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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771.

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XV. Hauptstück.
weg. Man kann aber in diesen Fällen allemal eine
andere Art zu schließen gebrauchen, welche sich
schlechthin auf den Satz des Widerspruches bezieht.
Um das Beyspiel zu gebrauchen, von welchem Leib-
nitz
seinen Satz des zureichenden Grundes abstrahirt
hat, so schließt Archimedes, daß eine Wage inn-
stehen müsse, wenn sie in beyden Wagschalen mit
gleichen Gewichten beladen ist, und zwar, weil kein
Grund da sey, warum das eine Gewicht überwiegen
sollte. Dieses will nun eigentlich so viel sagen, daß
aus einerley Vördersätzen einerley Schlußsatz folge,
und daß, wenn in dem einen Schlußsatze mehr seyn
müßte, als in dem andern, nothwendig auch mehr
in seinen Vordersätzen seyn müßte. Denn die Kraft,
die jedes Gewicht gebraucht, seine Wagschale her-
unter, und dadurch die andere herauf zu drücken,
eben diese Kraft gebraucht auch das andere Gewicht
gegen das erste. Man gedenket demnach für jedes
Gewicht und für jede Wagschale einerley, und was
auch immer daraus kann gefolgert werden, kann für
das eine weder mehr noch minder enthalten, als für
das andere, weil sonst aus einerley Vordersätzen A
und nicht - A folgen würde. Da nun hier der
Erfolg dieser ist, daß jedes Gewicht durch seinen
Druck den Druck des andern destruirt, oder zu
allem andern unwirksam machet, weil eine Kraft
nicht doppelt angewandt werden kann, so erfolget kei-
ne Bewegung, und die Wage steht inne. Archime-
des
verstund allem Ansehen nach so viel durch sei-
nen Grund, daß wenn die eine Wagschale herunter
gedruckt werden sollte, noch ein Gewicht darinn seyn
müßte. Da aber kein solches darinn ist, so erfolge
auch die Wirkung nicht, die es haben würde.

§. 476.

XV. Hauptſtuͤck.
weg. Man kann aber in dieſen Faͤllen allemal eine
andere Art zu ſchließen gebrauchen, welche ſich
ſchlechthin auf den Satz des Widerſpruches bezieht.
Um das Beyſpiel zu gebrauchen, von welchem Leib-
nitz
ſeinen Satz des zureichenden Grundes abſtrahirt
hat, ſo ſchließt Archimedes, daß eine Wage inn-
ſtehen muͤſſe, wenn ſie in beyden Wagſchalen mit
gleichen Gewichten beladen iſt, und zwar, weil kein
Grund da ſey, warum das eine Gewicht uͤberwiegen
ſollte. Dieſes will nun eigentlich ſo viel ſagen, daß
aus einerley Voͤrderſaͤtzen einerley Schlußſatz folge,
und daß, wenn in dem einen Schlußſatze mehr ſeyn
muͤßte, als in dem andern, nothwendig auch mehr
in ſeinen Vorderſaͤtzen ſeyn muͤßte. Denn die Kraft,
die jedes Gewicht gebraucht, ſeine Wagſchale her-
unter, und dadurch die andere herauf zu druͤcken,
eben dieſe Kraft gebraucht auch das andere Gewicht
gegen das erſte. Man gedenket demnach fuͤr jedes
Gewicht und fuͤr jede Wagſchale einerley, und was
auch immer daraus kann gefolgert werden, kann fuͤr
das eine weder mehr noch minder enthalten, als fuͤr
das andere, weil ſonſt aus einerley Vorderſaͤtzen A
und nicht - A folgen wuͤrde. Da nun hier der
Erfolg dieſer iſt, daß jedes Gewicht durch ſeinen
Druck den Druck des andern deſtruirt, oder zu
allem andern unwirkſam machet, weil eine Kraft
nicht doppelt angewandt werden kann, ſo erfolget kei-
ne Bewegung, und die Wage ſteht inne. Archime-
des
verſtund allem Anſehen nach ſo viel durch ſei-
nen Grund, daß wenn die eine Wagſchale herunter
gedruckt werden ſollte, noch ein Gewicht darinn ſeyn
muͤßte. Da aber kein ſolches darinn iſt, ſo erfolge
auch die Wirkung nicht, die es haben wuͤrde.

§. 476.
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[92/0100] XV. Hauptſtuͤck. weg. Man kann aber in dieſen Faͤllen allemal eine andere Art zu ſchließen gebrauchen, welche ſich ſchlechthin auf den Satz des Widerſpruches bezieht. Um das Beyſpiel zu gebrauchen, von welchem Leib- nitz ſeinen Satz des zureichenden Grundes abſtrahirt hat, ſo ſchließt Archimedes, daß eine Wage inn- ſtehen muͤſſe, wenn ſie in beyden Wagſchalen mit gleichen Gewichten beladen iſt, und zwar, weil kein Grund da ſey, warum das eine Gewicht uͤberwiegen ſollte. Dieſes will nun eigentlich ſo viel ſagen, daß aus einerley Voͤrderſaͤtzen einerley Schlußſatz folge, und daß, wenn in dem einen Schlußſatze mehr ſeyn muͤßte, als in dem andern, nothwendig auch mehr in ſeinen Vorderſaͤtzen ſeyn muͤßte. Denn die Kraft, die jedes Gewicht gebraucht, ſeine Wagſchale her- unter, und dadurch die andere herauf zu druͤcken, eben dieſe Kraft gebraucht auch das andere Gewicht gegen das erſte. Man gedenket demnach fuͤr jedes Gewicht und fuͤr jede Wagſchale einerley, und was auch immer daraus kann gefolgert werden, kann fuͤr das eine weder mehr noch minder enthalten, als fuͤr das andere, weil ſonſt aus einerley Vorderſaͤtzen A und nicht - A folgen wuͤrde. Da nun hier der Erfolg dieſer iſt, daß jedes Gewicht durch ſeinen Druck den Druck des andern deſtruirt, oder zu allem andern unwirkſam machet, weil eine Kraft nicht doppelt angewandt werden kann, ſo erfolget kei- ne Bewegung, und die Wage ſteht inne. Archime- des verſtund allem Anſehen nach ſo viel durch ſei- nen Grund, daß wenn die eine Wagſchale herunter gedruckt werden ſollte, noch ein Gewicht darinn ſeyn muͤßte. Da aber kein ſolches darinn iſt, ſo erfolge auch die Wirkung nicht, die es haben wuͤrde. §. 476.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/100>, abgerufen am 16.04.2024.