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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XVIII. Hauptstück.


Achtzehntes Hauptstück.
Dinge und Verhältnisse.
§. 564.

Nach der bisherigen Betrachtung der Kräfte
und ihrer Vergleichung mit den Dingen und
Verhältnissen haben wir nun die beyden letztern selbst
mit einander zu vergleichen, um etwas umständlicher
zu sehen, welche Verbindung zwischen Dingen und
Verhältnissen statt finde. Wir werden uns dabey
das oben (§. 15.) angeführte Requisitum der Grund-
lehre und überhaupt jeder wissenschaftlichen Erkennt-
niß zum Augenmerke setzen, wie man darinn
nämlich aus der geringsten Anzahl gegebener
Stücke, die übrigen finden könne, die dadurch
bestimmt oder damit in Verhältniß sind.
Denn
dazu sind die Verhältnißbegriffe eigentlich geschaffen,
weil wir ohne dieselben kaum von einem Dinge auf
das andere einen Schluß machen könnten, (§. 372.).
Diese Nothwendigkeit zeiget sich nun wiederum in
der Geometrie am augenscheinlichsten, und es ist sich
daher nicht zu verwundern, wenn auch hierinn Eu-
clid
den Philosophen mit seinem Beyspiele vorgegan-
gen ist, und mehr Nachfolge verdienet hätte, als
sich wirklich gefunden. Die Sache selbst hat folgen-
de Bewandtniß. Man weiset in der Geometrie, daß
man aus Nichts nichts finden kann, und daß man
folglich, um etwas zu finden, wissen müsse, wo man
es zu suchen habe, und woraus es könne gefunden
werden. Und dieses unterscheidet man von jenem
dadurch, daß man letzteres die Data oder gegebe-

nen
XVIII. Hauptſtuͤck.


Achtzehntes Hauptſtuͤck.
Dinge und Verhaͤltniſſe.
§. 564.

Nach der bisherigen Betrachtung der Kraͤfte
und ihrer Vergleichung mit den Dingen und
Verhaͤltniſſen haben wir nun die beyden letztern ſelbſt
mit einander zu vergleichen, um etwas umſtaͤndlicher
zu ſehen, welche Verbindung zwiſchen Dingen und
Verhaͤltniſſen ſtatt finde. Wir werden uns dabey
das oben (§. 15.) angefuͤhrte Requiſitum der Grund-
lehre und uͤberhaupt jeder wiſſenſchaftlichen Erkennt-
niß zum Augenmerke ſetzen, wie man darinn
naͤmlich aus der geringſten Anzahl gegebener
Stuͤcke, die uͤbrigen finden koͤnne, die dadurch
beſtimmt oder damit in Verhaͤltniß ſind.
Denn
dazu ſind die Verhaͤltnißbegriffe eigentlich geſchaffen,
weil wir ohne dieſelben kaum von einem Dinge auf
das andere einen Schluß machen koͤnnten, (§. 372.).
Dieſe Nothwendigkeit zeiget ſich nun wiederum in
der Geometrie am augenſcheinlichſten, und es iſt ſich
daher nicht zu verwundern, wenn auch hierinn Eu-
clid
den Philoſophen mit ſeinem Beyſpiele vorgegan-
gen iſt, und mehr Nachfolge verdienet haͤtte, als
ſich wirklich gefunden. Die Sache ſelbſt hat folgen-
de Bewandtniß. Man weiſet in der Geometrie, daß
man aus Nichts nichts finden kann, und daß man
folglich, um etwas zu finden, wiſſen muͤſſe, wo man
es zu ſuchen habe, und woraus es koͤnne gefunden
werden. Und dieſes unterſcheidet man von jenem
dadurch, daß man letzteres die Data oder gegebe-

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[184/0192] XVIII. Hauptſtuͤck. Achtzehntes Hauptſtuͤck. Dinge und Verhaͤltniſſe. §. 564. Nach der bisherigen Betrachtung der Kraͤfte und ihrer Vergleichung mit den Dingen und Verhaͤltniſſen haben wir nun die beyden letztern ſelbſt mit einander zu vergleichen, um etwas umſtaͤndlicher zu ſehen, welche Verbindung zwiſchen Dingen und Verhaͤltniſſen ſtatt finde. Wir werden uns dabey das oben (§. 15.) angefuͤhrte Requiſitum der Grund- lehre und uͤberhaupt jeder wiſſenſchaftlichen Erkennt- niß zum Augenmerke ſetzen, wie man darinn naͤmlich aus der geringſten Anzahl gegebener Stuͤcke, die uͤbrigen finden koͤnne, die dadurch beſtimmt oder damit in Verhaͤltniß ſind. Denn dazu ſind die Verhaͤltnißbegriffe eigentlich geſchaffen, weil wir ohne dieſelben kaum von einem Dinge auf das andere einen Schluß machen koͤnnten, (§. 372.). Dieſe Nothwendigkeit zeiget ſich nun wiederum in der Geometrie am augenſcheinlichſten, und es iſt ſich daher nicht zu verwundern, wenn auch hierinn Eu- clid den Philoſophen mit ſeinem Beyſpiele vorgegan- gen iſt, und mehr Nachfolge verdienet haͤtte, als ſich wirklich gefunden. Die Sache ſelbſt hat folgen- de Bewandtniß. Man weiſet in der Geometrie, daß man aus Nichts nichts finden kann, und daß man folglich, um etwas zu finden, wiſſen muͤſſe, wo man es zu ſuchen habe, und woraus es koͤnne gefunden werden. Und dieſes unterſcheidet man von jenem dadurch, daß man letzteres die Data oder gegebe- nen

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/192>, abgerufen am 25.04.2024.