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Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761.

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Cosmologische Briefe
von den Wirkungen der Cometen betrachtet haben,
und daher auf ihre Erfinder in Ernste böse sind? Ich
vermuthe nicht, daß die Weltweisen diese Folgen aus
andern Absichten so böse vorgestellt haben, als um un-
serer Einbildungskraft etwas zu thun zu geben. Sie
wissen, was Ahndungen sind, und bevorstehende Un-
glücksfälle, die wir besorgen, gehen uns allemal sehr
nahe. Die Philosophen wollten uns vorstellen, daß
Cometen eben nicht bloß zum Anstaunen am Himmel
erschienen, sondern auch etwas wirken können. Es
war dieses ein sehr reicher Stoff, um die Einbildungs-
krafft rege zu machen, und es ist bekannt, daß wir
nothwendig mehr Antheil nehmen, wenn man das Un-
heil in seinem höchsten Grade vorstellt. Erzählen Sie
nur jemanden, ein Comet könne uns das Jahr länger
oder kürzer, und aus Sommer Winter machen, er
könne das Wasser aus dem Meere über alle Berge
hinauf ziehen, er könne uns den Mond wegrauben,
oder machen, daß wir künftig nur alle Jahre einmal
Vollmond und Neumond haben, oder hinwiederum,
daß wir alle 14. Täge eine Finsterniß bekommen, und
was dergleichen Veränderungen mehr sind; so erzäh-
len sie lauter Möglichkeiten, die aber merkwürdig ge-
nug sind, um die Aufmerksamkeit an sich zu ziehen,
und die Einbildungskraft zu beschäftigen.

Fragt man aber, ob sich etwas dergleichen je-
mals zu tragen werde, so wird Ihnen kein Philosoph
dafür gut stehen wollen, weil wir nicht alle Cometen
noch ihre Bahnen noch ihre Zusammenkünfte wissen.

Sie

Coſmologiſche Briefe
von den Wirkungen der Cometen betrachtet haben,
und daher auf ihre Erfinder in Ernſte boͤſe ſind? Ich
vermuthe nicht, daß die Weltweiſen dieſe Folgen aus
andern Abſichten ſo boͤſe vorgeſtellt haben, als um un-
ſerer Einbildungskraft etwas zu thun zu geben. Sie
wiſſen, was Ahndungen ſind, und bevorſtehende Un-
gluͤcksfaͤlle, die wir beſorgen, gehen uns allemal ſehr
nahe. Die Philoſophen wollten uns vorſtellen, daß
Cometen eben nicht bloß zum Anſtaunen am Himmel
erſchienen, ſondern auch etwas wirken koͤnnen. Es
war dieſes ein ſehr reicher Stoff, um die Einbildungs-
krafft rege zu machen, und es iſt bekannt, daß wir
nothwendig mehr Antheil nehmen, wenn man das Un-
heil in ſeinem hoͤchſten Grade vorſtellt. Erzaͤhlen Sie
nur jemanden, ein Comet koͤnne uns das Jahr laͤnger
oder kuͤrzer, und aus Sommer Winter machen, er
koͤnne das Waſſer aus dem Meere uͤber alle Berge
hinauf ziehen, er koͤnne uns den Mond wegrauben,
oder machen, daß wir kuͤnftig nur alle Jahre einmal
Vollmond und Neumond haben, oder hinwiederum,
daß wir alle 14. Taͤge eine Finſterniß bekommen, und
was dergleichen Veraͤnderungen mehr ſind; ſo erzaͤh-
len ſie lauter Moͤglichkeiten, die aber merkwuͤrdig ge-
nug ſind, um die Aufmerkſamkeit an ſich zu ziehen,
und die Einbildungskraft zu beſchaͤftigen.

Fragt man aber, ob ſich etwas dergleichen je-
mals zu tragen werde, ſo wird Ihnen kein Philoſoph
dafuͤr gut ſtehen wollen, weil wir nicht alle Cometen
noch ihre Bahnen noch ihre Zuſammenkuͤnfte wiſſen.

Sie
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[12/0045] Coſmologiſche Briefe von den Wirkungen der Cometen betrachtet haben, und daher auf ihre Erfinder in Ernſte boͤſe ſind? Ich vermuthe nicht, daß die Weltweiſen dieſe Folgen aus andern Abſichten ſo boͤſe vorgeſtellt haben, als um un- ſerer Einbildungskraft etwas zu thun zu geben. Sie wiſſen, was Ahndungen ſind, und bevorſtehende Un- gluͤcksfaͤlle, die wir beſorgen, gehen uns allemal ſehr nahe. Die Philoſophen wollten uns vorſtellen, daß Cometen eben nicht bloß zum Anſtaunen am Himmel erſchienen, ſondern auch etwas wirken koͤnnen. Es war dieſes ein ſehr reicher Stoff, um die Einbildungs- krafft rege zu machen, und es iſt bekannt, daß wir nothwendig mehr Antheil nehmen, wenn man das Un- heil in ſeinem hoͤchſten Grade vorſtellt. Erzaͤhlen Sie nur jemanden, ein Comet koͤnne uns das Jahr laͤnger oder kuͤrzer, und aus Sommer Winter machen, er koͤnne das Waſſer aus dem Meere uͤber alle Berge hinauf ziehen, er koͤnne uns den Mond wegrauben, oder machen, daß wir kuͤnftig nur alle Jahre einmal Vollmond und Neumond haben, oder hinwiederum, daß wir alle 14. Taͤge eine Finſterniß bekommen, und was dergleichen Veraͤnderungen mehr ſind; ſo erzaͤh- len ſie lauter Moͤglichkeiten, die aber merkwuͤrdig ge- nug ſind, um die Aufmerkſamkeit an ſich zu ziehen, und die Einbildungskraft zu beſchaͤftigen. Fragt man aber, ob ſich etwas dergleichen je- mals zu tragen werde, ſo wird Ihnen kein Philoſoph dafuͤr gut ſtehen wollen, weil wir nicht alle Cometen noch ihre Bahnen noch ihre Zuſammenkuͤnfte wiſſen. Sie

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Cosmologische Briefe über die Einrichtung des Weltbaues. Augsburg, 1761, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_einrichtung_1761/45>, abgerufen am 23.04.2024.