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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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flusst sind, und ich habe gerade wegen der Schwierigkeit, bei der gegebenen
Anordnung allerlei Nebeneinflüsse auszuschliessen, späterhin die Experi-
mente dieser Art nicht weiter fortgesetzt. Dennoch würde Manches dafür
sprechen, dass die mitgetheilten Zahlen in der Hauptsache wirklich ein
Bild von der Alkoholwirkung auf die einzelnen associativen Leistungen dar-
bieten, namentlich die allgemeine Uebereinstimmung mit den Erfahrungen
bei einfachen Reactionsformen. Weiterhin aber scheint es mir von
besonderem Interesse, die qualitativen Veränderungen der Asso-
ciationen unter der Einwirkung des Alkohols ein wenig in's Auge zu
fassen. Ich gehe dabei zunächst aus von der Eintheilung der Vor-
stellungsverbindungen in äussere und innere. Für die einzelnen Reihen
des Versuches I ergeben sich folgende Procentsätze äusserer Associationen:

[Tabelle]

Das enorme Anwachsen der äusseren Associationen ist hier um so
auffallender, als der Gang der Procentsätze ein sehr regelmässiger ist
und das Maximum derselben fast genau mit der grössten Verkürzung
der Zahlen zusammenfällt, während nach meinen sonstigen Er-
fahrungen die äusseren Associationen langsamer abzulaufen pflegen.
In der vierten Beobachtungsreihe, welche genau dem Minimum der
Reactionswerthe entspricht, finden sich unter 17 Versuchen nicht
weniger als 5 reine Klangassociationen; 3 von ihnen sind Reime, die
sonst nur ausserordentlich selten vorzukommen pflegen.

Analoge Erfahrungen haben wir bei dem Subsumtionsversuche zu
verzeichnen. Allerdings konnte sich hier, wo die associative Aufgabe
vorher festgesetzt war, keine so weitgehende qualitative Veränderung
in den psychischen Leistungen entwickeln. Trotzdem stellte es sich
heraus, dass in 17 von den 63 durch Alkohol beeinflussten Versuchen
die Lösung der verabredeten Aufgabe mehr oder weniger umgangen
wurde. Einmal wurde dabei ungeachtet aller entgegengesetzten Be-
mühungen einfach eine durch die associative Gewöhnung angeknüpfte
Reminiscenz (Grau-Theorie) geliefert; in den übrigen Fällen aber trat
regelmässig an Stelle des übergeordneten Begriffes ein Synonymon
oder eine Umschreibung, wobei sehr häufig sprachliche Verbindungen
eine Rolle spielten (Sturm-Wind; Schein-Trug; Riff-Felsen u. ähnl.).
Ausserdem wurde noch mehrmals die Wiederkehr derselben Subsumtion
beobachtet, auch wo sie kaum mehr recht am Platze war, ein Zeichen
dafür, dass nur die mechanische Bereitschaft sie wiederum zu Tage
gefördert hatte. Auch hier bahnte sich somit vielfach der Uebergang

flusst sind, und ich habe gerade wegen der Schwierigkeit, bei der gegebenen
Anordnung allerlei Nebeneinflüsse auszuschliessen, späterhin die Experi-
mente dieser Art nicht weiter fortgesetzt. Dennoch würde Manches dafür
sprechen, dass die mitgetheilten Zahlen in der Hauptsache wirklich ein
Bild von der Alkoholwirkung auf die einzelnen associativen Leistungen dar-
bieten, namentlich die allgemeine Uebereinstimmung mit den Erfahrungen
bei einfachen Reactionsformen. Weiterhin aber scheint es mir von
besonderem Interesse, die qualitativen Veränderungen der Asso-
ciationen unter der Einwirkung des Alkohols ein wenig in’s Auge zu
fassen. Ich gehe dabei zunächst aus von der Eintheilung der Vor-
stellungsverbindungen in äussere und innere. Für die einzelnen Reihen
des Versuches I ergeben sich folgende Procentsätze äusserer Associationen:

[Tabelle]

Das enorme Anwachsen der äusseren Associationen ist hier um so
auffallender, als der Gang der Procentsätze ein sehr regelmässiger ist
und das Maximum derselben fast genau mit der grössten Verkürzung
der Zahlen zusammenfällt, während nach meinen sonstigen Er-
fahrungen die äusseren Associationen langsamer abzulaufen pflegen.
In der vierten Beobachtungsreihe, welche genau dem Minimum der
Reactionswerthe entspricht, finden sich unter 17 Versuchen nicht
weniger als 5 reine Klangassociationen; 3 von ihnen sind Reime, die
sonst nur ausserordentlich selten vorzukommen pflegen.

