Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Bestimmen.
bey der erstern hingegen die Ordnung nur stückweise,
im Ganzen aber schlechthin eine absolute Unordnung
vorkomme, (§. 181.). Denn so wäre es eben so viel,
als wenn man in der Quadratwurzel von 2, den Num-
mern ihre Stelle nach ihrer Aehnlichkeit bestimmen
wollte, (§. 323.). Jede Stelle hätte etwas beson-
deres, welches keine allgemeine Regel zulassen würde,
ungeachtet die ganze Decimalreihe 1, 41421356237309
5048 etc. nach einem und zwar sehr einfachen Gesetze
gebildet und gefunden wird.

§. 524.

Dieses will nun nicht sagen, man soll auf hören,
den Begriff eines Dinges überhaupt oder andere der-
gleichen allgemeine metaphysische Begriffe zu analy-
siren, weil man doch dabey nie fertig wird. Die
ganze Sprache ist nach Aehnlichkeiten der Dinge ein-
gerichtet, weil die Aehnlichkeit am kenntlichsten ist,
und weil die Sprache zu weitläuftig würde, wenn
man jedes Ding besonders benennen wollte. Dem-
nach ist es auch aus diesem Grunde vortheilhaft,
Sätze zu haben, die nach der Aehnlichkeit allgemein
sind. Ueberdieß führet die wahre synthetische Theorie
der Dinge selbst auf Aehnlichkeiten, und zwar auf
die genauesten und brauchbarsten. Man kann die
ganze Geometrie zum Beyspiele nehmen. Sie hat
nicht nur allgemeine Sätze, weil die Allgemeinheit
in der wissenschaftlichen Erkenntniß das Hauptwerk
ist, sondern diese Allgemeinheit ist noch überdieß von
der eigentlich recht brauchbaren Art, und von der
metaphysischen sehr verschieden (§. 193-196.), weil
sie das Subject nach der Möglichkeit der Prädicate
bestimmet, und in dem Satze: A kann, nach je-
den Modificationen des
B, B seyn, (§. 523.).

Die

Das Beſtimmen.
bey der erſtern hingegen die Ordnung nur ſtuͤckweiſe,
im Ganzen aber ſchlechthin eine abſolute Unordnung
vorkomme, (§. 181.). Denn ſo waͤre es eben ſo viel,
als wenn man in der Quadratwurzel von 2, den Num-
mern ihre Stelle nach ihrer Aehnlichkeit beſtimmen
wollte, (§. 323.). Jede Stelle haͤtte etwas beſon-
deres, welches keine allgemeine Regel zulaſſen wuͤrde,
ungeachtet die ganze Decimalreihe 1, 41421356237309
5048 ꝛc. nach einem und zwar ſehr einfachen Geſetze
gebildet und gefunden wird.

§. 524.

Dieſes will nun nicht ſagen, man ſoll auf hoͤren,
den Begriff eines Dinges uͤberhaupt oder andere der-
gleichen allgemeine metaphyſiſche Begriffe zu analy-
ſiren, weil man doch dabey nie fertig wird. Die
ganze Sprache iſt nach Aehnlichkeiten der Dinge ein-
gerichtet, weil die Aehnlichkeit am kenntlichſten iſt,
und weil die Sprache zu weitlaͤuftig wuͤrde, wenn
man jedes Ding beſonders benennen wollte. Dem-
nach iſt es auch aus dieſem Grunde vortheilhaft,
Saͤtze zu haben, die nach der Aehnlichkeit allgemein
ſind. Ueberdieß fuͤhret die wahre ſynthetiſche Theorie
der Dinge ſelbſt auf Aehnlichkeiten, und zwar auf
die genaueſten und brauchbarſten. Man kann die
ganze Geometrie zum Beyſpiele nehmen. Sie hat
nicht nur allgemeine Saͤtze, weil die Allgemeinheit
in der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß das Hauptwerk
iſt, ſondern dieſe Allgemeinheit iſt noch uͤberdieß von
der eigentlich recht brauchbaren Art, und von der
metaphyſiſchen ſehr verſchieden (§. 193-196.), weil
ſie das Subject nach der Moͤglichkeit der Praͤdicate
beſtimmet, und in dem Satze: A kann, nach je-
den Modificationen des
B, B ſeyn, (§. 523.).

