Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918.

Bild:
<< vorherige Seite

stehen, die sachlichen Jnteressen von den persönlichen zu trennen, oder
werden sie das häßliche Gefühl eines gelegentlichen Beleidigtseins im
öffentlichen Leben mit hineinnehmen in ihren Familien- und Freund-
schaftsverkehr? Das ist ein Punkt, der fraglos manchen schwer werden
wird. Sie können nun einmal ihren Verstand nicht immer kühl über
ihr Herz stellen, sie fassen alle Dinge mit dem persönlichen Gefühl
auf. Darin liegt ja zugleich auch die ganze große Stärke der
mütterlichen Frau, denn Mutter sein heißt das wärmste Empfinden
haben, das es auf dieser Erde gibt. Aber es wird zu einer Schwäche,
wenn aus der Fähigkeit zu lebendigem Empfinden eine störende
Empfindlichkeit wird. Die Sache, für die sie eintreten, für
wichtiger zu halten, als sich selbst, darauf kommt es an, und daran
zu denken, daß der Gegner seine Meinung so hartnäckig verteidigt,
um der Sache zu dienen, und nicht um jemanden zu kränken. Bei
Sportleuten, z. B. bei Ringkämpfern, ist es eine gute Sitte, daß sich
nach beendetem Kampf Sieger und Besiegter die Hand schütteln, zum
Zeichen, daß der Kampf und sein Ausgang die persönliche Achtung
des einen Menschen vor dem anderen nicht beeinträchtigt; gerade so
sollte es im politischen Leben sein.

Und was die Zeit betrifft, die die Politik der Frau kosten wird,
so sei erst einmal daran erinnert, wie viel Muße sie oft noch zu
überflüssigem Gerede hat. Wenn von der Zeit etwas dem Gesamt-
wohl gewidmet würde, so brächte das keinen Schaden. Wohl werden
bei den meisten Frauen Jahre sein, namentlich wenn sie kleine Kinder
zu versorgen haben, in denen es für sie schwer ist, Kraft und Zeit
noch an äußere Pflichten zu setzen; aber es gibt doch auch andere
Jahre vorher und nachher, in denen die Möglichkeit vorhanden ist,
hin und wieder eine Versammlung zu besuchen und sich mit den
öffentlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Die Anteilnahme an
Jnteressen außerhalb seiner einförmigen Alltagsarbeit hat schon manchem
Menschen neue Kraft und Freudigkeit gebracht, und das Gefühl einer
höheren Verantwortung als der für das eigne kleine tägliche Leben
bedeutet schon jetzt für Unzählige Erhöhung und Erhebung aus
Selbstsucht und Stumpfheit.

Ferner, es darf nicht der Frauen Ehrgeiz sein, den Mann nach-
zuahmen. Der Wert ihrer Anteilnahme an der Politik kann nur
darin liegen, daß sie das Beste ihrer weiblichen Art mit hineintragen
in ihre Arbeit am Gesamtwohl. Verfallen sie in die Wesensart
der Männer, so müssen sie unterliegen, denn sie sind ihnen an äußerlicher
Kraft nicht gewachsen. Es muß ihnen stets eine Ehre bleiben, wenn
man es ihrer Arbeit ansieht, daß eine Frau sie gemacht hat, und
die beiden Begriffe, ein weibischer Mann und ein männisches Weib
sollen gleich verächtlich sein.

