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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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ist zu bemerken, dass der Vorgang der einfachen Reaction im Allge-
meinen keine so ausgiebigen Veränderungen in Folge der Alkohol-
wirkung darbietet, wie die verwickelteren Reactionsformen. Dazu
kommt aber, dass Warren's Versuche zwar sehr sorgfältig und aus-
führlich discutirt, aber nicht systematisch genug angestellt worden
sind. Die Lücken zwischen den einzelnen Versuchsreihen, die durch
anderweitige Beschäftigungen ausgefüllt wurden, sind zu gross, um einen
wirklichen Ueberblick über den Ablauf der Alkoholwirkung zu gestat-
ten, und vor Allem scheint nach der Bemerkung l. c. p. 317, dass die
Alkoholdosis in wechselnder Zwischenzeit vor der zweiten Versuchs-
reihe genommen wurde, die Zeit unmittelbar nach der Einverleibung des
Mittels nicht immer genügend berücksichtigt zu sein. Gerade in diese Zeit
aber fällt ja die flüchtige Erscheinung der Verkürzung. Nach der
Tabelle l. c. p. 336 findet sich freilich unter den 13 Versuchen, in
denen Reihen innerhalb der ersten 20 Minuten nach der Aufnahme
des Alkohols gewonnen wurden, nur 8 Mal eine Verkürzung gegenüber
der Normalzeit, aber von den übrigen 5 Fällen mit anfänglicher Ver-
längerung betrafen 4 solche mit Dosen über 50 gr, in denen also auch
nach meinen Versuchen das sofortige Auftreten der Verlängerung zu
erwarten war. Die Mehrzahl dieser Reihen mit frühzeitiger Registrirung
fällt auf jene Versuchsperson, bei der eben auch Warren eine anfäng-
liche Verkürzung der Zahlen auffiel, doch scheint ihn hier das abweichende
Ergebniss bei grossen Dosen wieder zweifelhaft gemacht zu haben.

Auf der andern Seite finden wir unter den 34 verwerthbaren
Reihen, welche später als 20 Minuten nach der Alkoholdosis auf-
genommen wurden, nicht weniger als 28 Mal eine Verlängerung.
Von den 6 Fällen mit Verkürzung fallen 3 noch innerhalb der ersten
38 Minuten, die 3 anderen auf die späte Zeit von 68, 70 und 98
Minuten nach der Einnahme des Mittels. Natürlich haben hier alle
Versuche mit mehrmaligen Alkoholgaben wegen der dadurch beding-
ten und schon von mir früher geschilderten Complication ausser Be-
tracht bleiben müssen. Die Mehrzahl der späten Beobachtungsreihen
trifft auf jene Versuchsperson, bei welcher auch Warren eine Ver-
längerung der Reactionszeiten nach einiger Zeit für wahrscheinlich
hält. Es scheint mir daher bei genauerer Betrachtung, dass im
Ganzen Warren's Versuche, namentlich wenn man die überall gelegent-
lich mit hineinspielenden zufälligen Fehlerquellen berücksichtigt, eine
verhältnissmässig sehr befriedigende Uebereinstimmung mit meinen
eigenen Ergebnissen darbieten. Dem Autor selbst, der meine Arbeit
erst nach Abschluss seiner Experimente zu Gesicht bekam, ist diese

ist zu bemerken, dass der Vorgang der einfachen Reaction im Allge-
meinen keine so ausgiebigen Veränderungen in Folge der Alkohol-
wirkung darbietet, wie die verwickelteren Reactionsformen. Dazu
kommt aber, dass Warren’s Versuche zwar sehr sorgfältig und aus-
führlich discutirt, aber nicht systematisch genug angestellt worden
sind. Die Lücken zwischen den einzelnen Versuchsreihen, die durch
anderweitige Beschäftigungen ausgefüllt wurden, sind zu gross, um einen
wirklichen Ueberblick über den Ablauf der Alkoholwirkung zu gestat-
ten, und vor Allem scheint nach der Bemerkung l. c. p. 317, dass die
Alkoholdosis in wechselnder Zwischenzeit vor der zweiten Versuchs-
reihe genommen wurde, die Zeit unmittelbar nach der Einverleibung des
Mittels nicht immer genügend berücksichtigt zu sein. Gerade in diese Zeit
aber fällt ja die flüchtige Erscheinung der Verkürzung. Nach der
Tabelle l. c. p. 336 findet sich freilich unter den 13 Versuchen, in
denen Reihen innerhalb der ersten 20 Minuten nach der Aufnahme
des Alkohols gewonnen wurden, nur 8 Mal eine Verkürzung gegenüber
der Normalzeit, aber von den übrigen 5 Fällen mit anfänglicher Ver-
längerung betrafen 4 solche mit Dosen über 50 gr, in denen also auch
nach meinen Versuchen das sofortige Auftreten der Verlängerung zu
erwarten war. Die Mehrzahl dieser Reihen mit frühzeitiger Registrirung
fällt auf jene Versuchsperson, bei der eben auch Warren eine anfäng-
liche Verkürzung der Zahlen auffiel, doch scheint ihn hier das abweichende
Ergebniss bei grossen Dosen wieder zweifelhaft gemacht zu haben.

