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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XIII. Hauptstück.
sey, ungefähr, wie die Begriffe der Farben solche
bloße Bilder sind, die von den auf das Augennetz
fallenden Lichtstralen erreget oder veranlaßt werden?
Dabey ist nun offenbar genug, daß wenn wir z. E.
sagen, die Kraft gehe aus einem Körper in den an-
dern, nicht dieser klare Begriff dadurch verstanden
werde, sondern das, was dieser Begriff vorstellet.
Sollen wir nun hier nach unserer Empfindung ur-
theilen, so empfinden wir, wenn wir eine Kraft an-
wenden oder gebrauchen, eigentlich das, was wir
einen Druck nennen, und demnach müßten wir sa-
gen, daß ein solcher Druck aus einem Körper in den
andern übergehe, und diese Redensart gebrauchen
wir auch wirklich bey Körpern, die einander be-
rühren, wenn wir sagen, daß einer den andern fort-
drücket, wie z. E. die Räder an einer Uhr, die Theile
einer Maschine etc.

§. 377.

Dieses Fortdrücken läßt sich nun, überhaupt be-
trachtet, aus der bloßen Undurchdringbarkeit des So-
liden begreifen, weil dieses jedes andere nothwendig
von seinem Orte ausschleußt. Das eine kann nicht
an die Stelle des andern kommen, es sey denn, daß
dieses weiche, und daher von dem andern fortgedrü-
cket werde. Dieses kann man nun allerdings ohne
Rücksicht auf speciale Erfahrungen sagen, weil wir
das Solide ohne die Undurchdringbarkeit nicht ge-
denken können. Hingegen ist die Frage von dem er-
sten Drucke schwerer. Denn nehmen wir nur an,
daß eine gewisse Quantität von Kräften in der Welt
sey, so gehen wir a posteriori. Es sollte aber die
metaphysische Wahrheit derselben, oder ihre noth-
wendige Möglichkeit zu existiren, a priori erwiesen

werden.

XIII. Hauptſtuͤck.
ſey, ungefaͤhr, wie die Begriffe der Farben ſolche
bloße Bilder ſind, die von den auf das Augennetz
fallenden Lichtſtralen erreget oder veranlaßt werden?
Dabey iſt nun offenbar genug, daß wenn wir z. E.
ſagen, die Kraft gehe aus einem Koͤrper in den an-
dern, nicht dieſer klare Begriff dadurch verſtanden
werde, ſondern das, was dieſer Begriff vorſtellet.
Sollen wir nun hier nach unſerer Empfindung ur-
theilen, ſo empfinden wir, wenn wir eine Kraft an-
wenden oder gebrauchen, eigentlich das, was wir
einen Druck nennen, und demnach muͤßten wir ſa-
gen, daß ein ſolcher Druck aus einem Koͤrper in den
andern uͤbergehe, und dieſe Redensart gebrauchen
wir auch wirklich bey Koͤrpern, die einander be-
ruͤhren, wenn wir ſagen, daß einer den andern fort-
druͤcket, wie z. E. die Raͤder an einer Uhr, die Theile
einer Maſchine ꝛc.

§. 377.

Dieſes Fortdruͤcken laͤßt ſich nun, uͤberhaupt be-
trachtet, aus der bloßen Undurchdringbarkeit des So-
liden begreifen, weil dieſes jedes andere nothwendig
von ſeinem Orte ausſchleußt. Das eine kann nicht
an die Stelle des andern kommen, es ſey denn, daß
dieſes weiche, und daher von dem andern fortgedruͤ-
cket werde. Dieſes kann man nun allerdings ohne
Ruͤckſicht auf ſpeciale Erfahrungen ſagen, weil wir
das Solide ohne die Undurchdringbarkeit nicht ge-
denken koͤnnen. Hingegen iſt die Frage von dem er-
ſten Drucke ſchwerer. Denn nehmen wir nur an,
daß eine gewiſſe Quantitaͤt von Kraͤften in der Welt
ſey, ſo gehen wir a poſteriori. Es ſollte aber die
metaphyſiſche Wahrheit derſelben, oder ihre noth-
wendige Moͤglichkeit zu exiſtiren, a priori erwieſen

werden.
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[6/0014] XIII. Hauptſtuͤck. ſey, ungefaͤhr, wie die Begriffe der Farben ſolche bloße Bilder ſind, die von den auf das Augennetz fallenden Lichtſtralen erreget oder veranlaßt werden? Dabey iſt nun offenbar genug, daß wenn wir z. E. ſagen, die Kraft gehe aus einem Koͤrper in den an- dern, nicht dieſer klare Begriff dadurch verſtanden werde, ſondern das, was dieſer Begriff vorſtellet. Sollen wir nun hier nach unſerer Empfindung ur- theilen, ſo empfinden wir, wenn wir eine Kraft an- wenden oder gebrauchen, eigentlich das, was wir einen Druck nennen, und demnach muͤßten wir ſa- gen, daß ein ſolcher Druck aus einem Koͤrper in den andern uͤbergehe, und dieſe Redensart gebrauchen wir auch wirklich bey Koͤrpern, die einander be- ruͤhren, wenn wir ſagen, daß einer den andern fort- druͤcket, wie z. E. die Raͤder an einer Uhr, die Theile einer Maſchine ꝛc. §. 377. Dieſes Fortdruͤcken laͤßt ſich nun, uͤberhaupt be- trachtet, aus der bloßen Undurchdringbarkeit des So- liden begreifen, weil dieſes jedes andere nothwendig von ſeinem Orte ausſchleußt. Das eine kann nicht an die Stelle des andern kommen, es ſey denn, daß dieſes weiche, und daher von dem andern fortgedruͤ- cket werde. Dieſes kann man nun allerdings ohne Ruͤckſicht auf ſpeciale Erfahrungen ſagen, weil wir das Solide ohne die Undurchdringbarkeit nicht ge- denken koͤnnen. Hingegen iſt die Frage von dem er- ſten Drucke ſchwerer. Denn nehmen wir nur an, daß eine gewiſſe Quantitaͤt von Kraͤften in der Welt ſey, ſo gehen wir a poſteriori. Es ſollte aber die metaphyſiſche Wahrheit derſelben, oder ihre noth- wendige Moͤglichkeit zu exiſtiren, a priori erwieſen werden.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/14>, abgerufen am 19.04.2024.