Und nun das allerletzte: Wie finden die Frauen eine gesunde
Vereinigung der beiden großen Pflichtenkreise, der Pflicht nach innen
zu gegen ihr eigenes Herz, gegen ihre Familie, gegen Mann und
Kinder und auf der anderen Seite gegen das öffentliche Leben, sei
es im Beruf oder im Dienst am Gemeinwohl. Die Frau früherer

stehen, die sachlichen Jnteressen von den persönlichen zu trennen, oder
werden sie das häßliche Gefühl eines gelegentlichen Beleidigtseins im
öffentlichen Leben mit hineinnehmen in ihren Familien- und Freund-
schaftsverkehr? Das ist ein Punkt, der fraglos manchen schwer werden
wird. Sie können nun einmal ihren Verstand nicht immer kühl über
ihr Herz stellen, sie fassen alle Dinge mit dem persönlichen Gefühl
auf. Darin liegt ja zugleich auch die ganze große Stärke der
mütterlichen Frau, denn Mutter sein heißt das wärmste Empfinden
haben, das es auf dieser Erde gibt. Aber es wird zu einer Schwäche,
wenn aus der Fähigkeit zu lebendigem Empfinden eine störende
Empfindlichkeit wird. Die Sache, für die sie eintreten, für
wichtiger zu halten, als sich selbst, darauf kommt es an, und daran
zu denken, daß der Gegner seine Meinung so hartnäckig verteidigt,
um der Sache zu dienen, und nicht um jemanden zu kränken. Bei
Sportleuten, z. B. bei Ringkämpfern, ist es eine gute Sitte, daß sich
nach beendetem Kampf Sieger und Besiegter die Hand schütteln, zum
Zeichen, daß der Kampf und sein Ausgang die persönliche Achtung
des einen Menschen vor dem anderen nicht beeinträchtigt; gerade so
sollte es im politischen Leben sein.

Und was die Zeit betrifft, die die Politik der Frau kosten wird,
so sei erst einmal daran erinnert, wie viel Muße sie oft noch zu
überflüssigem Gerede hat. Wenn von der Zeit etwas dem Gesamt-
wohl gewidmet würde, so brächte das keinen Schaden. Wohl werden
bei den meisten Frauen Jahre sein, namentlich wenn sie kleine Kinder
zu versorgen haben, in denen es für sie schwer ist, Kraft und Zeit
noch an äußere Pflichten zu setzen; aber es gibt doch auch andere
Jahre vorher und nachher, in denen die Möglichkeit vorhanden ist,
hin und wieder eine Versammlung zu besuchen und sich mit den
öffentlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Die Anteilnahme an
Jnteressen außerhalb seiner einförmigen Alltagsarbeit hat schon manchem
Menschen neue Kraft und Freudigkeit gebracht, und das Gefühl einer
höheren Verantwortung als der für das eigne kleine tägliche Leben
bedeutet schon jetzt für Unzählige Erhöhung und Erhebung aus
Selbstsucht und Stumpfheit.

Ferner, es darf nicht der Frauen Ehrgeiz sein, den Mann nach-
zuahmen. Der Wert ihrer Anteilnahme an der Politik kann nur
darin liegen, daß sie das Beste ihrer weiblichen Art mit hineintragen
in ihre Arbeit am Gesamtwohl. Verfallen sie in die Wesensart
der Männer, so müssen sie unterliegen, denn sie sind ihnen an äußerlicher
Kraft nicht gewachsen. Es muß ihnen stets eine Ehre bleiben, wenn
man es ihrer Arbeit ansieht, daß eine Frau sie gemacht hat, und
die beiden Begriffe, ein weibischer Mann und ein männisches Weib
sollen gleich verächtlich sein.

