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Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918.

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der Regierung eintritt, ist eine demokratische. Jn diesem Sinne
sprechen wir auch von der künftigen Gestaltung Deutschlands als von
einer demokratischen Republik. Die Sozialdemokratie verbindet nun
mit diesem Gedanken der Volksherrschaft das Programm ihres
sozialistischen Zukunftsstaates, in dem die Herstellungsmittel in der
Volkswirtschaft, also z. B. Grund und Boden, Arbeitsgebäude, Maschinen,
Rohstoffe, usw. der Allgemeinheit angehören und die wirtschaftlichen
Erwerbsbetriebe aller Art sozialisiert, d. h. vergesellschaftlicht, ver-
staatlicht werden sollen. Die ganz links stehenden rein sozialistischen
Politiker verlangen auch Abschaffung des Privateigentums. Diese Er-
klärung erscheint notwendig, weil noch so oft demokratisch, sozialistisch
und sozialdemokratisch mit einander verwechselt werden.

Bei welcher Partei die wahlberechtigte Frau das Wohl ihres
Vaterlandes am besten aufgehoben glaubt - das zu entscheiden bleibt
dem Gewissen jeder einzelnen überlassen. Unser Wahlrecht ist ein
geheimes, für keinen besteht ein Zwang von außen zur Entscheidung.
Jeder muß so handeln, wie er es vor sich selbst und seinem Volk
verantworten kann. Den Frauen sei dringend geraten, mehr als bis-
her den politischen Teil der Zeitungen zu lesen und politische Ver-
sammlungen zu besuchen, um sich einen eigenen Eindruck davon zu
verschaffen, was die einzelnen Parteien anstreben. Man lernt am
besten aus der Praxis, und man wird nie für etwas reif um das
man sich nicht kümmert. Ferner ist eine persönliche Aussprache mit
politisch erfahrenen Männern und Frauen zur Klärung der eigenen
Anschauung sehr zweckdienlich und notwendig. Welche Frau von der
Wahl sich fern hält, aus welchem Grund es auch sein mag, die stärkt
mit ihrer Stimmenthaltung ihre Gegenpartei. Zählt ihre Stimme
nicht mit, so gewinnt die Gegnerschaft eine Stimme Vorteil bei der
Abzählung. Es ist nun anzunehmen, daß die im öffentlichen Beruf
stehenden Frauen, namentlich die in den Städten, aus eigenem An-
trieb und weil sie durch Berufsorganisationen geschulter sind, ihr
Stimmrecht reichlicher ausüben werden, als die dem Leben außerhalb
des Hauses noch ferner stehenden, die Hausfrauen sind hier besonders
gemeint, und dann die Mädchen und Frauen auf dem Lande. An
diese Kreise muß der Weckruf noch ganz besonders hindringen. Das
muß jetzt von Mund zu Mund gehen, wie ein Lauffeuer, das muß
zünden wohin es kommt, das wird hier und da erst kleine Flämmchen
geben oder nur im verborgenen schwälen, es wird auch noch auf
manch nasses Holz treffen, das nicht brennen will, es wird vereinzelt
nur Strohfeuer bewirken, mit dem der Sache unseres Volks nicht
gedient ist, das sieht nach was aus und schafft doch nichts, aber
schließlich muß doch das ganze eine gute, tüchtige, wärmende Glut
werden, ein leuchtender, brennender Wille in den Herzen: "Jch will
eine ganze deutsche Frau und Staatsbürgerin sein, ich
will meinem Volk und meinem Vaterlande mit meinen
besten Kräften dienen.
"

Die erste Probe auf die politische Selbständigkeit und Leistungs-
fähigkeit der Frau wird die Nationalversammlung des Deutschen

der Regierung eintritt, ist eine demokratische. Jn diesem Sinne
sprechen wir auch von der künftigen Gestaltung Deutschlands als von
einer demokratischen Republik. Die Sozialdemokratie verbindet nun
mit diesem Gedanken der Volksherrschaft das Programm ihres
sozialistischen Zukunftsstaates, in dem die Herstellungsmittel in der
Volkswirtschaft, also z. B. Grund und Boden, Arbeitsgebäude, Maschinen,
Rohstoffe, usw. der Allgemeinheit angehören und die wirtschaftlichen
Erwerbsbetriebe aller Art sozialisiert, d. h. vergesellschaftlicht, ver-
staatlicht werden sollen. Die ganz links stehenden rein sozialistischen
Politiker verlangen auch Abschaffung des Privateigentums. Diese Er-
klärung erscheint notwendig, weil noch so oft demokratisch, sozialistisch
und sozialdemokratisch mit einander verwechselt werden.

