von diesen Eintheilungen gründen sich die bey-
den letztern auf Verhältnisse, die übrigen gehen das
Urtheil und seine Beschaffenheit an sich betrachtet
und seine Verhältnisse gegen die Sache selbst an.

§. 95.

Wir können die Verhältnisse, in deren Absicht
ein Begriff eingetheilt werden kann, überhaupt in
solche eintheilen, durch deren Verwechslung an der
Sache selbst etwas geändert wird, und in solche, deren
Verwechslung die Sache an sich ungeändert läßt. Erste-
re werden wir reale, letztere aber ideale Verhältnisse
nennen. Die idealen kommen auch bey Dingen vor, die
eine nothwendige Unveränderlichkeit haben, und geben
daher Eintheilungen davon. Hieher gehören die meisten
logischen Begriffe. Z. E. Ob mir eine Sache bekannt
sey oder unbekannt, ob sie mit einer andern Sache
einerley, oder ähnlich, oder verschieden sey, ob
man sie als eine Art oder Gattung ansehen solle etc.
Dieses sind alles Vorstellungen und Vergleichungen, die
die Sache seyn lassen, wie sie ist, ungeachtet man aller-
dings solchen Vorstellungen zu gefallen an der Sache än-
dern kann, wie man z. E. in der Chymie, um sich die Na-
tur der Metalle, Mineralien, Kräuter etc. bekannter zu

machen,

II. Hauptſtuͤck,
jede andre Merkmaale und Verhaͤltniſſe neue Ein-
theilungen zulaſſen, durch deren Combination man
endlich den einzelnen Arten und Indiuiduis naͤher
koͤmmt. Solche einzelne Eintheilungen nennt man
Eintheilungen in gewiſſen Abſichten, und die
Abſicht iſt jedesmal ein Merkmaal oder ein Verhaͤlt-
niß des Begriffes. Z. E. Wir werden im folgenden
ſehen, daß der Begriff eines Urtheilo in mehrere
Abſichten eingetheilt werde. Sie ſind allgemein
oder partikular, bejahend oder verneinend, bedingt
oder ausdruͤcklich, theoretiſch oder praktiſch, wahr oder
falſch, gewiß oder ungewiß, bekannt oder unbekannt
ꝛc. Von dieſen Eintheilungen gruͤnden ſich die bey-
den letztern auf Verhaͤltniſſe, die uͤbrigen gehen das
Urtheil und ſeine Beſchaffenheit an ſich betrachtet
und ſeine Verhaͤltniſſe gegen die Sache ſelbſt an.

§. 95.

Wir koͤnnen die Verhaͤltniſſe, in deren Abſicht
ein Begriff eingetheilt werden kann, uͤberhaupt in
ſolche eintheilen, durch deren Verwechslung an der
Sache ſelbſt etwas geaͤndert wird, und in ſolche, deren
Verwechslung die Sache an ſich ungeaͤndert laͤßt. Erſte-
re werden wir reale, letztere aber ideale Verhaͤltniſſe
nennen. Die idealen kommen auch bey Dingen vor, die
eine nothwendige Unveraͤnderlichkeit haben, und geben
daher Eintheilungen davon. Hieher gehoͤren die meiſten
logiſchen Begriffe. Z. E. Ob mir eine Sache bekannt
ſey oder unbekannt, ob ſie mit einer andern Sache
einerley, oder aͤhnlich, oder verſchieden ſey, ob
man ſie als eine Art oder Gattung anſehen ſolle ꝛc.
Dieſes ſind alles Vorſtellungen und Vergleichungen, die
die Sache ſeyn laſſen, wie ſie iſt, ungeachtet man aller-
dings ſolchen Vorſtellungen zu gefallen an der Sache aͤn-
dern kann, wie man z. E. in der Chymie, um ſich die Na-
tur der Metalle, Mineralien, Kraͤuter ꝛc. bekannter zu

machen,
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[58/0080] II. Hauptſtuͤck, jede andre Merkmaale und Verhaͤltniſſe neue Ein- theilungen zulaſſen, durch deren Combination man endlich den einzelnen Arten und Indiuiduis naͤher koͤmmt. Solche einzelne Eintheilungen nennt man Eintheilungen in gewiſſen Abſichten, und die Abſicht iſt jedesmal ein Merkmaal oder ein Verhaͤlt- niß des Begriffes. Z. E. Wir werden im folgenden ſehen, daß der Begriff eines Urtheilo in mehrere Abſichten eingetheilt werde. Sie ſind allgemein oder partikular, bejahend oder verneinend, bedingt oder ausdruͤcklich, theoretiſch oder praktiſch, wahr oder falſch, gewiß oder ungewiß, bekannt oder unbekannt ꝛc. Von dieſen Eintheilungen gruͤnden ſich die bey- den letztern auf Verhaͤltniſſe, die uͤbrigen gehen das Urtheil und ſeine Beſchaffenheit an ſich betrachtet und ſeine Verhaͤltniſſe gegen die Sache ſelbſt an. §. 95. Wir koͤnnen die Verhaͤltniſſe, in deren Abſicht ein Begriff eingetheilt werden kann, uͤberhaupt in ſolche eintheilen, durch deren Verwechslung an der Sache ſelbſt etwas geaͤndert wird, und in ſolche, deren Verwechslung die Sache an ſich ungeaͤndert laͤßt. Erſte- re werden wir reale, letztere aber ideale Verhaͤltniſſe nennen. Die idealen kommen auch bey Dingen vor, die eine nothwendige Unveraͤnderlichkeit haben, und geben daher Eintheilungen davon. Hieher gehoͤren die meiſten logiſchen Begriffe. Z. E. Ob mir eine Sache bekannt ſey oder unbekannt, ob ſie mit einer andern Sache einerley, oder aͤhnlich, oder verſchieden ſey, ob man ſie als eine Art oder Gattung anſehen ſolle ꝛc. Dieſes ſind alles Vorſtellungen und Vergleichungen, die die Sache ſeyn laſſen, wie ſie iſt, ungeachtet man aller- dings ſolchen Vorſtellungen zu gefallen an der Sache aͤn- dern kann, wie man z. E. in der Chymie, um ſich die Na- tur der Metalle, Mineralien, Kraͤuter ꝛc. bekannter zu machen,

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/80>, abgerufen am 23.04.2024.