Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

XV. Hauptstück.
weil diese drey Arten von Gründen immer beysam-
men seyn können, und eben dadurch leicht mit ein-
ander verwechselt und vermenget werden. Die
Gründe des Wollens und des Könnens können an
sich als Gegenstände des Verstandes angesehen wer-
den, und in so ferne verwandeln sie sich in Gründe
des Wissens. Jch sage: sie verwandeln sich,
weil wir statt der Objecte die Begriffe, und statt der
Wirksamkeit, die in den Gründen selbst ist, die Sä-
tze nehmen, die sie uns anbiethen. Hinwiederum
können die Gründe des Wissens sich in Gründe des
Wollens und Könnens verwandeln, ungefähr so, wie
überhaupt aus der Theorie die Praxis hergeleitet wer-
den kann. Die Verwandlung geht auch hiebey so
vor, daß wir uns von den Begriffen zu den Objecten
wenden. Diese Verwandlungen und die dabey leicht
entstehenden Vermengungen der drey Arten von Grün-
den sind nun um desto häufiger möglich, weil die dreyer-
ley Kräfte, worauf sich diese Gründe beziehen, an
sich und überhaupt betrachtet, von gleichem Umfange
sind, (§. 243. 297. 303. 304. 358. 484.). Wir stellen
uns daher zuweilen die ganze Sache, zuweilen den
Theil der Sache, in welcher der Grund ist, als den
Grund vor, es mag nun daraus erhellen, daß das
darauf gegründete sey, oder warum es sey, oder
wie es darauf gegründet sey, davon herrühre, da-
durch veranlasset oder verursachet, oder gewirket oder
auch gehindert, entkräftet, etc. werde. Da wir übri-
gens, so oft wir nach Gründen fragen, wenn es
theoretisch geschieht, nach der Erkenntniß der Grün-
de fragen, so läßt sich der Grund in dieser Absicht
immer in Form eines oder mehrerer Sätze angeben,
welche den Grund, oder wenn mehrere sind, die
Gründe anzeigen, und von dem Beweise, den man

darüber

XV. Hauptſtuͤck.
weil dieſe drey Arten von Gruͤnden immer beyſam-
men ſeyn koͤnnen, und eben dadurch leicht mit ein-
ander verwechſelt und vermenget werden. Die
Gruͤnde des Wollens und des Koͤnnens koͤnnen an
ſich als Gegenſtaͤnde des Verſtandes angeſehen wer-
den, und in ſo ferne verwandeln ſie ſich in Gruͤnde
des Wiſſens. Jch ſage: ſie verwandeln ſich,
weil wir ſtatt der Objecte die Begriffe, und ſtatt der
Wirkſamkeit, die in den Gruͤnden ſelbſt iſt, die Saͤ-
tze nehmen, die ſie uns anbiethen. Hinwiederum
koͤnnen die Gruͤnde des Wiſſens ſich in Gruͤnde des
Wollens und Koͤnnens verwandeln, ungefaͤhr ſo, wie
uͤberhaupt aus der Theorie die Praxis hergeleitet wer-
den kann. Die Verwandlung geht auch hiebey ſo
vor, daß wir uns von den Begriffen zu den Objecten
wenden. Dieſe Verwandlungen und die dabey leicht
entſtehenden Vermengungen der drey Arten von Gruͤn-
den ſind nun um deſto haͤufiger moͤglich, weil die dreyer-
ley Kraͤfte, worauf ſich dieſe Gruͤnde beziehen, an
ſich und uͤberhaupt betrachtet, von gleichem Umfange
ſind, (§. 243. 297. 303. 304. 358. 484.). Wir ſtellen
uns daher zuweilen die ganze Sache, zuweilen den
Theil der Sache, in welcher der Grund iſt, als den
Grund vor, es mag nun daraus erhellen, daß das
darauf gegruͤndete ſey, oder warum es ſey, oder
wie es darauf gegruͤndet ſey, davon herruͤhre, da-
durch veranlaſſet oder verurſachet, oder gewirket oder
auch gehindert, entkraͤftet, ꝛc. werde. Da wir uͤbri-
gens, ſo oft wir nach Gruͤnden fragen, wenn es
theoretiſch geſchieht, nach der Erkenntniß der Gruͤn-
de fragen, ſo laͤßt ſich der Grund in dieſer Abſicht
immer in Form eines oder mehrerer Saͤtze angeben,
welche den Grund, oder wenn mehrere ſind, die
Gruͤnde anzeigen, und von dem Beweiſe, den man