Analoge Erfahrungen haben wir bei dem Subsumtionsversuche zu
verzeichnen. Allerdings konnte sich hier, wo die associative Aufgabe
vorher festgesetzt war, keine so weitgehende qualitative Veränderung
in den psychischen Leistungen entwickeln. Trotzdem stellte es sich
heraus, dass in 17 von den 63 durch Alkohol beeinflussten Versuchen
die Lösung der verabredeten Aufgabe mehr oder weniger umgangen
wurde. Einmal wurde dabei ungeachtet aller entgegengesetzten Be-
mühungen einfach eine durch die associative Gewöhnung angeknüpfte
Reminiscenz (Grau-Theorie) geliefert; in den übrigen Fällen aber trat
regelmässig an Stelle des übergeordneten Begriffes ein Synonymon
oder eine Umschreibung, wobei sehr häufig sprachliche Verbindungen
eine Rolle spielten (Sturm-Wind; Schein-Trug; Riff-Felsen u. ähnl.).
Ausserdem wurde noch mehrmals die Wiederkehr derselben Subsumtion
beobachtet, auch wo sie kaum mehr recht am Platze war, ein Zeichen
dafür, dass nur die mechanische Bereitschaft sie wiederum zu Tage
gefördert hatte. Auch hier bahnte sich somit vielfach der Uebergang

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[53/0069] flusst sind, und ich habe gerade wegen der Schwierigkeit, bei der gegebenen Anordnung allerlei Nebeneinflüsse auszuschliessen, späterhin die Experi- mente dieser Art nicht weiter fortgesetzt. Dennoch würde Manches dafür sprechen, dass die mitgetheilten Zahlen in der Hauptsache wirklich ein Bild von der Alkoholwirkung auf die einzelnen associativen Leistungen dar- bieten, namentlich die allgemeine Uebereinstimmung mit den Erfahrungen bei einfachen Reactionsformen. Weiterhin aber scheint es mir von besonderem Interesse, die qualitativen Veränderungen der Asso- ciationen unter der Einwirkung des Alkohols ein wenig in’s Auge zu fassen. Ich gehe dabei zunächst aus von der Eintheilung der Vor- stellungsverbindungen in äussere und innere. Für die einzelnen Reihen des Versuches I ergeben sich folgende Procentsätze äusserer Associationen: Das enorme Anwachsen der äusseren Associationen ist hier um so auffallender, als der Gang der Procentsätze ein sehr regelmässiger ist und das Maximum derselben fast genau mit der grössten Verkürzung der Zahlen zusammenfällt, während nach meinen sonstigen Er- fahrungen die äusseren Associationen langsamer abzulaufen pflegen. In der vierten Beobachtungsreihe, welche genau dem Minimum der Reactionswerthe entspricht, finden sich unter 17 Versuchen nicht weniger als 5 reine Klangassociationen; 3 von ihnen sind Reime, die sonst nur ausserordentlich selten vorzukommen pflegen. Analoge Erfahrungen haben wir bei dem Subsumtionsversuche zu verzeichnen. Allerdings konnte sich hier, wo die associative Aufgabe vorher festgesetzt war, keine so weitgehende qualitative Veränderung in den psychischen Leistungen entwickeln. Trotzdem stellte es sich heraus, dass in 17 von den 63 durch Alkohol beeinflussten Versuchen die Lösung der verabredeten Aufgabe mehr oder weniger umgangen wurde. Einmal wurde dabei ungeachtet aller entgegengesetzten Be- mühungen einfach eine durch die associative Gewöhnung angeknüpfte Reminiscenz (Grau-Theorie) geliefert; in den übrigen Fällen aber trat regelmässig an Stelle des übergeordneten Begriffes ein Synonymon oder eine Umschreibung, wobei sehr häufig sprachliche Verbindungen eine Rolle spielten (Sturm-Wind; Schein-Trug; Riff-Felsen u. ähnl.). Ausserdem wurde noch mehrmals die Wiederkehr derselben Subsumtion beobachtet, auch wo sie kaum mehr recht am Platze war, ein Zeichen dafür, dass nur die mechanische Bereitschaft sie wiederum zu Tage gefördert hatte. Auch hier bahnte sich somit vielfach der Uebergang

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/69>, abgerufen am 25.04.2024.