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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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Von den Begriffen und Erklärungen.
Cajus sey gelehrt, Titius von ansehnlicher Leibesge-
stalt, Sempronius großmüthig, Mävius fleißig,
gründlich, tugendsam, tapfer etc. so sind dieses lauter
einzelne Arten des Merkmaals, wodurch sich der Be-
griff des Lobes von jedem andern unterscheidet. Man
fasse sie, so viel deren beysammen seyn können, zu-
sammen, so wird man einen vollkommenen Men-
schen bekommen, und der Begriff der Vollkommen-
heit
wird das gesuchte Merkmaal des Lobes seyn.
Man wird eben so finden, daß die Vollkommenheit
nicht das Lob selbst ist, sondern daß die Erzählung der-
selben das Lob ausmacht.

§. 27.

Man verfährt hierbey richtiger und sicherer, wenn
man die Auswahl der Beyspiele oder einzelnen
Fälle, aus welchen ein allgemeiner Begriff
bestimmt werden solle, zu beweisen sucht, und
das confuse Bewußtseyn davon in einen deut-
lichen Begriff verwandelt.
Die Entwickelung
dieses Beweises wird immer diejenigen Merkmaale
anzeigen, welche uns bewegen, den vorgenommenen
einzelnen Fall unter die Gattung zu rechnen, deren Be-
griff deutlich gemacht werden solle.

§. 28.

Es ist ferner gut, wenn man viele und sehr ver-
schiedene Fälle zusammen nimmt, besonders, wo der
Begriff, den man deutlich machen will, eine höhere
Gattung ist. Denn in diesem Fall hat derselbe viele
andre Gattungen und Arten unter sich, und es könn-
te leicht geschehen, daß, wenn alle Fälle, so man
vornimmt, unter eine Art gehören, man alsdenn
anstatt des gesuchten höhern Begriffes nur den Be-
griff dieser Art finden würde. Man verfällt fast
nothwendig in diesen Fehler, wenn man selbst keine

von
Lamb. Org. I. Band. B

Von den Begriffen und Erklaͤrungen.
Cajus ſey gelehrt, Titius von anſehnlicher Leibesge-
ſtalt, Sempronius großmuͤthig, Maͤvius fleißig,
gruͤndlich, tugendſam, tapfer ꝛc. ſo ſind dieſes lauter
einzelne Arten des Merkmaals, wodurch ſich der Be-
griff des Lobes von jedem andern unterſcheidet. Man
faſſe ſie, ſo viel deren beyſammen ſeyn koͤnnen, zu-
ſammen, ſo wird man einen vollkommenen Men-
ſchen bekommen, und der Begriff der Vollkommen-
heit
wird das geſuchte Merkmaal des Lobes ſeyn.
Man wird eben ſo finden, daß die Vollkommenheit
nicht das Lob ſelbſt iſt, ſondern daß die Erzaͤhlung der-
ſelben das Lob ausmacht.

§. 27.

Man verfaͤhrt hierbey richtiger und ſicherer, wenn
man die Auswahl der Beyſpiele oder einzelnen
Faͤlle, aus welchen ein allgemeiner Begriff
beſtimmt werden ſolle, zu beweiſen ſucht, und
das confuſe Bewußtſeyn davon in einen deut-
lichen Begriff verwandelt.
Die Entwickelung
dieſes Beweiſes wird immer diejenigen Merkmaale
anzeigen, welche uns bewegen, den vorgenommenen
einzelnen Fall unter die Gattung zu rechnen, deren Be-
griff deutlich gemacht werden ſolle.

§. 28.

Es iſt ferner gut, wenn man viele und ſehr ver-
ſchiedene Faͤlle zuſammen nimmt, beſonders, wo der
Begriff, den man deutlich machen will, eine hoͤhere
Gattung iſt. Denn in dieſem Fall hat derſelbe viele
andre Gattungen und Arten unter ſich, und es koͤnn-
te leicht geſchehen, daß, wenn alle Faͤlle, ſo man
vornimmt, unter eine Art gehoͤren, man alsdenn
anſtatt des geſuchten hoͤhern Begriffes nur den Be-
griff dieſer Art finden wuͤrde. Man verfaͤllt faſt
nothwendig in dieſen Fehler, wenn man ſelbſt keine

von
Lamb. Org. I. Band. B
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[17/0039] Von den Begriffen und Erklaͤrungen. Cajus ſey gelehrt, Titius von anſehnlicher Leibesge- ſtalt, Sempronius großmuͤthig, Maͤvius fleißig, gruͤndlich, tugendſam, tapfer ꝛc. ſo ſind dieſes lauter einzelne Arten des Merkmaals, wodurch ſich der Be- griff des Lobes von jedem andern unterſcheidet. Man faſſe ſie, ſo viel deren beyſammen ſeyn koͤnnen, zu- ſammen, ſo wird man einen vollkommenen Men- ſchen bekommen, und der Begriff der Vollkommen- heit wird das geſuchte Merkmaal des Lobes ſeyn. Man wird eben ſo finden, daß die Vollkommenheit nicht das Lob ſelbſt iſt, ſondern daß die Erzaͤhlung der- ſelben das Lob ausmacht. §. 27. Man verfaͤhrt hierbey richtiger und ſicherer, wenn man die Auswahl der Beyſpiele oder einzelnen Faͤlle, aus welchen ein allgemeiner Begriff beſtimmt werden ſolle, zu beweiſen ſucht, und das confuſe Bewußtſeyn davon in einen deut- lichen Begriff verwandelt. Die Entwickelung dieſes Beweiſes wird immer diejenigen Merkmaale anzeigen, welche uns bewegen, den vorgenommenen einzelnen Fall unter die Gattung zu rechnen, deren Be- griff deutlich gemacht werden ſolle. §. 28. Es iſt ferner gut, wenn man viele und ſehr ver- ſchiedene Faͤlle zuſammen nimmt, beſonders, wo der Begriff, den man deutlich machen will, eine hoͤhere Gattung iſt. Denn in dieſem Fall hat derſelbe viele andre Gattungen und Arten unter ſich, und es koͤnn- te leicht geſchehen, daß, wenn alle Faͤlle, ſo man vornimmt, unter eine Art gehoͤren, man alsdenn anſtatt des geſuchten hoͤhern Begriffes nur den Be- griff dieſer Art finden wuͤrde. Man verfaͤllt faſt nothwendig in dieſen Fehler, wenn man ſelbſt keine von Lamb. Org. I. Band. B

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/39>, abgerufen am 29.03.2024.