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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XVII. Hauptstück.
vorgetragen. Die Absicht einer Societät geht auf
die Erreichung des allgemeinen oder gemeinsamen
Besten, als welches ohnehin der Gegenstand des
Willens ist. Um dieses zu erreichen, müssen Kräfte
und wirklich schon vorhandenes Gutes angewandt wer-
den. Die Frage ist demnach, zu bestimmen, was
jedes Mitglied in Ansehung dessen zu thun hat, und
auch hiebey muß schon das gedoppelte Maximum in
die Rechnung gezogen werden, das wir oben (§. 484.)
angeführet haben, wenn man das Maximum heraus-
bringen will, welches der Beharrungsstand des Gan-
zen erfordert. Das Ebenmaaß, so hiebey heraus-
kömmt, ist nun ordentlich so beschaffen, daß bald
jedes einzelne Gute, für sich betrachtet, größer seyn
könnte, und daß, wer etwann nur darauf sein Au-
genmerk richtet, ohne das Ganze zu übersehen, leicht
verleitet wird, dieses zu tadeln, und etwann auch die
einzelnen Stücke zum Nachtheile des Ganzen besser
machen zu wollen. Jn der That kann man auch
aus diesem Grunde auf die natürlichste und schlüßigste
Art herleiten, warum mehrentheils solche Verordnun-
gen, die wegen ihrer Absicht, unverbesserlich scheinen,
nicht nur nicht lange so dauern, sondern am schlechte-
sten gemißbraucht werden. Sie fordern gewöhnlich
eine stärkere Verwendung der vorhandenen Kräfte,
als Mittel da sind, sie wiederum zu ersetzen, und
öfters setzen sie auch Kräfte voraus, die noch nicht
vorhanden sind, oder wenn sie vorhanden sind, bald
verbraucht werden, und eine Ermüdung nach sich las-
sen, die, wenn man auch wieder ausruht und die
Kräfte erholt, die Lust, sie noch einmal so anzuwen-
den, verschwinden macht, und sie nicht selten auf das
Gegentheil, oder von einem Excesse auf den andern
lenkt, bis man endlich, gleichsam wie durch Oscilla-

tionen,

XVII. Hauptſtuͤck.
vorgetragen. Die Abſicht einer Societaͤt geht auf
die Erreichung des allgemeinen oder gemeinſamen
Beſten, als welches ohnehin der Gegenſtand des
Willens iſt. Um dieſes zu erreichen, muͤſſen Kraͤfte
und wirklich ſchon vorhandenes Gutes angewandt wer-
den. Die Frage iſt demnach, zu beſtimmen, was
jedes Mitglied in Anſehung deſſen zu thun hat, und
auch hiebey muß ſchon das gedoppelte Maximum in
die Rechnung gezogen werden, das wir oben (§. 484.)
angefuͤhret haben, wenn man das Maximum heraus-
bringen will, welches der Beharrungsſtand des Gan-
zen erfordert. Das Ebenmaaß, ſo hiebey heraus-
koͤmmt, iſt nun ordentlich ſo beſchaffen, daß bald
jedes einzelne Gute, fuͤr ſich betrachtet, groͤßer ſeyn
koͤnnte, und daß, wer etwann nur darauf ſein Au-
genmerk richtet, ohne das Ganze zu uͤberſehen, leicht
verleitet wird, dieſes zu tadeln, und etwann auch die
einzelnen Stuͤcke zum Nachtheile des Ganzen beſſer
machen zu wollen. Jn der That kann man auch
aus dieſem Grunde auf die natuͤrlichſte und ſchluͤßigſte
Art herleiten, warum mehrentheils ſolche Verordnun-
gen, die wegen ihrer Abſicht, unverbeſſerlich ſcheinen,
nicht nur nicht lange ſo dauern, ſondern am ſchlechte-
ſten gemißbraucht werden. Sie fordern gewoͤhnlich
eine ſtaͤrkere Verwendung der vorhandenen Kraͤfte,
als Mittel da ſind, ſie wiederum zu erſetzen, und
oͤfters ſetzen ſie auch Kraͤfte voraus, die noch nicht
vorhanden ſind, oder wenn ſie vorhanden ſind, bald
verbraucht werden, und eine Ermuͤdung nach ſich laſ-
ſen, die, wenn man auch wieder ausruht und die
Kraͤfte erholt, die Luſt, ſie noch einmal ſo anzuwen-
den, verſchwinden macht, und ſie nicht ſelten auf das
Gegentheil, oder von einem Exceſſe auf den andern
lenkt, bis man endlich, gleichſam wie durch Oſcilla-

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[176/0184] XVII. Hauptſtuͤck. vorgetragen. Die Abſicht einer Societaͤt geht auf die Erreichung des allgemeinen oder gemeinſamen Beſten, als welches ohnehin der Gegenſtand des Willens iſt. Um dieſes zu erreichen, muͤſſen Kraͤfte und wirklich ſchon vorhandenes Gutes angewandt wer- den. Die Frage iſt demnach, zu beſtimmen, was jedes Mitglied in Anſehung deſſen zu thun hat, und auch hiebey muß ſchon das gedoppelte Maximum in die Rechnung gezogen werden, das wir oben (§. 484.) angefuͤhret haben, wenn man das Maximum heraus- bringen will, welches der Beharrungsſtand des Gan- zen erfordert. Das Ebenmaaß, ſo hiebey heraus- koͤmmt, iſt nun ordentlich ſo beſchaffen, daß bald jedes einzelne Gute, fuͤr ſich betrachtet, groͤßer ſeyn koͤnnte, und daß, wer etwann nur darauf ſein Au- genmerk richtet, ohne das Ganze zu uͤberſehen, leicht verleitet wird, dieſes zu tadeln, und etwann auch die einzelnen Stuͤcke zum Nachtheile des Ganzen beſſer machen zu wollen. Jn der That kann man auch aus dieſem Grunde auf die natuͤrlichſte und ſchluͤßigſte Art herleiten, warum mehrentheils ſolche Verordnun- gen, die wegen ihrer Abſicht, unverbeſſerlich ſcheinen, nicht nur nicht lange ſo dauern, ſondern am ſchlechte- ſten gemißbraucht werden. Sie fordern gewoͤhnlich eine ſtaͤrkere Verwendung der vorhandenen Kraͤfte, als Mittel da ſind, ſie wiederum zu erſetzen, und oͤfters ſetzen ſie auch Kraͤfte voraus, die noch nicht vorhanden ſind, oder wenn ſie vorhanden ſind, bald verbraucht werden, und eine Ermuͤdung nach ſich laſ- ſen, die, wenn man auch wieder ausruht und die Kraͤfte erholt, die Luſt, ſie noch einmal ſo anzuwen- den, verſchwinden macht, und ſie nicht ſelten auf das Gegentheil, oder von einem Exceſſe auf den andern lenkt, bis man endlich, gleichſam wie durch Oſcilla- tionen,

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/184>, abgerufen am 28.03.2024.