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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Das Zusammensetzen.
streitig Theile, und das Einfache, im absoluten Ver-
stande genommen, hat unstreitig nicht mehrere
Theile. Hieraus folget nun noch nicht, daß jedes
Zusammengesetzte nothwendig aus absolute einfachen
Theilen bestehen müsse. Es kann dergestalt zusam-
mengesetzt seyn, daß immer noch eine fernere Thei-
lung möglich bleibt, und auf diese Art ist Zeit und
Raum, und alles das zusammengesetzt, was eine ab-
solute Continuität hat. Ohne eine solche innere absolute
Continuität läßt sich das eigentlich Solide nicht ge-
denken. Demnach behält es eben so, wie der Raum,
noch immer eine Ausdehnung und Größe, so klein
man es auch gedenken will, und so muß es auch
mit einem Male vernichtet werden, wenn es ver-
nichtet werden soll, weil es durch die Theilung zwar
in kleinere Theile abgesondert, aber nicht vernichtet
wird. Wo nun aber immer die wirkliche Theilung
nicht mehr fortgesetzt ist, da hat das Solide nicht in
der That keine Theile, sondern keine getrennete
oder von einander abgesonderte Theile mehr, un-
geachtet es noch gar wohl in kleinere Theile getrennet
werden könnte, wenn die Kraft, so sie in Verbin-
dung erhält, daraus weggenommen würde. Die
Größe der Ausdehnung ist, wie die Ausdehnung
selbst, ein einfacher Begriff, worinn sich nichts als
Grade unterscheiden und bestimmen läßt. Die Ein-
heit ist dabey willkührlich, und demnach kann die
Größe nicht durch die Vielheit der Theile definirt wer-
den, weil diese Theile ebenfalls, entweder als eine will-
kührliche Einheit angenommen, oder nach einer will-
kührlich angenommenen Einheit müssen gemessen wer-
den. Bey der Ausdehnung ist alles, was man groß
oder klein nennet, nur verhältnißweise groß oder klein.
Und wenn man je von absoluten Größen sprechen will,

so

Das Zuſammenſetzen.
ſtreitig Theile, und das Einfache, im abſoluten Ver-
ſtande genommen, hat unſtreitig nicht mehrere
Theile. Hieraus folget nun noch nicht, daß jedes
Zuſammengeſetzte nothwendig aus abſolute einfachen
Theilen beſtehen muͤſſe. Es kann dergeſtalt zuſam-
mengeſetzt ſeyn, daß immer noch eine fernere Thei-
lung moͤglich bleibt, und auf dieſe Art iſt Zeit und
Raum, und alles das zuſammengeſetzt, was eine ab-
ſolute Continuitaͤt hat. Ohne eine ſolche innere abſolute
Continuitaͤt laͤßt ſich das eigentlich Solide nicht ge-
denken. Demnach behaͤlt es eben ſo, wie der Raum,
noch immer eine Ausdehnung und Groͤße, ſo klein
man es auch gedenken will, und ſo muß es auch
mit einem Male vernichtet werden, wenn es ver-
nichtet werden ſoll, weil es durch die Theilung zwar
in kleinere Theile abgeſondert, aber nicht vernichtet
wird. Wo nun aber immer die wirkliche Theilung
nicht mehr fortgeſetzt iſt, da hat das Solide nicht in
der That keine Theile, ſondern keine getrennete
oder von einander abgeſonderte Theile mehr, un-
geachtet es noch gar wohl in kleinere Theile getrennet
werden koͤnnte, wenn die Kraft, ſo ſie in Verbin-
dung erhaͤlt, daraus weggenommen wuͤrde. Die
Groͤße der Ausdehnung iſt, wie die Ausdehnung
ſelbſt, ein einfacher Begriff, worinn ſich nichts als
Grade unterſcheiden und beſtimmen laͤßt. Die Ein-
heit iſt dabey willkuͤhrlich, und demnach kann die
Groͤße nicht durch die Vielheit der Theile definirt wer-
den, weil dieſe Theile ebenfalls, entweder als eine will-
kuͤhrliche Einheit angenommen, oder nach einer will-
kuͤhrlich angenommenen Einheit muͤſſen gemeſſen wer-
den. Bey der Ausdehnung iſt alles, was man groß
oder klein nennet, nur verhaͤltnißweiſe groß oder klein.
Und wenn man je von abſoluten Groͤßen ſprechen will,

ſo
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[159/0167] Das Zuſammenſetzen. ſtreitig Theile, und das Einfache, im abſoluten Ver- ſtande genommen, hat unſtreitig nicht mehrere Theile. Hieraus folget nun noch nicht, daß jedes Zuſammengeſetzte nothwendig aus abſolute einfachen Theilen beſtehen muͤſſe. Es kann dergeſtalt zuſam- mengeſetzt ſeyn, daß immer noch eine fernere Thei- lung moͤglich bleibt, und auf dieſe Art iſt Zeit und Raum, und alles das zuſammengeſetzt, was eine ab- ſolute Continuitaͤt hat. Ohne eine ſolche innere abſolute Continuitaͤt laͤßt ſich das eigentlich Solide nicht ge- denken. Demnach behaͤlt es eben ſo, wie der Raum, noch immer eine Ausdehnung und Groͤße, ſo klein man es auch gedenken will, und ſo muß es auch mit einem Male vernichtet werden, wenn es ver- nichtet werden ſoll, weil es durch die Theilung zwar in kleinere Theile abgeſondert, aber nicht vernichtet wird. Wo nun aber immer die wirkliche Theilung nicht mehr fortgeſetzt iſt, da hat das Solide nicht in der That keine Theile, ſondern keine getrennete oder von einander abgeſonderte Theile mehr, un- geachtet es noch gar wohl in kleinere Theile getrennet werden koͤnnte, wenn die Kraft, ſo ſie in Verbin- dung erhaͤlt, daraus weggenommen wuͤrde. Die Groͤße der Ausdehnung iſt, wie die Ausdehnung ſelbſt, ein einfacher Begriff, worinn ſich nichts als Grade unterſcheiden und beſtimmen laͤßt. Die Ein- heit iſt dabey willkuͤhrlich, und demnach kann die Groͤße nicht durch die Vielheit der Theile definirt wer- den, weil dieſe Theile ebenfalls, entweder als eine will- kuͤhrliche Einheit angenommen, oder nach einer will- kuͤhrlich angenommenen Einheit muͤſſen gemeſſen wer- den. Bey der Ausdehnung iſt alles, was man groß oder klein nennet, nur verhaͤltnißweiſe groß oder klein. Und wenn man je von abſoluten Groͤßen ſprechen will, ſo

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/167>, abgerufen am 29.03.2024.