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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Allgemeine Ackerbaulehre.
Keimung, begnügt sich im Allgemeinen mit der Umänderung der in den Pflanzen-
samen aufgespeicherten Reservestoffe in jene Stoffe, welche die Keimpflanze aufbauen.
Erst die wachsende Pflanze vermehrt ihren Körper durch Stoffaufnahme von
Außen; während sich die reifende Pflanze in der Hauptsache wieder auf die
Ueberführung der im Verlaufe des Wachsthums neugebildeten Stoffe in den Samen
beschränkt. Die Wachsthumsvorgänge in der keimenden und reifenden Pflanze be-
stehen daher nur in dem Stoffwechsel, während bei der wachsenden Pflanze zu
dem Stoffwechsel noch die Neubildung von organischen Stoffen aus der aufgenom-
menen Nahrung, die Assimilation hinzukommt.

Diese Verschiedenheit in den Bildungsvorgängen je nach der Lebensperiode der
Pflanze erfordert daher eine getrennte Betrachtung.

1. Die Pflanze während der Keimung.

In jedem Samen, aus welchem eine Keimpflanze hervorgehen soll, findet sich
umgeben von der schützenden Samenhaut (Samenschale, Fig. 6, a) ein Keim (Embryo,

[Abbildung] Fig. 6.

Große Saubohne Vicia Faba L. Sun -- a Same mit Samenschale
(Testa): a Lage des Würzelchen, b Nabel, g Mikrophyle, d Samenschwiele;
b und c Same nach Entfernung der Samenschale: a Würzelchen, b Kotyle-
donen, g Kotyledonenstiele; d Fragment der Samenschale (Innenseite): a Höh-
lung, welche den Wurzelkeim umgiebt, b Leiste, g schwammiges Parenchym,
d Nabeldurchschnitt; e Längendurchschnitt des Samens: a Samentasche,
b Radicula, g Plumula, d schwammiges Parenchym der Samenhaut, e Nabel,
e Kotyledon; f Durchschnitt durch die Nabelpartie: a Nabel, b Gefäßbündel,
g schwammiges Gewebe.

Fig. 7, e) und wenig-
stens der Anlage nach
ein Mehlkörper
(Endosperm, Fig. 7, a).
Bei den monocotylen
Pflanzen, wie bei un-
seren Getreide- und
sonstigen Graspflanzen
ist der Mehlkörper
gegenüber dem Keime 1)
kräftig entwickelt. Bei
den dicotylen Pflanzen
wird der Mehlkörper
durch den Embryo ganz
verdrängt, so zwar, daß
der ausgereifte Same
nur von der Masse
des Embryo's ausge-
füllt wird und dann
kein Endosperm besitzt.
In manchen Fällen,
wie bei Rübe, Kartoffel, Buchweizen, Umbellieferen erfolgt diese Verdrängung nur theil-
weise; die Samen dieser dicotylen Pflanzen enthalten daher gleichfalls ein Endosperm.

1) Das Gewicht der herausgelösten Keime beträgt nach Haberlandt (Wiener landw.
Ztg. 1873 S. 40) im Mittel bei dem Weizen 4.82, dem Roggen 6.74, der Gerste 3.01,
dem Hafer 3.72, dem Mais 11.93 % des ganzen Kornes.

Allgemeine Ackerbaulehre.
Keimung, begnügt ſich im Allgemeinen mit der Umänderung der in den Pflanzen-
ſamen aufgeſpeicherten Reſerveſtoffe in jene Stoffe, welche die Keimpflanze aufbauen.
Erſt die wachſende Pflanze vermehrt ihren Körper durch Stoffaufnahme von
Außen; während ſich die reifende Pflanze in der Hauptſache wieder auf die
Ueberführung der im Verlaufe des Wachsthums neugebildeten Stoffe in den Samen
beſchränkt. Die Wachsthumsvorgänge in der keimenden und reifenden Pflanze be-
ſtehen daher nur in dem Stoffwechſel, während bei der wachſenden Pflanze zu
dem Stoffwechſel noch die Neubildung von organiſchen Stoffen aus der aufgenom-
menen Nahrung, die Aſſimilation hinzukommt.

Dieſe Verſchiedenheit in den Bildungsvorgängen je nach der Lebensperiode der
Pflanze erfordert daher eine getrennte Betrachtung.

1. Die Pflanze während der Keimung.

In jedem Samen, aus welchem eine Keimpflanze hervorgehen ſoll, findet ſich
umgeben von der ſchützenden Samenhaut (Samenſchale, Fig. 6, a) ein Keim (Embryo,

[Abbildung] Fig. 6.

Große Saubohne Vicia Faba L. ☉ — a Same mit Samenſchale
(Testa): α Lage des Würzelchen, β Nabel, γ Mikrophyle, δ Samenſchwiele;
b und c Same nach Entfernung der Samenſchale: α Würzelchen, β Kotyle-
donen, γ Kotyledonenſtiele; d Fragment der Samenſchale (Innenſeite): α Höh-
lung, welche den Wurzelkeim umgiebt, β Leiſte, γ ſchwammiges Parenchym,
δ Nabeldurchſchnitt; e Längendurchſchnitt des Samens: α Samentaſche,
β Radicula, γ Plumula, δ ſchwammiges Parenchym der Samenhaut, ε Nabel,
η Kotyledon; f Durchſchnitt durch die Nabelpartie: α Nabel, β Gefäßbündel,
γ ſchwammiges Gewebe.

