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Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764.

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VII. Hauptstück,
§. 536.

Weis man nun durch die Erfahrung, daß
eine Veränderung in der Natur möglich ist,
so kann man allerdings diese Veränderung, so
fern wir etwas dazu beytragen müssen, als
eine Aufgabe vortragen, und die Anzeige, wie
diese Veränderung erhalten werde, wird die
Auflösung der Aufgabe seyn.
Z. E. man hat et-
wann gefunden, daß, wenn man Galläpfel und Vi-
triol in Wasser auflöst, das Wasser dadurch schwarz
gefärbt werde. Hieraus entstund leicht die Aufga-
be: Dinte zu machen, deren Auflösung man durch
die genauere Bestimmung des Verhältnisses der Jngre-
dientien, durch einen Zusatz von Gummi, Wein,
Eßig etc. zu verbessern und sicher zu machen suchte.
Hier ist nun weiter nichts, als die Vorbereitung
(§. 63.) mechanisch, daß sie nämlich in unsrer Ge-
walt steht, und daß wir wissen, wie sie vorgenom-
men werde. Hingegen ist uns der Mechanismus, durch
welchen die Schwärze aus der Vermischung entsteht,
verborgen, und daher wird es schlechthin durch die
innern Kräfte der Natur gewirkt, daß die Dinte
nunmehr das Licht gleichsam absorbirt.

§. 537.

Solche Erfahrungen dienen nun bey practischen
Aufgaben anstatt der Postulaten, wie die Erfah-
rungen bey theoretischen Untersuchungen statt der
Grundsätze dienen. Unsre Einsicht ist nicht hin-
reichend, die Einrichtung der Dinge in der Natur
aus allgemeinen Gründen einzusehen, und bisher ha-
ben wir höchstens nur die mechanischen Grundsätze,
wodurch wir überhaupt Kraft, Bewegung, Dire-
ction, Geschwindigkeit, Maaße und Zeit mit einan-
der vergleichen können, anbey aber den determinirten

Grad
VII. Hauptſtuͤck,
§. 536.

Weis man nun durch die Erfahrung, daß
eine Veraͤnderung in der Natur moͤglich iſt,
ſo kann man allerdings dieſe Veraͤnderung, ſo
fern wir etwas dazu beytragen muͤſſen, als
eine Aufgabe vortragen, und die Anzeige, wie
dieſe Veraͤnderung erhalten werde, wird die
Aufloͤſung der Aufgabe ſeyn.
Z. E. man hat et-
wann gefunden, daß, wenn man Gallaͤpfel und Vi-
triol in Waſſer aufloͤſt, das Waſſer dadurch ſchwarz
gefaͤrbt werde. Hieraus entſtund leicht die Aufga-
be: Dinte zu machen, deren Aufloͤſung man durch
die genauere Beſtimmung des Verhaͤltniſſes der Jngre-
dientien, durch einen Zuſatz von Gummi, Wein,
Eßig ꝛc. zu verbeſſern und ſicher zu machen ſuchte.
Hier iſt nun weiter nichts, als die Vorbereitung
(§. 63.) mechaniſch, daß ſie naͤmlich in unſrer Ge-
walt ſteht, und daß wir wiſſen, wie ſie vorgenom-
men werde. Hingegen iſt uns der Mechaniſmus, durch
welchen die Schwaͤrze aus der Vermiſchung entſteht,
verborgen, und daher wird es ſchlechthin durch die
innern Kraͤfte der Natur gewirkt, daß die Dinte
nunmehr das Licht gleichſam abſorbirt.

§. 537.

Solche Erfahrungen dienen nun bey practiſchen
Aufgaben anſtatt der Poſtulaten, wie die Erfah-
rungen bey theoretiſchen Unterſuchungen ſtatt der
Grundſaͤtze dienen. Unſre Einſicht iſt nicht hin-
reichend, die Einrichtung der Dinge in der Natur
aus allgemeinen Gruͤnden einzuſehen, und bisher ha-
ben wir hoͤchſtens nur die mechaniſchen Grundſaͤtze,
wodurch wir uͤberhaupt Kraft, Bewegung, Dire-
ction, Geſchwindigkeit, Maaße und Zeit mit einan-
der vergleichen koͤnnen, anbey aber den determinirten

Grad
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[340/0362] VII. Hauptſtuͤck, §. 536. Weis man nun durch die Erfahrung, daß eine Veraͤnderung in der Natur moͤglich iſt, ſo kann man allerdings dieſe Veraͤnderung, ſo fern wir etwas dazu beytragen muͤſſen, als eine Aufgabe vortragen, und die Anzeige, wie dieſe Veraͤnderung erhalten werde, wird die Aufloͤſung der Aufgabe ſeyn. Z. E. man hat et- wann gefunden, daß, wenn man Gallaͤpfel und Vi- triol in Waſſer aufloͤſt, das Waſſer dadurch ſchwarz gefaͤrbt werde. Hieraus entſtund leicht die Aufga- be: Dinte zu machen, deren Aufloͤſung man durch die genauere Beſtimmung des Verhaͤltniſſes der Jngre- dientien, durch einen Zuſatz von Gummi, Wein, Eßig ꝛc. zu verbeſſern und ſicher zu machen ſuchte. Hier iſt nun weiter nichts, als die Vorbereitung (§. 63.) mechaniſch, daß ſie naͤmlich in unſrer Ge- walt ſteht, und daß wir wiſſen, wie ſie vorgenom- men werde. Hingegen iſt uns der Mechaniſmus, durch welchen die Schwaͤrze aus der Vermiſchung entſteht, verborgen, und daher wird es ſchlechthin durch die innern Kraͤfte der Natur gewirkt, daß die Dinte nunmehr das Licht gleichſam abſorbirt. §. 537. Solche Erfahrungen dienen nun bey practiſchen Aufgaben anſtatt der Poſtulaten, wie die Erfah- rungen bey theoretiſchen Unterſuchungen ſtatt der Grundſaͤtze dienen. Unſre Einſicht iſt nicht hin- reichend, die Einrichtung der Dinge in der Natur aus allgemeinen Gruͤnden einzuſehen, und bisher ha- ben wir hoͤchſtens nur die mechaniſchen Grundſaͤtze, wodurch wir uͤberhaupt Kraft, Bewegung, Dire- ction, Geſchwindigkeit, Maaße und Zeit mit einan- der vergleichen koͤnnen, anbey aber den determinirten Grad

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Neues Organon. Bd. 1. Leipzig, 1764, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_organon01_1764/362>, abgerufen am 28.03.2024.