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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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Der Zusammenhang.
darüber geben kann, unterschieden werden müssen.
Denn die Sätze geben den objectiven Grund in An-
sehung der erst angeführten Fragen an. Der Be-
weis aber geht darauf, daß es wirklich der Grund
sey. Daher sind die Gründe, die in dem Beweise
vorkommen, immer Gründe des Wissens, so wie
es auch das bekannte: Stat pro ratione voluntas, zu
verstehen giebt. Dahingegen der Grund, den der
zu beweisende Satz
anzeiget, sowohl ein Grund
des Wissens
als des Wollens und des Könnens
seyn kann. Jn der wirklichen Ausübung hingegen
fragen wir nicht nach Gründen, sondern wir fragen
den Dingen nach, von welchen wir wissen, daß sie
die Gründe enthalten,
damit wir sie gebrauchen
und anwenden können. Man sollte auch hieraus
schließen, daß das Wort Grund, wenn es nicht nach
seiner ursprünglichen Bedeutung, wie z. E. in den
Ausdrücken der Grund des Meeres, Grund und Bo-
den etc. sondern abstract genommen wird, immer theo-
retisch vorkömmt, und so wie das Wort ratio, raison,
wenn es so viel als Grund bedeutet, auf die Er-
kenntniß geht.

§. 488.

Wir wollen nun das vorhin (§. 475.) aus dem
Archimedes angeführte Beyspiel mit dem erstge-
sagten vergleichen. Wenn beyde Wagschalen mit
gleichen Gewichten beladen sind, so steht die Wage
inne. Fragt man nun warum? so antwortet Archi-
medes,
es sey kein Grund da, warum die eine Wag-
schale mehr als die andere niedergedrückt werden soll.
Hiebey ist nun gar kein Zweifel, daß kein Grund
des Könnens
da ist, denn sonst müßten die Gewich-
ter ungleich seyn, welches der Voraussetzung zuwider

ist,
G 5

Der Zuſammenhang.
daruͤber geben kann, unterſchieden werden muͤſſen.
Denn die Saͤtze geben den objectiven Grund in An-
ſehung der erſt angefuͤhrten Fragen an. Der Be-
weis aber geht darauf, daß es wirklich der Grund
ſey. Daher ſind die Gruͤnde, die in dem Beweiſe
vorkommen, immer Gruͤnde des Wiſſens, ſo wie
es auch das bekannte: Stat pro ratione voluntas, zu
verſtehen giebt. Dahingegen der Grund, den der
zu beweiſende Satz
anzeiget, ſowohl ein Grund
des Wiſſens
als des Wollens und des Koͤnnens
ſeyn kann. Jn der wirklichen Ausuͤbung hingegen
fragen wir nicht nach Gruͤnden, ſondern wir fragen
den Dingen nach, von welchen wir wiſſen, daß ſie
die Gruͤnde enthalten,
damit wir ſie gebrauchen
und anwenden koͤnnen. Man ſollte auch hieraus
ſchließen, daß das Wort Grund, wenn es nicht nach
ſeiner urſpruͤnglichen Bedeutung, wie z. E. in den
Ausdruͤcken der Grund des Meeres, Grund und Bo-
den ꝛc. ſondern abſtract genommen wird, immer theo-
retiſch vorkoͤmmt, und ſo wie das Wort ratio, raiſon,
wenn es ſo viel als Grund bedeutet, auf die Er-
kenntniß geht.

§. 488.

Wir wollen nun das vorhin (§. 475.) aus dem
Archimedes angefuͤhrte Beyſpiel mit dem erſtge-
ſagten vergleichen. Wenn beyde Wagſchalen mit
gleichen Gewichten beladen ſind, ſo ſteht die Wage
inne. Fragt man nun warum? ſo antwortet Archi-
medes,
es ſey kein Grund da, warum die eine Wag-
ſchale mehr als die andere niedergedruͤckt werden ſoll.
Hiebey iſt nun gar kein Zweifel, daß kein Grund
des Koͤnnens
da iſt, denn ſonſt muͤßten die Gewich-
ter ungleich ſeyn, welches der Vorausſetzung zuwider

iſt,
G 5
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[105/0113] Der Zuſammenhang. daruͤber geben kann, unterſchieden werden muͤſſen. Denn die Saͤtze geben den objectiven Grund in An- ſehung der erſt angefuͤhrten Fragen an. Der Be- weis aber geht darauf, daß es wirklich der Grund ſey. Daher ſind die Gruͤnde, die in dem Beweiſe vorkommen, immer Gruͤnde des Wiſſens, ſo wie es auch das bekannte: Stat pro ratione voluntas, zu verſtehen giebt. Dahingegen der Grund, den der zu beweiſende Satz anzeiget, ſowohl ein Grund des Wiſſens als des Wollens und des Koͤnnens ſeyn kann. Jn der wirklichen Ausuͤbung hingegen fragen wir nicht nach Gruͤnden, ſondern wir fragen den Dingen nach, von welchen wir wiſſen, daß ſie die Gruͤnde enthalten, damit wir ſie gebrauchen und anwenden koͤnnen. Man ſollte auch hieraus ſchließen, daß das Wort Grund, wenn es nicht nach ſeiner urſpruͤnglichen Bedeutung, wie z. E. in den Ausdruͤcken der Grund des Meeres, Grund und Bo- den ꝛc. ſondern abſtract genommen wird, immer theo- retiſch vorkoͤmmt, und ſo wie das Wort ratio, raiſon, wenn es ſo viel als Grund bedeutet, auf die Er- kenntniß geht. §. 488. Wir wollen nun das vorhin (§. 475.) aus dem Archimedes angefuͤhrte Beyſpiel mit dem erſtge- ſagten vergleichen. Wenn beyde Wagſchalen mit gleichen Gewichten beladen ſind, ſo ſteht die Wage inne. Fragt man nun warum? ſo antwortet Archi- medes, es ſey kein Grund da, warum die eine Wag- ſchale mehr als die andere niedergedruͤckt werden ſoll. Hiebey iſt nun gar kein Zweifel, daß kein Grund des Koͤnnens da iſt, denn ſonſt muͤßten die Gewich- ter ungleich ſeyn, welches der Vorausſetzung zuwider iſt, G 5

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/113>, abgerufen am 29.03.2024.