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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Vorwort.
und die Höhe der Anforderung an die Dressur für die
Armee bestimmt haben, so ist doch die Art, wie sie er-
reicht wird, sehr verschieden.

Es scheint, als wenn die Uneinigkeit der Meister,
ihr öffentliches Turnieren vor dem Publikum mit spitzer
Feder und scharfer Zunge, als wenn ihr gegenseitiges Ver-
ketzern und Verkleinern den alten Glauben an ihre
Autorität
vernichtet habe. Wo sich zu Zeiten unserer
Grossväter der Schüler vertrauensvoll der Führung des
Meisters durch das ganze Gebiet der Kunst auf Jahre hin-
gab und seiner Schule bis zum Tode ein treuer Anhänger
blieb, so genügte uns die Erlangung der nothdürftigsten
mechanischen Fertigkeit, um ihn zu verlassen. Kaum
fühlten wir uns sicher im Sattel, so gingen wir, von dem
eigenen Talent und hinlänglicher Befähigung bestens über-
zeugt, wohlgemuth zum Dressiren über und betraten keck
den Weg der Empirie; einen Weg, der mit verlorener
Mühe gepflastert, mit verschwendeten Kräften beschüttet
und mit weggeworfenem Gelde besäet, gewöhnlich nicht
eher verlassen wurde, bis das Erstlingsopfer stetig geritten,
jeden Tritt vorwärts hartnäckigst verweigerte, oder körper-
lich unfähig geworden war, ihn fortzusetzen. Die heutige
Jugend, wenn auch nicht weniger selbstvertrauend, doch
praktischer, weniger romantisch und mehr vorsichtig,
emanzipirt sich eben so schnell vom Lehrmeister, nimmt
aber, um nicht irre zu gehen, gern ein Buch zur Hand,
das ihr den Weg weist. Die Auswahl von Büchern ist
gross, aber schwierig. Die grosse Verschiedenheit der ein-
zelnen Menschen wie Pferde giebt eine unendliche Menge
verschiedenartiger Zusammenstellungen. Es wird daher das
gegenseitige Verhalten von Mann und Pferd einen so un-
ausgesetzten Wechsel in den Erfolgen, so veränderte Er-
scheinungen hervorrufen, dass es unmöglich ist, alle da-
durch entstehenden Einzelfälle vorherzusehen, viel weniger
erschöpfend darzustellen. Der Versuch hierzu wird dahin

Vorwort.
und die Höhe der Anforderung an die Dressur für die
Armee bestimmt haben, so ist doch die Art, wie sie er-
reicht wird, sehr verschieden.

Es scheint, als wenn die Uneinigkeit der Meister,
ihr öffentliches Turnieren vor dem Publikum mit spitzer
Feder und scharfer Zunge, als wenn ihr gegenseitiges Ver-
ketzern und Verkleinern den alten Glauben an ihre
Autorität
vernichtet habe. Wo sich zu Zeiten unserer
Grossväter der Schüler vertrauensvoll der Führung des
Meisters durch das ganze Gebiet der Kunst auf Jahre hin-
gab und seiner Schule bis zum Tode ein treuer Anhänger
blieb, so genügte uns die Erlangung der nothdürftigsten
mechanischen Fertigkeit, um ihn zu verlassen. Kaum
fühlten wir uns sicher im Sattel, so gingen wir, von dem
eigenen Talent und hinlänglicher Befähigung bestens über-
zeugt, wohlgemuth zum Dressiren über und betraten keck
den Weg der Empirie; einen Weg, der mit verlorener
Mühe gepflastert, mit verschwendeten Kräften beschüttet
und mit weggeworfenem Gelde besäet, gewöhnlich nicht
eher verlassen wurde, bis das Erstlingsopfer stetig geritten,
jeden Tritt vorwärts hartnäckigst verweigerte, oder körper-
lich unfähig geworden war, ihn fortzusetzen. Die heutige
Jugend, wenn auch nicht weniger selbstvertrauend, doch
praktischer, weniger romantisch und mehr vorsichtig,
emanzipirt sich eben so schnell vom Lehrmeister, nimmt
aber, um nicht irre zu gehen, gern ein Buch zur Hand,
das ihr den Weg weist. Die Auswahl von Büchern ist
gross, aber schwierig. Die grosse Verschiedenheit der ein-
zelnen Menschen wie Pferde giebt eine unendliche Menge
verschiedenartiger Zusammenstellungen. Es wird daher das
gegenseitige Verhalten von Mann und Pferd einen so un-
ausgesetzten Wechsel in den Erfolgen, so veränderte Er-
scheinungen hervorrufen, dass es unmöglich ist, alle da-
durch entstehenden Einzelfälle vorherzusehen, viel weniger
erschöpfend darzustellen. Der Versuch hierzu wird dahin

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[VI/0014] Vorwort. und die Höhe der Anforderung an die Dressur für die Armee bestimmt haben, so ist doch die Art, wie sie er- reicht wird, sehr verschieden. Es scheint, als wenn die Uneinigkeit der Meister, ihr öffentliches Turnieren vor dem Publikum mit spitzer Feder und scharfer Zunge, als wenn ihr gegenseitiges Ver- ketzern und Verkleinern den alten Glauben an ihre Autorität vernichtet habe. Wo sich zu Zeiten unserer Grossväter der Schüler vertrauensvoll der Führung des Meisters durch das ganze Gebiet der Kunst auf Jahre hin- gab und seiner Schule bis zum Tode ein treuer Anhänger blieb, so genügte uns die Erlangung der nothdürftigsten mechanischen Fertigkeit, um ihn zu verlassen. Kaum fühlten wir uns sicher im Sattel, so gingen wir, von dem eigenen Talent und hinlänglicher Befähigung bestens über- zeugt, wohlgemuth zum Dressiren über und betraten keck den Weg der Empirie; einen Weg, der mit verlorener Mühe gepflastert, mit verschwendeten Kräften beschüttet und mit weggeworfenem Gelde besäet, gewöhnlich nicht eher verlassen wurde, bis das Erstlingsopfer stetig geritten, jeden Tritt vorwärts hartnäckigst verweigerte, oder körper- lich unfähig geworden war, ihn fortzusetzen. Die heutige Jugend, wenn auch nicht weniger selbstvertrauend, doch praktischer, weniger romantisch und mehr vorsichtig, emanzipirt sich eben so schnell vom Lehrmeister, nimmt aber, um nicht irre zu gehen, gern ein Buch zur Hand, das ihr den Weg weist. Die Auswahl von Büchern ist gross, aber schwierig. Die grosse Verschiedenheit der ein- zelnen Menschen wie Pferde giebt eine unendliche Menge verschiedenartiger Zusammenstellungen. Es wird daher das gegenseitige Verhalten von Mann und Pferd einen so un- ausgesetzten Wechsel in den Erfolgen, so veränderte Er- scheinungen hervorrufen, dass es unmöglich ist, alle da- durch entstehenden Einzelfälle vorherzusehen, viel weniger erschöpfend darzustellen. Der Versuch hierzu wird dahin

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/14>, abgerufen am 28.03.2024.