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Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mannesalter den Befehlshaberstellen näher, -- war daher das unermüdlich Streben jedes Schülers, und folglich auch des ehrgeizigen John. In der ersten Klasse trugen die ältesten Cadetten schon den Namen Unteroffizier. John war unter diesen einer der ältesten. Beide vorerwähnte Jünglinge, auf welchen besonders das anerkennende Vaterauge des scharfsichtigen Chefs haftete, waren unter den Jüngern derselben Klasse. Noch ein Examen stand bevor, und mit ihm gewiß die Ertheilung des Offizierzeichens; obgleich aber von dieser Hoffnung trunken, zitterte er doch, daß jene beiden Jünglinge, die mit Riesenschritten vorgerückt waren, und von denen der ältere noch nicht das neunzehnte Jahr zurückgelegt, selbst indem letzten Augenblicke ihm, nach dem gewöhnlichen Ausdruck, vorbeispringen möchten.

Jeder von diesen arbeitete still für sich, sie sahen sich oft mit einem trotzigen, beinahe herausfordernden Blicke an; allein dabei blieb's ; denn beide, edel gesinnt und alle kleinlichen Mittel verabscheuend, fanden sich gegenüber keinen Anlaß zu einem offenen Bruch; obgleich mehrere ihrer Gefährten zu bemerken glaubten, daß John heimlich dahin arbeitete, indem er vielleicht hoffte, von einer Gewaltthat, die beiden Schaden bringen würde, einen Vortheil zu ziehen, den er von seinen Talenten und seinem Fleiße nicht erwarten dürfe. Die Zeit der Prüfung fiel wie gewöhnlich kurz vor dem Geburtstage des Königs, um durch ihren fröhlichen Erfolg die Begeisterung und die Liebe zu er-

Mannesalter den Befehlshaberstellen näher, — war daher das unermüdlich Streben jedes Schülers, und folglich auch des ehrgeizigen John. In der ersten Klasse trugen die ältesten Cadetten schon den Namen Unteroffizier. John war unter diesen einer der ältesten. Beide vorerwähnte Jünglinge, auf welchen besonders das anerkennende Vaterauge des scharfsichtigen Chefs haftete, waren unter den Jüngern derselben Klasse. Noch ein Examen stand bevor, und mit ihm gewiß die Ertheilung des Offizierzeichens; obgleich aber von dieser Hoffnung trunken, zitterte er doch, daß jene beiden Jünglinge, die mit Riesenschritten vorgerückt waren, und von denen der ältere noch nicht das neunzehnte Jahr zurückgelegt, selbst indem letzten Augenblicke ihm, nach dem gewöhnlichen Ausdruck, vorbeispringen möchten.

Jeder von diesen arbeitete still für sich, sie sahen sich oft mit einem trotzigen, beinahe herausfordernden Blicke an; allein dabei blieb's ; denn beide, edel gesinnt und alle kleinlichen Mittel verabscheuend, fanden sich gegenüber keinen Anlaß zu einem offenen Bruch; obgleich mehrere ihrer Gefährten zu bemerken glaubten, daß John heimlich dahin arbeitete, indem er vielleicht hoffte, von einer Gewaltthat, die beiden Schaden bringen würde, einen Vortheil zu ziehen, den er von seinen Talenten und seinem Fleiße nicht erwarten dürfe. Die Zeit der Prüfung fiel wie gewöhnlich kurz vor dem Geburtstage des Königs, um durch ihren fröhlichen Erfolg die Begeisterung und die Liebe zu er-

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[0012] Mannesalter den Befehlshaberstellen näher, — war daher das unermüdlich Streben jedes Schülers, und folglich auch des ehrgeizigen John. In der ersten Klasse trugen die ältesten Cadetten schon den Namen Unteroffizier. John war unter diesen einer der ältesten. Beide vorerwähnte Jünglinge, auf welchen besonders das anerkennende Vaterauge des scharfsichtigen Chefs haftete, waren unter den Jüngern derselben Klasse. Noch ein Examen stand bevor, und mit ihm gewiß die Ertheilung des Offizierzeichens; obgleich aber von dieser Hoffnung trunken, zitterte er doch, daß jene beiden Jünglinge, die mit Riesenschritten vorgerückt waren, und von denen der ältere noch nicht das neunzehnte Jahr zurückgelegt, selbst indem letzten Augenblicke ihm, nach dem gewöhnlichen Ausdruck, vorbeispringen möchten. Jeder von diesen arbeitete still für sich, sie sahen sich oft mit einem trotzigen, beinahe herausfordernden Blicke an; allein dabei blieb's ; denn beide, edel gesinnt und alle kleinlichen Mittel verabscheuend, fanden sich gegenüber keinen Anlaß zu einem offenen Bruch; obgleich mehrere ihrer Gefährten zu bemerken glaubten, daß John heimlich dahin arbeitete, indem er vielleicht hoffte, von einer Gewaltthat, die beiden Schaden bringen würde, einen Vortheil zu ziehen, den er von seinen Talenten und seinem Fleiße nicht erwarten dürfe. Die Zeit der Prüfung fiel wie gewöhnlich kurz vor dem Geburtstage des Königs, um durch ihren fröhlichen Erfolg die Begeisterung und die Liebe zu er-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:52:36Z)

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Zitationshilfe: Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/12>, abgerufen am 28.03.2024.