daruͤber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0112" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XV.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
weil die&#x017F;e drey Arten von Gru&#x0364;nden immer bey&#x017F;am-<lb/>
men &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, und eben dadurch leicht mit ein-<lb/>
ander verwech&#x017F;elt und vermenget werden. Die<lb/>
Gru&#x0364;nde des Wollens und des Ko&#x0364;nnens ko&#x0364;nnen an<lb/>
&#x017F;ich als Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde des Ver&#x017F;tandes ange&#x017F;ehen wer-<lb/>
den, und in &#x017F;o ferne verwandeln &#x017F;ie &#x017F;ich in Gru&#x0364;nde<lb/>
des Wi&#x017F;&#x017F;ens. Jch &#x017F;age: <hi rendition="#fr">&#x017F;ie verwandeln &#x017F;ich,</hi><lb/>
weil wir &#x017F;tatt der Objecte die Begriffe, und &#x017F;tatt der<lb/>
Wirk&#x017F;amkeit, die in den Gru&#x0364;nden &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t, die Sa&#x0364;-<lb/>
tze nehmen, die &#x017F;ie uns anbiethen. Hinwiederum<lb/>
ko&#x0364;nnen die Gru&#x0364;nde des Wi&#x017F;&#x017F;ens &#x017F;ich in Gru&#x0364;nde des<lb/>
Wollens und Ko&#x0364;nnens verwandeln, ungefa&#x0364;hr &#x017F;o, wie<lb/>
u&#x0364;berhaupt aus der Theorie die Praxis hergeleitet wer-<lb/>
den kann. Die Verwandlung geht auch hiebey &#x017F;o<lb/>
vor, daß wir uns von den Begriffen zu den Objecten<lb/>
wenden. Die&#x017F;e Verwandlungen und die dabey leicht<lb/>
ent&#x017F;tehenden Vermengungen der drey Arten von Gru&#x0364;n-<lb/>
den &#x017F;ind nun um de&#x017F;to ha&#x0364;ufiger mo&#x0364;glich, weil die dreyer-<lb/>
ley Kra&#x0364;fte, worauf &#x017F;ich die&#x017F;e Gru&#x0364;nde beziehen, an<lb/>
&#x017F;ich und u&#x0364;berhaupt betrachtet, von gleichem Umfange<lb/>
&#x017F;ind, (§. 243. 297. 303. 304. 358. 484.). Wir &#x017F;tellen<lb/>
uns daher zuweilen die ganze Sache, zuweilen den<lb/>
Theil der Sache, in welcher der Grund i&#x017F;t, als den<lb/>
Grund vor, es mag nun daraus erhellen, <hi rendition="#fr">daß</hi> das<lb/>
darauf gegru&#x0364;ndete &#x017F;ey, oder <hi rendition="#fr">warum</hi> es &#x017F;ey, oder<lb/><hi rendition="#fr">wie</hi> es darauf gegru&#x0364;ndet &#x017F;ey, davon herru&#x0364;hre, da-<lb/>
durch veranla&#x017F;&#x017F;et oder verur&#x017F;achet, oder gewirket oder<lb/>
auch gehindert, entkra&#x0364;ftet, &#xA75B;c. werde. Da wir u&#x0364;bri-<lb/>
gens, &#x017F;o oft wir nach Gru&#x0364;nden fragen, wenn es<lb/>
theoreti&#x017F;ch ge&#x017F;chieht, nach der <hi rendition="#fr">Erkenntniß</hi> der Gru&#x0364;n-<lb/>
de fragen, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich der Grund in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht<lb/>
immer in Form eines oder mehrerer Sa&#x0364;tze angeben,<lb/>
welche den Grund, oder wenn mehrere &#x017F;ind, die<lb/>
Gru&#x0364;nde <hi rendition="#fr">anzeigen,</hi> und von dem <hi rendition="#fr">Bewei&#x017F;e,</hi> den man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daru&#x0364;ber</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0112] XV. Hauptſtuͤck. weil dieſe drey Arten von Gruͤnden immer beyſam- men ſeyn koͤnnen, und eben dadurch leicht mit ein- ander verwechſelt und vermenget werden. Die Gruͤnde des Wollens und des Koͤnnens koͤnnen an ſich als Gegenſtaͤnde des Verſtandes angeſehen wer- den, und in ſo ferne verwandeln ſie ſich in Gruͤnde des Wiſſens. Jch ſage: ſie verwandeln ſich, weil wir ſtatt der Objecte die Begriffe, und ſtatt der Wirkſamkeit, die in den Gruͤnden ſelbſt iſt, die Saͤ- tze nehmen, die ſie uns anbiethen. Hinwiederum koͤnnen die Gruͤnde des Wiſſens ſich in Gruͤnde des Wollens und Koͤnnens verwandeln, ungefaͤhr ſo, wie uͤberhaupt aus der Theorie die Praxis hergeleitet wer- den kann. Die Verwandlung geht auch hiebey ſo vor, daß wir uns von den Begriffen zu den Objecten wenden. Dieſe Verwandlungen und die dabey leicht entſtehenden Vermengungen der drey Arten von Gruͤn- den ſind nun um deſto haͤufiger moͤglich, weil die dreyer- ley Kraͤfte, worauf ſich dieſe Gruͤnde beziehen, an ſich und uͤberhaupt betrachtet, von gleichem Umfange ſind, (§. 243. 297. 303. 304. 358. 484.). Wir ſtellen uns daher zuweilen die ganze Sache, zuweilen den Theil der Sache, in welcher der Grund iſt, als den Grund vor, es mag nun daraus erhellen, daß das darauf gegruͤndete ſey, oder warum es ſey, oder wie es darauf gegruͤndet ſey, davon herruͤhre, da- durch veranlaſſet oder verurſachet, oder gewirket oder auch gehindert, entkraͤftet, ꝛc. werde. Da wir uͤbri- gens, ſo oft wir nach Gruͤnden fragen, wenn es theoretiſch geſchieht, nach der Erkenntniß der Gruͤn- de fragen, ſo laͤßt ſich der Grund in dieſer Abſicht immer in Form eines oder mehrerer Saͤtze angeben, welche den Grund, oder wenn mehrere ſind, die Gruͤnde anzeigen, und von dem Beweiſe, den man daruͤber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/112
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/112>, abgerufen am 29.03.2024.