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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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Die boten dannen furen uzer Hunenlant
Zu den Burgonden, dar waren si gesant,
Nach drien edeln kunigen und ouch nach ir man;
Si solden komen Etzele. des man do gahen began.

Wir sind gewohnt dergleichen Anfänge mitten in der
Erzählung gerade für eine epische Manier zu halten: al-
lein man muß gestehen, daß diese Ansicht eben auch nur
aus den Homerischen Gesängen genommen ist, in denen ge-
rade dasselbe neue Anheben und ein neues Einführen schon
bekannter Personen am Anfang der einzelnen Lieder sehr
gewöhnlich ist 17).

Und so müssen wir eben dahin auch die Stelle rech-
nen (Z. 6581 ff.), wo Eckewart Günthern versprochen hat,
ihn und die Seinen bei Rüdiger anzumelden, und nach
der Erzählung davon ganz wie von vorn angefangen
wird:
Man sach ze Bechelaren ilen einen degen;
Selbe erkande in Rüdger; er sprach: uf disen wegen
Dort her gahet Eckewart, ein Kriemhilde man.
Er wande, daz die viende im leide heten getan 18).

Den Beweis, daß hier ein neues von dem vorigen unab-
hängiges Lied anhebe, verstärkt noch ferner der Umstand,
daß gerade in dem Folgenden und selbst schon in Ecke-
warts Bothschaft auch Volker in die Reihe der übrigen
tritt, mit dessen Erwähnung in dem Vorigen es, wie oben
gezeigt worden, seine eigene Bewandtniß hat, und der selbst
da, wo man Eckewart schlafend gefunden, noch nicht ge-
nannt wurde.

Aber auch eben diese zunächst vorhergehende Erzäh-
lung von Eckewart zieht unsere Aufmerksamkeit insbeson-

Die boten dannen fůren uzer Hu̓nenlant
Zů den Burgonden, dar waren ſi geſant,
Nach drien edeln ku̓nigen und oͧch nach ir man;
Si ſolden komen Etzele. des man do gahen began.

Wir ſind gewohnt dergleichen Anfänge mitten in der
Erzählung gerade für eine epiſche Manier zu halten: al-
lein man muß geſtehen, daß dieſe Anſicht eben auch nur
aus den Homeriſchen Geſängen genommen iſt, in denen ge-
rade daſſelbe neue Anheben und ein neues Einführen ſchon
bekannter Perſonen am Anfang der einzelnen Lieder ſehr
gewöhnlich iſt 17).

Und ſo müſſen wir eben dahin auch die Stelle rech-
nen (Z. 6581 ff.), wo Eckewart Günthern verſprochen hat,
ihn und die Seinen bei Rüdiger anzumelden, und nach
der Erzählung davon ganz wie von vorn angefangen
wird:
Man ſach ze Bechelaren ilen einen degen;
Selbe erkande in Rüdger; er ſprach: uf diſen wegen
Dort her gahet Eckewart, ein Kriemhilde man.
Er wande, daz die viende im leide heten getan 18).

Den Beweis, daß hier ein neues von dem vorigen unab-
hängiges Lied anhebe, verſtärkt noch ferner der Umſtand,
daß gerade in dem Folgenden und ſelbſt ſchon in Ecke-
warts Bothſchaft auch Volker in die Reihe der übrigen
tritt, mit deſſen Erwähnung in dem Vorigen es, wie oben
gezeigt worden, ſeine eigene Bewandtniß hat, und der ſelbſt
da, wo man Eckewart ſchlafend gefunden, noch nicht ge-
nannt wurde.

Aber auch eben dieſe zunächſt vorhergehende Erzäh-
lung von Eckewart zieht unſere Aufmerkſamkeit insbeſon-

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[25/0033] Die boten dannen fůren uzer Hu̓nenlant Zů den Burgonden, dar waren ſi geſant, Nach drien edeln ku̓nigen und oͧch nach ir man; Si ſolden komen Etzele. des man do gahen began. Wir ſind gewohnt dergleichen Anfänge mitten in der Erzählung gerade für eine epiſche Manier zu halten: al- lein man muß geſtehen, daß dieſe Anſicht eben auch nur aus den Homeriſchen Geſängen genommen iſt, in denen ge- rade daſſelbe neue Anheben und ein neues Einführen ſchon bekannter Perſonen am Anfang der einzelnen Lieder ſehr gewöhnlich iſt ¹⁷⁾ . Und ſo müſſen wir eben dahin auch die Stelle rech- nen (Z. 6581 ff.), wo Eckewart Günthern verſprochen hat, ihn und die Seinen bei Rüdiger anzumelden, und nach der Erzählung davon ganz wie von vorn angefangen wird: Man ſach ze Bechelaren ilen einen degen; Selbe erkande in Rüdger; er ſprach: uf diſen wegen Dort her gahet Eckewart, ein Kriemhilde man. Er wande, daz die viende im leide heten getan ¹⁸⁾ . Den Beweis, daß hier ein neues von dem vorigen unab- hängiges Lied anhebe, verſtärkt noch ferner der Umſtand, daß gerade in dem Folgenden und ſelbſt ſchon in Ecke- warts Bothſchaft auch Volker in die Reihe der übrigen tritt, mit deſſen Erwähnung in dem Vorigen es, wie oben gezeigt worden, ſeine eigene Bewandtniß hat, und der ſelbſt da, wo man Eckewart ſchlafend gefunden, noch nicht ge- nannt wurde. Aber auch eben dieſe zunächſt vorhergehende Erzäh- lung von Eckewart zieht unſere Aufmerkſamkeit insbeſon-

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/33>, abgerufen am 20.04.2024.