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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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von der Erfahrung.
Analogien vermuthet werden kann. Wir nen-
nen hier, eben so wie oben (§. 535.) im allgemeinsten
Verstande alle die Veränderungen chymisch, wobey
die innern Theile der Materie ihre Zusammensetzung
ändern, und der Materie eine andre Natur und
Gestalt geben. Die Verwandlung der Speise in Fleisch,
Blut, Gebeine etc. wird durch die Chymie der Natur
verrichtet, weil die Natur auf unzählige Arten ihren
Materien andre Formen giebt, und bey den Kräften
in den kleinsten Theilchen der Materie einen Mecha-
nismus
gebraucht, den wir, weil mehrere möglich
sind, schwerlich oder gar nicht durch Schlüsse errei-
chen. Daher können die Muthmaßungen darüber,
eben so wie alle Hypothesen, höchstens nur zu An-
lässen dienen, durch neue Vermischungen, Schei-
dungen, durch das Feuer verursachte gewaltsame
Trennungen der Materien, neue Indiuidua und Arten
derselben hervorzubringen. Auf diese Art haben die
Hypothesen der Alchymisten, woraus sie die Mög-
lichkeit des Goldmachens herzuleiten suchen, zu Phos-
phoren und unzähligen chymischen Producten Anlaß
gegeben. Hat man aber einen chymischen Proceß mit
einer Materie gefunden, so ist es sehr natürlich, den-
selben mit mehrern Materien zu versuchen, von wel-
chen man den Erfolg durch andre Analogien vermu-
then kann. Aber ohne solche Analogien wird es
schwerlich angehen, einen Erfolg voraus zu bestim-
men, und aus dem Begriffe desselben die Einrichtung
des ganzen Versuches herzuleiten. Die Aufgabe-
Bley in Gold zu verwandeln, ist von dieser Art, und
die Alchymisten suchen den dazu gehörenden Proceß
noch immer. Man hat keine Analogie dazu, und
kennt die Materie zu wenig, um den Regeln des §.
542. folgen zu können.

§. 588.
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von der Erfahrung.
Analogien vermuthet werden kann. Wir nen-
nen hier, eben ſo wie oben (§. 535.) im allgemeinſten
Verſtande alle die Veraͤnderungen chymiſch, wobey
die innern Theile der Materie ihre Zuſammenſetzung
aͤndern, und der Materie eine andre Natur und
Geſtalt geben. Die Verwandlung der Speiſe in Fleiſch,
Blut, Gebeine ꝛc. wird durch die Chymie der Natur
verrichtet, weil die Natur auf unzaͤhlige Arten ihren
Materien andre Formen giebt, und bey den Kraͤften
in den kleinſten Theilchen der Materie einen Mecha-
niſmus
gebraucht, den wir, weil mehrere moͤglich
ſind, ſchwerlich oder gar nicht durch Schluͤſſe errei-
chen. Daher koͤnnen die Muthmaßungen daruͤber,
eben ſo wie alle Hypotheſen, hoͤchſtens nur zu An-
laͤſſen dienen, durch neue Vermiſchungen, Schei-
dungen, durch das Feuer verurſachte gewaltſame
Trennungen der Materien, neue Indiuidua und Arten
derſelben hervorzubringen. Auf dieſe Art haben die
Hypotheſen der Alchymiſten, woraus ſie die Moͤg-
lichkeit des Goldmachens herzuleiten ſuchen, zu Phos-
phoren und unzaͤhligen chymiſchen Producten Anlaß
gegeben. Hat man aber einen chymiſchen Proceß mit
einer Materie gefunden, ſo iſt es ſehr natuͤrlich, den-
ſelben mit mehrern Materien zu verſuchen, von wel-
chen man den Erfolg durch andre Analogien vermu-
then kann. Aber ohne ſolche Analogien wird es
ſchwerlich angehen, einen Erfolg voraus zu beſtim-
men, und aus dem Begriffe deſſelben die Einrichtung
des ganzen Verſuches herzuleiten. Die Aufgabe-
Bley in Gold zu verwandeln, iſt von dieſer Art, und
die Alchymiſten ſuchen den dazu gehoͤrenden Proceß
noch immer. Man hat keine Analogie dazu, und
kennt die Materie zu wenig, um den Regeln des §.
542. folgen zu koͤnnen.

§. 588.
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[375/0397] von der Erfahrung. Analogien vermuthet werden kann. Wir nen- nen hier, eben ſo wie oben (§. 535.) im allgemeinſten Verſtande alle die Veraͤnderungen chymiſch, wobey die innern Theile der Materie ihre Zuſammenſetzung aͤndern, und der Materie eine andre Natur und Geſtalt geben. Die Verwandlung der Speiſe in Fleiſch, Blut, Gebeine ꝛc. wird durch die Chymie der Natur verrichtet, weil die Natur auf unzaͤhlige Arten ihren Materien andre Formen giebt, und bey den Kraͤften in den kleinſten Theilchen der Materie einen Mecha- niſmus gebraucht, den wir, weil mehrere moͤglich ſind, ſchwerlich oder gar nicht durch Schluͤſſe errei- chen. Daher koͤnnen die Muthmaßungen daruͤber, eben ſo wie alle Hypotheſen, hoͤchſtens nur zu An- laͤſſen dienen, durch neue Vermiſchungen, Schei- dungen, durch das Feuer verurſachte gewaltſame Trennungen der Materien, neue Indiuidua und Arten derſelben hervorzubringen. Auf dieſe Art haben die Hypotheſen der Alchymiſten, woraus ſie die Moͤg- lichkeit des Goldmachens herzuleiten ſuchen, zu Phos- phoren und unzaͤhligen chymiſchen Producten Anlaß gegeben. Hat man aber einen chymiſchen Proceß mit einer Materie gefunden, ſo iſt es ſehr natuͤrlich, den- ſelben mit mehrern Materien zu verſuchen, von wel- chen man den Erfolg durch andre Analogien vermu- then kann. Aber ohne ſolche Analogien wird es ſchwerlich angehen, einen Erfolg voraus zu beſtim- men, und aus dem Begriffe deſſelben die Einrichtung des ganzen Verſuches herzuleiten. Die Aufgabe- Bley in Gold zu verwandeln, iſt von dieſer Art, und die Alchymiſten ſuchen den dazu gehoͤrenden Proceß noch immer. Man hat keine Analogie dazu, und kennt die Materie zu wenig, um den Regeln des §. 542. folgen zu koͤnnen. §. 588. A a 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/397>, abgerufen am 25.04.2024.