Auf der andern Seite finden wir unter den 34 verwerthbaren
Reihen, welche später als 20 Minuten nach der Alkoholdosis auf-
genommen wurden, nicht weniger als 28 Mal eine Verlängerung.
Von den 6 Fällen mit Verkürzung fallen 3 noch innerhalb der ersten
38 Minuten, die 3 anderen auf die späte Zeit von 68, 70 und 98
Minuten nach der Einnahme des Mittels. Natürlich haben hier alle
Versuche mit mehrmaligen Alkoholgaben wegen der dadurch beding-
ten und schon von mir früher geschilderten Complication ausser Be-
tracht bleiben müssen. Die Mehrzahl der späten Beobachtungsreihen
trifft auf jene Versuchsperson, bei welcher auch Warren eine Ver-
längerung der Reactionszeiten nach einiger Zeit für wahrscheinlich
hält. Es scheint mir daher bei genauerer Betrachtung, dass im
Ganzen Warren’s Versuche, namentlich wenn man die überall gelegent-
lich mit hineinspielenden zufälligen Fehlerquellen berücksichtigt, eine
verhältnissmässig sehr befriedigende Uebereinstimmung mit meinen
eigenen Ergebnissen darbieten. Dem Autor selbst, der meine Arbeit
erst nach Abschluss seiner Experimente zu Gesicht bekam, ist diese

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[42/0058] ist zu bemerken, dass der Vorgang der einfachen Reaction im Allge- meinen keine so ausgiebigen Veränderungen in Folge der Alkohol- wirkung darbietet, wie die verwickelteren Reactionsformen. Dazu kommt aber, dass Warren’s Versuche zwar sehr sorgfältig und aus- führlich discutirt, aber nicht systematisch genug angestellt worden sind. Die Lücken zwischen den einzelnen Versuchsreihen, die durch anderweitige Beschäftigungen ausgefüllt wurden, sind zu gross, um einen wirklichen Ueberblick über den Ablauf der Alkoholwirkung zu gestat- ten, und vor Allem scheint nach der Bemerkung l. c. p. 317, dass die Alkoholdosis in wechselnder Zwischenzeit vor der zweiten Versuchs- reihe genommen wurde, die Zeit unmittelbar nach der Einverleibung des Mittels nicht immer genügend berücksichtigt zu sein. Gerade in diese Zeit aber fällt ja die flüchtige Erscheinung der Verkürzung. Nach der Tabelle l. c. p. 336 findet sich freilich unter den 13 Versuchen, in denen Reihen innerhalb der ersten 20 Minuten nach der Aufnahme des Alkohols gewonnen wurden, nur 8 Mal eine Verkürzung gegenüber der Normalzeit, aber von den übrigen 5 Fällen mit anfänglicher Ver- längerung betrafen 4 solche mit Dosen über 50 gr, in denen also auch nach meinen Versuchen das sofortige Auftreten der Verlängerung zu erwarten war. Die Mehrzahl dieser Reihen mit frühzeitiger Registrirung fällt auf jene Versuchsperson, bei der eben auch Warren eine anfäng- liche Verkürzung der Zahlen auffiel, doch scheint ihn hier das abweichende Ergebniss bei grossen Dosen wieder zweifelhaft gemacht zu haben. Auf der andern Seite finden wir unter den 34 verwerthbaren Reihen, welche später als 20 Minuten nach der Alkoholdosis auf- genommen wurden, nicht weniger als 28 Mal eine Verlängerung. Von den 6 Fällen mit Verkürzung fallen 3 noch innerhalb der ersten 38 Minuten, die 3 anderen auf die späte Zeit von 68, 70 und 98 Minuten nach der Einnahme des Mittels. Natürlich haben hier alle Versuche mit mehrmaligen Alkoholgaben wegen der dadurch beding- ten und schon von mir früher geschilderten Complication ausser Be- tracht bleiben müssen. Die Mehrzahl der späten Beobachtungsreihen trifft auf jene Versuchsperson, bei welcher auch Warren eine Ver- längerung der Reactionszeiten nach einiger Zeit für wahrscheinlich hält. Es scheint mir daher bei genauerer Betrachtung, dass im Ganzen Warren’s Versuche, namentlich wenn man die überall gelegent- lich mit hineinspielenden zufälligen Fehlerquellen berücksichtigt, eine verhältnissmässig sehr befriedigende Uebereinstimmung mit meinen eigenen Ergebnissen darbieten. Dem Autor selbst, der meine Arbeit erst nach Abschluss seiner Experimente zu Gesicht bekam, ist diese

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/58>, abgerufen am 18.04.2024.