Und nun das allerletzte: Wie finden die Frauen eine gesunde
Vereinigung der beiden großen Pflichtenkreise, der Pflicht nach innen
zu gegen ihr eigenes Herz, gegen ihre Familie, gegen Mann und
Kinder und auf der anderen Seite gegen das öffentliche Leben, sei
es im Beruf oder im Dienst am Gemeinwohl. Die Frau früherer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0018" n="18"/>
stehen, die sachlichen Jnteressen von den persönlichen zu trennen, oder<lb/>
werden sie das häßliche Gefühl eines gelegentlichen Beleidigtseins im<lb/>
öffentlichen Leben mit hineinnehmen in ihren Familien- und Freund-<lb/>
schaftsverkehr? Das ist ein Punkt, der fraglos manchen schwer werden<lb/>
wird. Sie können nun einmal ihren Verstand nicht immer kühl über<lb/>
ihr Herz stellen, sie fassen alle Dinge mit dem persönlichen Gefühl<lb/>
auf. Darin liegt ja zugleich auch die ganze große Stärke der<lb/>
mütterlichen Frau, denn Mutter sein heißt das wärmste Empfinden<lb/>
haben, das es auf dieser Erde gibt. Aber es wird zu einer Schwäche,<lb/>
wenn aus der Fähigkeit zu lebendigem Empfinden eine störende<lb/><hi rendition="#g">Empfindlichkeit</hi> wird. Die <hi rendition="#g">Sache</hi>, für die sie eintreten, für<lb/>
wichtiger zu halten, als sich selbst, <hi rendition="#g">darauf</hi> kommt es an, und daran<lb/>
zu denken, daß der Gegner seine Meinung so hartnäckig verteidigt,<lb/>
um der Sache zu dienen, und nicht um jemanden zu kränken. Bei<lb/>
Sportleuten, z. B. bei Ringkämpfern, ist es eine gute Sitte, daß sich<lb/>
nach beendetem Kampf Sieger und Besiegter die Hand schütteln, zum<lb/>
Zeichen, daß der Kampf und sein Ausgang die persönliche Achtung<lb/>
des einen Menschen vor dem anderen nicht beeinträchtigt; gerade so<lb/>
sollte es im politischen Leben sein.</p><lb/>
        <p>Und was die Zeit betrifft, die die Politik der Frau kosten wird,<lb/>
so sei erst einmal daran erinnert, wie viel Muße sie oft noch zu<lb/>
überflüssigem Gerede hat. Wenn von der Zeit etwas dem Gesamt-<lb/>
wohl gewidmet würde, so brächte das keinen Schaden. Wohl werden<lb/>
bei den meisten Frauen Jahre sein, namentlich wenn sie kleine Kinder<lb/>
zu versorgen haben, in denen es für sie schwer ist, Kraft und Zeit<lb/>
noch an äußere Pflichten zu setzen; aber es gibt doch auch andere<lb/>
Jahre vorher und nachher, in denen die Möglichkeit vorhanden ist,<lb/>
hin und wieder eine Versammlung zu besuchen und sich mit den<lb/>
öffentlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Die Anteilnahme an<lb/>
Jnteressen außerhalb seiner einförmigen Alltagsarbeit hat schon manchem<lb/>
Menschen neue Kraft und Freudigkeit gebracht, und das Gefühl einer<lb/>
höheren Verantwortung als der für das eigne kleine tägliche Leben<lb/>
bedeutet schon jetzt für Unzählige Erhöhung und Erhebung aus<lb/>
Selbstsucht und Stumpfheit.</p><lb/>
        <p>Ferner, es darf nicht der Frauen Ehrgeiz sein, den Mann nach-<lb/>
zuahmen. Der Wert ihrer Anteilnahme an der Politik kann nur<lb/>
darin liegen, daß sie das Beste ihrer weiblichen Art mit hineintragen<lb/>
in ihre Arbeit am Gesamtwohl. Verfallen sie in die Wesensart<lb/>
der Männer, so müssen sie unterliegen, denn sie sind ihnen an äußerlicher<lb/>
Kraft nicht gewachsen. Es muß ihnen stets eine Ehre bleiben, wenn<lb/>
man es ihrer Arbeit ansieht, daß eine Frau sie gemacht hat, und<lb/>
die beiden Begriffe, ein weibischer Mann und ein männisches Weib<lb/>
sollen gleich verächtlich sein.</p><lb/>
        <p>Und nun das allerletzte: Wie finden die Frauen eine gesunde<lb/>
Vereinigung der beiden großen Pflichtenkreise, der Pflicht nach innen<lb/>
