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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
mit andern zu gewähren, und jene unendliche Mannigfaltigkeit nach
Richtung und Kraft zu gestatten. Die Mächtigkeit jeder ein-
zelnen Muskel wird von der allgemeinen Kräftigkeit des Indivi-
duums abhängig sein, kann aber durch Uebung gehoben werden.
Es wird indess die Kraft ihrer Wirkung sehr von ihrer Länge und
von der Richtung, in welcher sie auf die Knochen wirkt, mithin
von der Lage ihrer Ansatzpunkte abhängen. Diese aber werden
bei den verschiedenen Individuen sowohl durch die abweichenden
Längenverhältnisse der Knochen gegen einander, wie auch
durch die verschiedene Winkelstellung, in welcher die Knochen
in den Gelenken sich zusammenfügen, bedeutend variiren. Diese
Verschiedenheit, welche die eine Verrichtung begünstigen, die
andere aber beeinträchtigen muss, wird einen bedeutenden Ein-
fluss auf den Gang äussern, und einen um so entschiedeneren, als
er nicht durch Uebung etc. verwischt werden kann. Es wird die
Aufgabe der Kunst sein, diese Unregelmässigkeit zu erkennen
und zu lehren, wie weit man die daraus hervorgehenden Vor-
theile benutzen
und die Nachtheile vermindern kann.

Hiezu aber ist ein Zurückgehen auf das Skelett nöthig.

Betrachten wir das Skelett, so finden wir als erste Grundlage
desselben die Wirbelsäule, an welche sich der Kopf und mit-
telbar alle Theile des Körpers anschliessen. Sie besteht aus einer
langen Reihe enger oder loser mit einander verbundener Wirbel,
die bis auf die Schweifwirbel, deren Zahl zwischen 17 und 19
variirt, hohl sind, und in einem langen, fortlaufenden Kanal das
Rückenmark enthalten. Die 7 Halswirbel haben die loseste
Verbindung, die Kreuzwirbel, deren es 5--7 giebt, eine so
dichte, dass sie beim ausgewachsenen Pferde gewöhnlich in eine
Knochenmasse sich vereinigen.

Von den 7 Halswirbeln zeichnet sich die Verbindung zwischen
dem ersten, der den Kopf trägt, und dem zweiten besonders durch
ihre Beweglichkeit aus.

Die 18 folgenden heissen Rückenwirbel. An sie schliesst
sich der Brustkorb an, indem jeder Wirbel einer Rippe zum
Ansatze dient. Die ersten 9 Paar Rippen sind durch das Brust-
bein eng verbunden und heissen die wahren Rippen, die zweiten
9 Paare nur durch Knorpel unter sich und heissen falsche Rippen.

Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
mit andern zu gewähren, und jene unendliche Mannigfaltigkeit nach
Richtung und Kraft zu gestatten. Die Mächtigkeit jeder ein-
zelnen Muskel wird von der allgemeinen Kräftigkeit des Indivi-
duums abhängig sein, kann aber durch Uebung gehoben werden.
Es wird indess die Kraft ihrer Wirkung sehr von ihrer Länge und
von der Richtung, in welcher sie auf die Knochen wirkt, mithin
von der Lage ihrer Ansatzpunkte abhängen. Diese aber werden
bei den verschiedenen Individuen sowohl durch die abweichenden
Längenverhältnisse der Knochen gegen einander, wie auch
durch die verschiedene Winkelstellung, in welcher die Knochen
in den Gelenken sich zusammenfügen, bedeutend variiren. Diese
Verschiedenheit, welche die eine Verrichtung begünstigen, die
andere aber beeinträchtigen muss, wird einen bedeutenden Ein-
fluss auf den Gang äussern, und einen um so entschiedeneren, als
er nicht durch Uebung etc. verwischt werden kann. Es wird die
Aufgabe der Kunst sein, diese Unregelmässigkeit zu erkennen
und zu lehren, wie weit man die daraus hervorgehenden Vor-
theile benutzen
und die Nachtheile vermindern kann.