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0151" n="143"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Be&#x017F;timmen.</hi></fw><lb/>
bey der er&#x017F;tern hingegen die Ordnung nur &#x017F;tu&#x0364;ckwei&#x017F;e,<lb/>
im Ganzen aber &#x017F;chlechthin eine ab&#x017F;olute Unordnung<lb/>
vorkomme, (§. 181.). Denn &#x017F;o wa&#x0364;re es eben &#x017F;o viel,<lb/>
als wenn man in der Quadratwurzel von 2, den Num-<lb/>
mern ihre Stelle nach ihrer Aehnlichkeit be&#x017F;timmen<lb/>
wollte, (§. 323.). Jede Stelle ha&#x0364;tte etwas be&#x017F;on-<lb/>
deres, welches keine allgemeine Regel zula&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde,<lb/>
ungeachtet die ganze Decimalreihe 1, 41421356237309<lb/>
5048 &#xA75B;c. nach einem und zwar &#x017F;ehr einfachen Ge&#x017F;etze<lb/>
gebildet und gefunden wird.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 524.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;es will nun nicht &#x017F;agen, man &#x017F;oll auf ho&#x0364;ren,<lb/>
den Begriff eines Dinges u&#x0364;berhaupt oder andere der-<lb/>
gleichen allgemeine metaphy&#x017F;i&#x017F;che Begriffe zu analy-<lb/>
&#x017F;iren, weil man doch dabey nie fertig wird. Die<lb/>
ganze Sprache i&#x017F;t nach Aehnlichkeiten der Dinge ein-<lb/>
gerichtet, weil die Aehnlichkeit am kenntlich&#x017F;ten i&#x017F;t,<lb/>
und weil die Sprache zu weitla&#x0364;uftig wu&#x0364;rde, wenn<lb/>
man jedes Ding be&#x017F;onders benennen wollte. Dem-<lb/>
nach i&#x017F;t es auch aus die&#x017F;em Grunde vortheilhaft,<lb/>
Sa&#x0364;tze zu haben, die nach der Aehnlichkeit allgemein<lb/>
&#x017F;ind. Ueberdieß fu&#x0364;hret die wahre &#x017F;yntheti&#x017F;che Theorie<lb/>
der Dinge &#x017F;elb&#x017F;t auf Aehnlichkeiten, und zwar auf<lb/>
die genaue&#x017F;ten und brauchbar&#x017F;ten. Man kann die<lb/>
ganze Geometrie zum Bey&#x017F;piele nehmen. Sie hat<lb/>
nicht nur allgemeine Sa&#x0364;tze, weil die Allgemeinheit<lb/>
in der wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Erkenntniß das Hauptwerk<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;ondern die&#x017F;e Allgemeinheit i&#x017F;t noch u&#x0364;berdieß von<lb/>
der eigentlich recht brauchbaren Art, und von der<lb/>
metaphy&#x017F;i&#x017F;chen &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden (§. 193-196.), weil<lb/>
&#x017F;ie das Subject nach der Mo&#x0364;glichkeit der Pra&#x0364;dicate<lb/>
be&#x017F;timmet, und in dem Satze: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">A</hi></hi> <hi rendition="#fr">kann, nach je-<lb/>
den Modificationen des</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">B, B</hi></hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;eyn,</hi> (§. 523.).<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0151] Das Beſtimmen. bey der erſtern hingegen die Ordnung nur ſtuͤckweiſe, im Ganzen aber ſchlechthin eine abſolute Unordnung vorkomme, (§. 181.). Denn ſo waͤre es eben ſo viel, als wenn man in der Quadratwurzel von 2, den Num- mern ihre Stelle nach ihrer Aehnlichkeit beſtimmen wollte, (§. 323.). Jede Stelle haͤtte etwas beſon- deres, welches keine allgemeine Regel zulaſſen wuͤrde, ungeachtet die ganze Decimalreihe 1, 41421356237309 5048 ꝛc. nach einem und zwar ſehr einfachen Geſetze gebildet und gefunden wird. §. 524. Dieſes will nun nicht ſagen, man ſoll auf hoͤren, den Begriff eines Dinges uͤberhaupt oder andere der- gleichen allgemeine metaphyſiſche Begriffe zu analy- ſiren, weil man doch dabey nie fertig wird. Die ganze Sprache iſt nach Aehnlichkeiten der Dinge ein- gerichtet, weil die Aehnlichkeit am kenntlichſten iſt, und weil die Sprache zu weitlaͤuftig wuͤrde, wenn man jedes Ding beſonders benennen wollte. Dem- nach iſt es auch aus dieſem Grunde vortheilhaft, Saͤtze zu haben, die nach der Aehnlichkeit allgemein ſind. Ueberdieß fuͤhret die wahre ſynthetiſche Theorie der Dinge ſelbſt auf Aehnlichkeiten, und zwar auf die genaueſten und brauchbarſten. Man kann die ganze Geometrie zum Beyſpiele nehmen. Sie hat nicht nur allgemeine Saͤtze, weil die Allgemeinheit in der wiſſenſchaftlichen Erkenntniß das Hauptwerk iſt, ſondern dieſe Allgemeinheit iſt noch uͤberdieß von der eigentlich recht brauchbaren Art, und von der metaphyſiſchen ſehr verſchieden (§. 193-196.), weil ſie das Subject nach der Moͤglichkeit der Praͤdicate beſtimmet, und in dem Satze: A kann, nach je- den Modificationen des B, B ſeyn, (§. 523.). Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/151
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/151>, abgerufen am 23.04.2024.