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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
vom Preußischen Abgeordneten-Hause gegebenen Beispiele folgend,
nicht ohne erhebliche Modifikationen des Reichswahlgesetzes von
1849 1); und in der überwiegenden Mehrzahl wurde dem zu wählen-
den Reichstage nur die Befugniß zur "Berathung" der Verfassung
ertheilt.

Es konnte mithin die eine, der im Art. 5 des Augustbünd-
nisses übernommenen Verpflichtungen, die Parlamentswahlen an-
zuordnen und das Parlament gemeinsam einzuberufen, von allen
Staaten erfüllt werden.

Ebenso wurde die zweite daselbst stipulirte Vereinbarung aus-
geführt. Bevollmächtigte Vertreter aller verbündeten Staaten
traten auf Grund von Einladungsschreiben, welche die Preußische
Regierung am 21. November erlassen hatte, am 15. Dezember 1866
in Berlin zu Conferenzen zusammen, um einen Entwurf einer Ver-
fassung zu vereinbaren.

Fürst Bismarck legte Namens der Preußischen Regierung
einen Entwurf vor 2), welcher eine weitere Ausführung der Grund-
züge vom 10. Juni 1866 ist und im Hinblick auf die letzteren als
der II. Entwurf der Verfassung bezeichnet werden kann. Die
Verhandlungen über diesen Entwurf waren vertrauliche; über
die Diskussion der einzelnen Artikel und die von den Regierungen
gestellten Amendements sind Protokolle nicht veröffentlicht worden.
Dagegen sind die Resultate der Berathungen in der Form von
Protokollen festgestellt und publizirt worden. Es giebt vier
solcher Protokolle.

Das erste vom 18. Januar 1867 3) über die "erste förmliche
Sitzung" constatirt den einstimmigen Beschluß der Bevollmächtigten,
daß die Krone Preußen dem einzuberufenden Reichstage gegenüber
zur einheitlichen Vertretung der verbündeten Regierungen ermächtigt

1) Eine vollständige Sammlung aller dieser Wahlgesetze und der zu ihrer
Ausführung ergangenen Verordnungen und Reglements enthält das 2. Heft
des I. Bandes von Glaser's Archiv des Nordd. Bundes.
2) Veröffentlicht zuerst von Hänel in den Studien zum deutschen Staats-
recht (Leipzig 1873) I. S. 270 ff.; über den Entwurf brachte aber bereits die Pro-
vinzial-Correspondenz vom 19. Dezember 1866 ausführliche Mittheilungen.
Vgl. Hahn S. 483--485.
3) Stenogr. Berichte des verfassungber. Reichstags. Anlage Nr. 8.
und 10. Hahn S. 486. Glaser I, 3. S. 1. Staatsarchiv XII. 2725 (S. 353).

§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
vom Preußiſchen Abgeordneten-Hauſe gegebenen Beiſpiele folgend,
nicht ohne erhebliche Modifikationen des Reichswahlgeſetzes von
1849 1); und in der überwiegenden Mehrzahl wurde dem zu wählen-
den Reichstage nur die Befugniß zur „Berathung“ der Verfaſſung
ertheilt.

Es konnte mithin die eine, der im Art. 5 des Auguſtbünd-
niſſes übernommenen Verpflichtungen, die Parlamentswahlen an-
zuordnen und das Parlament gemeinſam einzuberufen, von allen
Staaten erfüllt werden.

Ebenſo wurde die zweite daſelbſt ſtipulirte Vereinbarung aus-
geführt. Bevollmächtigte Vertreter aller verbündeten Staaten
traten auf Grund von Einladungsſchreiben, welche die Preußiſche
Regierung am 21. November erlaſſen hatte, am 15. Dezember 1866
in Berlin zu Conferenzen zuſammen, um einen Entwurf einer Ver-
faſſung zu vereinbaren.

Fürſt Bismarck legte Namens der Preußiſchen Regierung
einen Entwurf vor 2), welcher eine weitere Ausführung der Grund-
züge vom 10. Juni 1866 iſt und im Hinblick auf die letzteren als
der II. Entwurf der Verfaſſung bezeichnet werden kann. Die
Verhandlungen über dieſen Entwurf waren vertrauliche; über
die Diskuſſion der einzelnen Artikel und die von den Regierungen
geſtellten Amendements ſind Protokolle nicht veröffentlicht worden.
Dagegen ſind die Reſultate der Berathungen in der Form von
Protokollen feſtgeſtellt und publizirt worden. Es giebt vier
ſolcher Protokolle.