Hiezu aber ist ein Zurückgehen auf das Skelett nöthig.

Betrachten wir das Skelett, so finden wir als erste Grundlage
desselben die Wirbelsäule, an welche sich der Kopf und mit-
telbar alle Theile des Körpers anschliessen. Sie besteht aus einer
langen Reihe enger oder loser mit einander verbundener Wirbel,
die bis auf die Schweifwirbel, deren Zahl zwischen 17 und 19
variirt, hohl sind, und in einem langen, fortlaufenden Kanal das
Rückenmark enthalten. Die 7 Halswirbel haben die loseste
Verbindung, die Kreuzwirbel, deren es 5—7 giebt, eine so
dichte, dass sie beim ausgewachsenen Pferde gewöhnlich in eine
Knochenmasse sich vereinigen.

Von den 7 Halswirbeln zeichnet sich die Verbindung zwischen
dem ersten, der den Kopf trägt, und dem zweiten besonders durch
ihre Beweglichkeit aus.

Die 18 folgenden heissen Rückenwirbel. An sie schliesst
sich der Brustkorb an, indem jeder Wirbel einer Rippe zum
Ansatze dient. Die ersten 9 Paar Rippen sind durch das Brust-
bein eng verbunden und heissen die wahren Rippen, die zweiten
9 Paare nur durch Knorpel unter sich und heissen falsche Rippen.

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[6/0028] Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes. mit andern zu gewähren, und jene unendliche Mannigfaltigkeit nach Richtung und Kraft zu gestatten. Die Mächtigkeit jeder ein- zelnen Muskel wird von der allgemeinen Kräftigkeit des Indivi- duums abhängig sein, kann aber durch Uebung gehoben werden. Es wird indess die Kraft ihrer Wirkung sehr von ihrer Länge und von der Richtung, in welcher sie auf die Knochen wirkt, mithin von der Lage ihrer Ansatzpunkte abhängen. Diese aber werden bei den verschiedenen Individuen sowohl durch die abweichenden Längenverhältnisse der Knochen gegen einander, wie auch durch die verschiedene Winkelstellung, in welcher die Knochen in den Gelenken sich zusammenfügen, bedeutend variiren. Diese Verschiedenheit, welche die eine Verrichtung begünstigen, die andere aber beeinträchtigen muss, wird einen bedeutenden Ein- fluss auf den Gang äussern, und einen um so entschiedeneren, als er nicht durch Uebung etc. verwischt werden kann. Es wird die Aufgabe der Kunst sein, diese Unregelmässigkeit zu erkennen und zu lehren, wie weit man die daraus hervorgehenden Vor- theile benutzen und die Nachtheile vermindern kann. Hiezu aber ist ein Zurückgehen auf das Skelett nöthig. Betrachten wir das Skelett, so finden wir als erste Grundlage desselben die Wirbelsäule, an welche sich der Kopf und mit- telbar alle Theile des Körpers anschliessen. Sie besteht aus einer langen Reihe enger oder loser mit einander verbundener Wirbel, die bis auf die Schweifwirbel, deren Zahl zwischen 17 und 19 variirt, hohl sind, und in einem langen, fortlaufenden Kanal das Rückenmark enthalten. Die 7 Halswirbel haben die loseste Verbindung, die Kreuzwirbel, deren es 5—7 giebt, eine so dichte, dass sie beim ausgewachsenen Pferde gewöhnlich in eine Knochenmasse sich vereinigen. Von den 7 Halswirbeln zeichnet sich die Verbindung zwischen dem ersten, der den Kopf trägt, und dem zweiten besonders durch ihre Beweglichkeit aus. Die 18 folgenden heissen Rückenwirbel. An sie schliesst sich der Brustkorb an, indem jeder Wirbel einer Rippe zum Ansatze dient. Die ersten 9 Paar Rippen sind durch das Brust- bein eng verbunden und heissen die wahren Rippen, die zweiten 9 Paare nur durch Knorpel unter sich und heissen falsche Rippen.

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/28>, abgerufen am 25.04.2024.