Fig. 7, e) und wenig-
ſtens der Anlage nach
ein Mehlkörper
(Endoſperm, Fig. 7, a).
Bei den monocotylen
Pflanzen, wie bei un-
ſeren Getreide- und
ſonſtigen Graspflanzen
iſt der Mehlkörper
gegenüber dem Keime 1)
kräftig entwickelt. Bei
den dicotylen Pflanzen
wird der Mehlkörper
durch den Embryo ganz
verdrängt, ſo zwar, daß
der ausgereifte Same
nur von der Maſſe
des Embryo's ausge-
füllt wird und dann
kein Endoſperm beſitzt.
In manchen Fällen,
wie bei Rübe, Kartoffel, Buchweizen, Umbellieferen erfolgt dieſe Verdrängung nur theil-
weiſe; die Samen dieſer dicotylen Pflanzen enthalten daher gleichfalls ein Endoſperm.

1) Das Gewicht der herausgelöſten Keime beträgt nach Haberlandt (Wiener landw.
Ztg. 1873 S. 40) im Mittel bei dem Weizen 4.82, dem Roggen 6.74, der Gerſte 3.01,
dem Hafer 3.72, dem Mais 11.93 % des ganzen Kornes.
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[16/0034] Allgemeine Ackerbaulehre. Keimung, begnügt ſich im Allgemeinen mit der Umänderung der in den Pflanzen- ſamen aufgeſpeicherten Reſerveſtoffe in jene Stoffe, welche die Keimpflanze aufbauen. Erſt die wachſende Pflanze vermehrt ihren Körper durch Stoffaufnahme von Außen; während ſich die reifende Pflanze in der Hauptſache wieder auf die Ueberführung der im Verlaufe des Wachsthums neugebildeten Stoffe in den Samen beſchränkt. Die Wachsthumsvorgänge in der keimenden und reifenden Pflanze be- ſtehen daher nur in dem Stoffwechſel, während bei der wachſenden Pflanze zu dem Stoffwechſel noch die Neubildung von organiſchen Stoffen aus der aufgenom- menen Nahrung, die Aſſimilation hinzukommt. Dieſe Verſchiedenheit in den Bildungsvorgängen je nach der Lebensperiode der Pflanze erfordert daher eine getrennte Betrachtung. 1. Die Pflanze während der Keimung. In jedem Samen, aus welchem eine Keimpflanze hervorgehen ſoll, findet ſich umgeben von der ſchützenden Samenhaut (Samenſchale, Fig. 6, a) ein Keim (Embryo, [Abbildung Fig. 6. Große Saubohne Vicia Faba L. ☉ — a Same mit Samenſchale (Testa): α Lage des Würzelchen, β Nabel, γ Mikrophyle, δ Samenſchwiele; b und c Same nach Entfernung der Samenſchale: α Würzelchen, β Kotyle- donen, γ Kotyledonenſtiele; d Fragment der Samenſchale (Innenſeite): α Höh- lung, welche den Wurzelkeim umgiebt, β Leiſte, γ ſchwammiges Parenchym, δ Nabeldurchſchnitt; e Längendurchſchnitt des Samens: α Samentaſche, β Radicula, γ Plumula, δ ſchwammiges Parenchym der Samenhaut, ε Nabel, η Kotyledon; f Durchſchnitt durch die Nabelpartie: α Nabel, β Gefäßbündel, γ ſchwammiges Gewebe.] Fig. 7, e) und wenig- ſtens der Anlage nach ein Mehlkörper (Endoſperm, Fig. 7, a). Bei den monocotylen Pflanzen, wie bei un- ſeren Getreide- und ſonſtigen Graspflanzen iſt der Mehlkörper gegenüber dem Keime 1) kräftig entwickelt. Bei den dicotylen Pflanzen wird der Mehlkörper durch den Embryo ganz verdrängt, ſo zwar, daß der ausgereifte Same nur von der Maſſe des Embryo's ausge- füllt wird und dann kein Endoſperm beſitzt. In manchen Fällen, wie bei Rübe, Kartoffel, Buchweizen, Umbellieferen erfolgt dieſe Verdrängung nur theil- weiſe; die Samen dieſer dicotylen Pflanzen enthalten daher gleichfalls ein Endoſperm. 1) Das Gewicht der herausgelöſten Keime beträgt nach Haberlandt (Wiener landw. Ztg. 1873 S. 40) im Mittel bei dem Weizen 4.82, dem Roggen 6.74, der Gerſte 3.01, dem Hafer 3.72, dem Mais 11.93 % des ganzen Kornes.

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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft01_1875/34>, abgerufen am 28.03.2024.