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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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Freund: aber es ist doch wunderbar auffallend, daß der
eben erst Eingeführte jetzt auf einmahl schon so mächtig
mit einspricht.

Kriemhild fragt die rückkehrenden Boten, wer von ih-
ren Verwandten aus Burgund kommen werde. Sie erklä-
ren, die drei Könige würden kommen; wer noch mit
ihnen, könnten sie nicht sagen:
Ez lobte mit in riten Volker der küne spileman.
Es ist wunderbar genug, daß sie ihn gerade nennen, und
nicht einmahl Hagen, nach dem die Königinn bestimmt ge-
fragt hatte. Späterhin aber wird sich uns noch etwas
anderes zeigen, das diese ganze Stelle (Z. 6009 -- 6024)
verdächtig macht.

6.

Auf der Reise der Burgunden nach Ungarn wird Vol-
ker, ehe sie nach Bechlaren kommen, noch einigemahle er-
wähnt.

Die erste Stelle ist gar sehr verworren, theils eben
durch Volkers Erwähnung, theils durch andere noch bedeu-
tendere Interpolationen, wie sich dies sogleich ergeben
wird, wenn wir den Inhalt der dazu gehörigen Strophen
verfolgen (Z. 6301 -- 6384). Hagen läßt Gold und Klei-
der in das Schiff tragen, dann setzt er alle nach und nach
über. Dabei wird des Königs Kapellan ins Wasser ge-
worfen und rettet sich nur mit Mühe. Als sie das Schiff
entladen und ihre Sachen herausgenommen, schlägt es
Hagen in Stücken und wirft es in die Flut. Dankwart
fragt, wie es nun bei der Rückreise werden solle;
Sit do sagete in Hagene, daz des kunde niht gesin.

Freund: aber es iſt doch wunderbar auffallend, daß der
eben erſt Eingeführte jetzt auf einmahl ſchon ſo mächtig
mit einſpricht.

Kriemhild fragt die rückkehrenden Boten, wer von ih-
ren Verwandten aus Burgund kommen werde. Sie erklä-
ren, die drei Könige würden kommen; wer noch mit
ihnen, könnten ſie nicht ſagen:
Ez lobte mit in riten Volker der küne ſpileman.
Es iſt wunderbar genug, daß ſie ihn gerade nennen, und
nicht einmahl Hagen, nach dem die Königinn beſtimmt ge-
fragt hatte. Späterhin aber wird ſich uns noch etwas
anderes zeigen, das dieſe ganze Stelle (Z. 6009 — 6024)
verdächtig macht.

6.

Auf der Reiſe der Burgunden nach Ungarn wird Vol-
ker, ehe ſie nach Bechlaren kommen, noch einigemahle er-
wähnt.

Die erſte Stelle iſt gar ſehr verworren, theils eben
durch Volkers Erwähnung, theils durch andere noch bedeu-
tendere Interpolationen, wie ſich dies ſogleich ergeben
wird, wenn wir den Inhalt der dazu gehörigen Strophen
verfolgen (Z. 6301 — 6384). Hagen läßt Gold und Klei-
der in das Schiff tragen, dann ſetzt er alle nach und nach
über. Dabei wird des Königs Kapellan ins Waſſer ge-
worfen und rettet ſich nur mit Mühe. Als ſie das Schiff
entladen und ihre Sachen herausgenommen, ſchlägt es
Hagen in Stücken und wirft es in die Flut. Dankwart
fragt, wie es nun bei der Rückreiſe werden ſolle;
Sit do ſagete in Hagene, daz des kunde niht geſin.

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[15/0023] Freund: aber es iſt doch wunderbar auffallend, daß der eben erſt Eingeführte jetzt auf einmahl ſchon ſo mächtig mit einſpricht. Kriemhild fragt die rückkehrenden Boten, wer von ih- ren Verwandten aus Burgund kommen werde. Sie erklä- ren, die drei Könige würden kommen; wer noch mit ihnen, könnten ſie nicht ſagen: Ez lobte mit in riten Volker der küne ſpileman. Es iſt wunderbar genug, daß ſie ihn gerade nennen, und nicht einmahl Hagen, nach dem die Königinn beſtimmt ge- fragt hatte. Späterhin aber wird ſich uns noch etwas anderes zeigen, das dieſe ganze Stelle (Z. 6009 — 6024) verdächtig macht. 6. Auf der Reiſe der Burgunden nach Ungarn wird Vol- ker, ehe ſie nach Bechlaren kommen, noch einigemahle er- wähnt. Die erſte Stelle iſt gar ſehr verworren, theils eben durch Volkers Erwähnung, theils durch andere noch bedeu- tendere Interpolationen, wie ſich dies ſogleich ergeben wird, wenn wir den Inhalt der dazu gehörigen Strophen verfolgen (Z. 6301 — 6384). Hagen läßt Gold und Klei- der in das Schiff tragen, dann ſetzt er alle nach und nach über. Dabei wird des Königs Kapellan ins Waſſer ge- worfen und rettet ſich nur mit Mühe. Als ſie das Schiff entladen und ihre Sachen herausgenommen, ſchlägt es Hagen in Stücken und wirft es in die Flut. Dankwart fragt, wie es nun bei der Rückreiſe werden ſolle; Sit do ſagete in Hagene, daz des kunde niht geſin.

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/23>, abgerufen am 19.04.2024.