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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XVII. Hauptstück.
so muß es da geschehen, wo schlechthin nur eine ab-
solute Einheit ist, welche weder Brüche admittirt,
noch vielfach genommen werden kann, dergleichen
z. E. die Existenz, das Seyn, das Wahre etc. in
Absicht auf die Gradus intensitatis ist. Die Defini-
tionen, so man von Raum und Zeit gegeben, daß
nämlich der Raum in der Ordnung der Dinge, die
außer einander sind, die Zeit aber in der Ordnung
auf einander folgender Dinge bestehe, zeigen keine
innere Merkmale, sondern nur Verhältnisse an, das
außer, neben, nach etc. enthält diese Begriffe schon
ganz, und diese beyden Definitionen sind einander
viel zu ähnlich, als daß man daraus herleiten könnte,
die Zeit habe nur eine, der Raum aber drey, und
weder mehr noch minder als drey Dimensionen.
Daß man endlich durch diese Theorie der einfachen
Dinge, die Geisterwelt hat heraus bringen wollen,
da gestehe ich gerne, daß es mir erweisbarer vor-
kömmt, wenn man die Kräfte als Substanzen an-
sieht, die von dem Soliden verschieden sind, und denken,
wollen und wirken können, und in solchen Substan-
zen die Geisterwelt aufsuchet. Denn die Kräfte be-
leben ohnehin das an sich todte Solide, welchem man
längst schon nur eine Vim inertiae zugeschrieben, und
sind von dem Soliden verschieden etc. (§. 539.).

§. 542.

Wir müssen hiebey noch anmerken, daß man in
der Metaphysic eigentlich nicht das Solide, welches
man darinn so viel als Materie nennet, sondern die
Dinge überhaupt in Zusammengesetzte und Ein-
fache eingetheilet hat, und da mag es bey der Viel-
deutigkeit, die das Wort Ding hat, wohl angehen.
Das Solide wird demnach unter die Classe der Dinge

gehören,

XVII. Hauptſtuͤck.
ſo muß es da geſchehen, wo ſchlechthin nur eine ab-
ſolute Einheit iſt, welche weder Bruͤche admittirt,
noch vielfach genommen werden kann, dergleichen
z. E. die Exiſtenz, das Seyn, das Wahre ꝛc. in
Abſicht auf die Gradus intenſitatis iſt. Die Defini-
tionen, ſo man von Raum und Zeit gegeben, daß
naͤmlich der Raum in der Ordnung der Dinge, die
außer einander ſind, die Zeit aber in der Ordnung
auf einander folgender Dinge beſtehe, zeigen keine
innere Merkmale, ſondern nur Verhaͤltniſſe an, das
außer, neben, nach ꝛc. enthaͤlt dieſe Begriffe ſchon
ganz, und dieſe beyden Definitionen ſind einander
viel zu aͤhnlich, als daß man daraus herleiten koͤnnte,
die Zeit habe nur eine, der Raum aber drey, und
weder mehr noch minder als drey Dimenſionen.
Daß man endlich durch dieſe Theorie der einfachen
Dinge, die Geiſterwelt hat heraus bringen wollen,
da geſtehe ich gerne, daß es mir erweisbarer vor-
koͤmmt, wenn man die Kraͤfte als Subſtanzen an-
ſieht, die von dem Soliden verſchieden ſind, und denken,
wollen und wirken koͤnnen, und in ſolchen Subſtan-
zen die Geiſterwelt aufſuchet. Denn die Kraͤfte be-
leben ohnehin das an ſich todte Solide, welchem man
laͤngſt ſchon nur eine Vim inertiae zugeſchrieben, und
ſind von dem Soliden verſchieden ꝛc. (§. 539.).

§. 542.

Wir muͤſſen hiebey noch anmerken, daß man in
der Metaphyſic eigentlich nicht das Solide, welches
man darinn ſo viel als Materie nennet, ſondern die
Dinge uͤberhaupt in Zuſammengeſetzte und Ein-
fache eingetheilet hat, und da mag es bey der Viel-
deutigkeit, die das Wort Ding hat, wohl angehen.
Das Solide wird demnach unter die Claſſe der Dinge

gehoͤren,
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[160/0168] XVII. Hauptſtuͤck. ſo muß es da geſchehen, wo ſchlechthin nur eine ab- ſolute Einheit iſt, welche weder Bruͤche admittirt, noch vielfach genommen werden kann, dergleichen z. E. die Exiſtenz, das Seyn, das Wahre ꝛc. in Abſicht auf die Gradus intenſitatis iſt. Die Defini- tionen, ſo man von Raum und Zeit gegeben, daß naͤmlich der Raum in der Ordnung der Dinge, die außer einander ſind, die Zeit aber in der Ordnung auf einander folgender Dinge beſtehe, zeigen keine innere Merkmale, ſondern nur Verhaͤltniſſe an, das außer, neben, nach ꝛc. enthaͤlt dieſe Begriffe ſchon ganz, und dieſe beyden Definitionen ſind einander viel zu aͤhnlich, als daß man daraus herleiten koͤnnte, die Zeit habe nur eine, der Raum aber drey, und weder mehr noch minder als drey Dimenſionen. Daß man endlich durch dieſe Theorie der einfachen Dinge, die Geiſterwelt hat heraus bringen wollen, da geſtehe ich gerne, daß es mir erweisbarer vor- koͤmmt, wenn man die Kraͤfte als Subſtanzen an- ſieht, die von dem Soliden verſchieden ſind, und denken, wollen und wirken koͤnnen, und in ſolchen Subſtan- zen die Geiſterwelt aufſuchet. Denn die Kraͤfte be- leben ohnehin das an ſich todte Solide, welchem man laͤngſt ſchon nur eine Vim inertiae zugeſchrieben, und ſind von dem Soliden verſchieden ꝛc. (§. 539.). §. 542. Wir muͤſſen hiebey noch anmerken, daß man in der Metaphyſic eigentlich nicht das Solide, welches man darinn ſo viel als Materie nennet, ſondern die Dinge uͤberhaupt in Zuſammengeſetzte und Ein- fache eingetheilet hat, und da mag es bey der Viel- deutigkeit, die das Wort Ding hat, wohl angehen. Das Solide wird demnach unter die Claſſe der Dinge gehoͤren,

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/168>, abgerufen am 18.04.2024.