Das erſte vom 18. Januar 1867 3) über die „erſte förmliche
Sitzung“ conſtatirt den einſtimmigen Beſchluß der Bevollmächtigten,
daß die Krone Preußen dem einzuberufenden Reichstage gegenüber
zur einheitlichen Vertretung der verbündeten Regierungen ermächtigt

1) Eine vollſtändige Sammlung aller dieſer Wahlgeſetze und der zu ihrer
Ausführung ergangenen Verordnungen und Reglements enthält das 2. Heft
des I. Bandes von Glaſer’s Archiv des Nordd. Bundes.
2) Veröffentlicht zuerſt von Hänel in den Studien zum deutſchen Staats-
recht (Leipzig 1873) I. S. 270 ff.; über den Entwurf brachte aber bereits die Pro-
vinzial-Correſpondenz vom 19. Dezember 1866 ausführliche Mittheilungen.
Vgl. Hahn S. 483—485.
3) Stenogr. Berichte des verfaſſungber. Reichstags. Anlage Nr. 8.
und 10. Hahn S. 486. Glaſer I, 3. S. 1. Staatsarchiv XII. 2725 (S. 353).
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[21/0041] §. 2. Die Gründung des nordd. Bundes. vom Preußiſchen Abgeordneten-Hauſe gegebenen Beiſpiele folgend, nicht ohne erhebliche Modifikationen des Reichswahlgeſetzes von 1849 1); und in der überwiegenden Mehrzahl wurde dem zu wählen- den Reichstage nur die Befugniß zur „Berathung“ der Verfaſſung ertheilt. Es konnte mithin die eine, der im Art. 5 des Auguſtbünd- niſſes übernommenen Verpflichtungen, die Parlamentswahlen an- zuordnen und das Parlament gemeinſam einzuberufen, von allen Staaten erfüllt werden. Ebenſo wurde die zweite daſelbſt ſtipulirte Vereinbarung aus- geführt. Bevollmächtigte Vertreter aller verbündeten Staaten traten auf Grund von Einladungsſchreiben, welche die Preußiſche Regierung am 21. November erlaſſen hatte, am 15. Dezember 1866 in Berlin zu Conferenzen zuſammen, um einen Entwurf einer Ver- faſſung zu vereinbaren. Fürſt Bismarck legte Namens der Preußiſchen Regierung einen Entwurf vor 2), welcher eine weitere Ausführung der Grund- züge vom 10. Juni 1866 iſt und im Hinblick auf die letzteren als der II. Entwurf der Verfaſſung bezeichnet werden kann. Die Verhandlungen über dieſen Entwurf waren vertrauliche; über die Diskuſſion der einzelnen Artikel und die von den Regierungen geſtellten Amendements ſind Protokolle nicht veröffentlicht worden. Dagegen ſind die Reſultate der Berathungen in der Form von Protokollen feſtgeſtellt und publizirt worden. Es giebt vier ſolcher Protokolle. Das erſte vom 18. Januar 1867 3) über die „erſte förmliche Sitzung“ conſtatirt den einſtimmigen Beſchluß der Bevollmächtigten, daß die Krone Preußen dem einzuberufenden Reichstage gegenüber zur einheitlichen Vertretung der verbündeten Regierungen ermächtigt 1) Eine vollſtändige Sammlung aller dieſer Wahlgeſetze und der zu ihrer Ausführung ergangenen Verordnungen und Reglements enthält das 2. Heft des I. Bandes von Glaſer’s Archiv des Nordd. Bundes. 2) Veröffentlicht zuerſt von Hänel in den Studien zum deutſchen Staats- recht (Leipzig 1873) I. S. 270 ff.; über den Entwurf brachte aber bereits die Pro- vinzial-Correſpondenz vom 19. Dezember 1866 ausführliche Mittheilungen. Vgl. Hahn S. 483—485. 3) Stenogr. Berichte des verfaſſungber. Reichstags. Anlage Nr. 8. und 10. Hahn S. 486. Glaſer I, 3. S. 1. Staatsarchiv XII. 2725 (S. 353).

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/41>, abgerufen am 19.04.2024.