zu gegen ihr eigenes Herz, gegen ihre Familie, gegen Mann und<lb/>
Kinder und auf der anderen Seite gegen das öffentliche Leben, sei<lb/>
es im Beruf oder im Dienst am Gemeinwohl. Die Frau früherer<lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0018] stehen, die sachlichen Jnteressen von den persönlichen zu trennen, oder werden sie das häßliche Gefühl eines gelegentlichen Beleidigtseins im öffentlichen Leben mit hineinnehmen in ihren Familien- und Freund- schaftsverkehr? Das ist ein Punkt, der fraglos manchen schwer werden wird. Sie können nun einmal ihren Verstand nicht immer kühl über ihr Herz stellen, sie fassen alle Dinge mit dem persönlichen Gefühl auf. Darin liegt ja zugleich auch die ganze große Stärke der mütterlichen Frau, denn Mutter sein heißt das wärmste Empfinden haben, das es auf dieser Erde gibt. Aber es wird zu einer Schwäche, wenn aus der Fähigkeit zu lebendigem Empfinden eine störende Empfindlichkeit wird. Die Sache, für die sie eintreten, für wichtiger zu halten, als sich selbst, darauf kommt es an, und daran zu denken, daß der Gegner seine Meinung so hartnäckig verteidigt, um der Sache zu dienen, und nicht um jemanden zu kränken. Bei Sportleuten, z. B. bei Ringkämpfern, ist es eine gute Sitte, daß sich nach beendetem Kampf Sieger und Besiegter die Hand schütteln, zum Zeichen, daß der Kampf und sein Ausgang die persönliche Achtung des einen Menschen vor dem anderen nicht beeinträchtigt; gerade so sollte es im politischen Leben sein. Und was die Zeit betrifft, die die Politik der Frau kosten wird, so sei erst einmal daran erinnert, wie viel Muße sie oft noch zu überflüssigem Gerede hat. Wenn von der Zeit etwas dem Gesamt- wohl gewidmet würde, so brächte das keinen Schaden. Wohl werden bei den meisten Frauen Jahre sein, namentlich wenn sie kleine Kinder zu versorgen haben, in denen es für sie schwer ist, Kraft und Zeit noch an äußere Pflichten zu setzen; aber es gibt doch auch andere Jahre vorher und nachher, in denen die Möglichkeit vorhanden ist, hin und wieder eine Versammlung zu besuchen und sich mit den öffentlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Die Anteilnahme an Jnteressen außerhalb seiner einförmigen Alltagsarbeit hat schon manchem Menschen neue Kraft und Freudigkeit gebracht, und das Gefühl einer höheren Verantwortung als der für das eigne kleine tägliche Leben bedeutet schon jetzt für Unzählige Erhöhung und Erhebung aus Selbstsucht und Stumpfheit. Ferner, es darf nicht der Frauen Ehrgeiz sein, den Mann nach- zuahmen. Der Wert ihrer Anteilnahme an der Politik kann nur darin liegen, daß sie das Beste ihrer weiblichen Art mit hineintragen in ihre Arbeit am Gesamtwohl. Verfallen sie in die Wesensart der Männer, so müssen sie unterliegen, denn sie sind ihnen an äußerlicher Kraft nicht gewachsen. Es muß ihnen stets eine Ehre bleiben, wenn man es ihrer Arbeit ansieht, daß eine Frau sie gemacht hat, und die beiden Begriffe, ein weibischer Mann und ein männisches Weib sollen gleich verächtlich sein. Und nun das allerletzte: Wie finden die Frauen eine gesunde Vereinigung der beiden großen Pflichtenkreise, der Pflicht nach innen zu gegen ihr eigenes Herz, gegen ihre Familie, gegen Mann und Kinder und auf der anderen Seite gegen das öffentliche Leben, sei es im Beruf oder im Dienst am Gemeinwohl. Die Frau früherer  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-24T15:36:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-11-24T15:36:09Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918/18
Zitationshilfe: Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918/18>, abgerufen am 23.04.2024.