Bei welcher Partei die wahlberechtigte Frau das Wohl ihres
Vaterlandes am besten aufgehoben glaubt – das zu entscheiden bleibt
dem Gewissen jeder einzelnen überlassen. Unser Wahlrecht ist ein
geheimes, für keinen besteht ein Zwang von außen zur Entscheidung.
Jeder muß so handeln, wie er es vor sich selbst und seinem Volk
verantworten kann. Den Frauen sei dringend geraten, mehr als bis-
her den politischen Teil der Zeitungen zu lesen und politische Ver-
sammlungen zu besuchen, um sich einen eigenen Eindruck davon zu
verschaffen, was die einzelnen Parteien anstreben. Man lernt am
besten aus der Praxis, und man wird nie für etwas reif um das
man sich nicht kümmert. Ferner ist eine persönliche Aussprache mit
politisch erfahrenen Männern und Frauen zur Klärung der eigenen
Anschauung sehr zweckdienlich und notwendig. Welche Frau von der
Wahl sich fern hält, aus welchem Grund es auch sein mag, die stärkt
mit ihrer Stimmenthaltung ihre Gegenpartei. Zählt ihre Stimme
nicht mit, so gewinnt die Gegnerschaft eine Stimme Vorteil bei der
Abzählung. Es ist nun anzunehmen, daß die im öffentlichen Beruf
stehenden Frauen, namentlich die in den Städten, aus eigenem An-
trieb und weil sie durch Berufsorganisationen geschulter sind, ihr
Stimmrecht reichlicher ausüben werden, als die dem Leben außerhalb
des Hauses noch ferner stehenden, die Hausfrauen sind hier besonders
gemeint, und dann die Mädchen und Frauen auf dem Lande. An
diese Kreise muß der Weckruf noch ganz besonders hindringen. Das
muß jetzt von Mund zu Mund gehen, wie ein Lauffeuer, das muß
zünden wohin es kommt, das wird hier und da erst kleine Flämmchen
geben oder nur im verborgenen schwälen, es wird auch noch auf
manch nasses Holz treffen, das nicht brennen will, es wird vereinzelt
nur Strohfeuer bewirken, mit dem der Sache unseres Volks nicht
gedient ist, das sieht nach was aus und schafft doch nichts, aber
schließlich muß doch das ganze eine gute, tüchtige, wärmende Glut
werden, ein leuchtender, brennender Wille in den Herzen: „Jch will
eine ganze deutsche Frau und Staatsbürgerin sein, ich
will meinem Volk und meinem Vaterlande mit meinen
besten Kräften dienen.

Die erste Probe auf die politische Selbständigkeit und Leistungs-
fähigkeit der Frau wird die Nationalversammlung des Deutschen

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[12/0012] der Regierung eintritt, ist eine demokratische. Jn diesem Sinne sprechen wir auch von der künftigen Gestaltung Deutschlands als von einer demokratischen Republik. Die Sozialdemokratie verbindet nun mit diesem Gedanken der Volksherrschaft das Programm ihres sozialistischen Zukunftsstaates, in dem die Herstellungsmittel in der Volkswirtschaft, also z. B. Grund und Boden, Arbeitsgebäude, Maschinen, Rohstoffe, usw. der Allgemeinheit angehören und die wirtschaftlichen Erwerbsbetriebe aller Art sozialisiert, d. h. vergesellschaftlicht, ver- staatlicht werden sollen. Die ganz links stehenden rein sozialistischen Politiker verlangen auch Abschaffung des Privateigentums. Diese Er- klärung erscheint notwendig, weil noch so oft demokratisch, sozialistisch und sozialdemokratisch mit einander verwechselt werden. Bei welcher Partei die wahlberechtigte Frau das Wohl ihres Vaterlandes am besten aufgehoben glaubt – das zu entscheiden bleibt dem Gewissen jeder einzelnen überlassen. Unser Wahlrecht ist ein geheimes, für keinen besteht ein Zwang von außen zur Entscheidung. Jeder muß so handeln, wie er es vor sich selbst und seinem Volk verantworten kann. Den Frauen sei dringend geraten, mehr als bis- her den politischen Teil der Zeitungen zu lesen und politische Ver- sammlungen zu besuchen, um sich einen eigenen Eindruck davon zu verschaffen, was die einzelnen Parteien anstreben. Man lernt am besten aus der Praxis, und man wird nie für etwas reif um das man sich nicht kümmert. Ferner ist eine persönliche Aussprache mit politisch erfahrenen Männern und Frauen zur Klärung der eigenen Anschauung sehr zweckdienlich und notwendig. Welche Frau von der Wahl sich fern hält, aus welchem Grund es auch sein mag, die stärkt mit ihrer Stimmenthaltung ihre Gegenpartei. Zählt ihre Stimme nicht mit, so gewinnt die Gegnerschaft eine Stimme Vorteil bei der Abzählung. Es ist nun anzunehmen, daß die im öffentlichen Beruf stehenden Frauen, namentlich die in den Städten, aus eigenem An- trieb und weil sie durch Berufsorganisationen geschulter sind, ihr Stimmrecht reichlicher ausüben werden, als die dem Leben außerhalb des Hauses noch ferner stehenden, die Hausfrauen sind hier besonders gemeint, und dann die Mädchen und Frauen auf dem Lande. An diese Kreise muß der Weckruf noch ganz besonders hindringen. Das muß jetzt von Mund zu Mund gehen, wie ein Lauffeuer, das muß zünden wohin es kommt, das wird hier und da erst kleine Flämmchen geben oder nur im verborgenen schwälen, es wird auch noch auf manch nasses Holz treffen, das nicht brennen will, es wird vereinzelt nur Strohfeuer bewirken, mit dem der Sache unseres Volks nicht gedient ist, das sieht nach was aus und schafft doch nichts, aber schließlich muß doch das ganze eine gute, tüchtige, wärmende Glut werden, ein leuchtender, brennender Wille in den Herzen: „Jch will eine ganze deutsche Frau und Staatsbürgerin sein, ich will meinem Volk und meinem Vaterlande mit meinen besten Kräften dienen.“ Die erste Probe auf die politische Selbständigkeit und Leistungs- fähigkeit der Frau wird die Nationalversammlung des Deutschen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-24T15:36:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-11-24T15:36:09Z)

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918/12>, abgerufen am 19.04.2024.