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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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auf andere Weise einen einfachen Zahlenausdruck ausfindig zu machen,
der sich mit hinreichender Sicherheit schon aus einer kleineren Gruppe
von Beobachtungen ableiten lässt, das Ergebniss dieser letzteren in
möglichst einwandfreier Weise wiedergiebt und namentlich der Be-
einflussung durch extreme Werthe weniger unterliegt, als das arith-
metische Mittel. Ein solcher Ausdruck wäre offenbar das wahr-
scheinliche
Mittel. Die Auffindung desselben hätte nicht die ge-
ringsten Schwierigkeiten, wenn die oben definirte Curve nach beiden
Seiten vollkommen symmetrisch wäre; es würde dann mit dem arith-
metischen Mittel zusammenfallen. Allein, wie schon früher erwähnt,
sind regelmässig die zahlenverlängernden Ursachen mächtiger, als
die zahlenverkürzenden. Die Curve steigt daher rascher zum Gipfel,
als sie abfällt. Trotzdem erschien mir die Möglichkeit nicht ausge-
schlossen, dass man auch hier als geeigneten Repräsentanten einer
Versuchsgruppe denjenigen Werth betrachten dürfe, der gerade so
häufig übertroffen, als nicht erreicht wird. Natürlich würde dieser
Werth bei der Asymmetrie der Beobachtungszahlen der kleinsten der-
selben näher liegen, als der grössten.

Um über die Anwendbarkeit dieser Berechnungsart unter den vor-
liegenden Verhältnissen ein Urtheil zu gewinnen, galt es zu unter-
suchen, ob die Gruppirung der Beobachtungswerthe, abgesehen von der
erwähnten Abweichung, überhaupt den Bedingungen des Fehlergesetzes
einigermassen entspricht. Zu diesem Zwecke bestimmte ich zunächst
für die einzelnen Versuchstage der grossen 17 tägigen Associationsreihe
die Grösse des wahrscheinlichen Mittelwerthes, indem ich sämmtliche
150 Associationsreactionen eines Tages, für die ich mir Zählkarten
angefertigt hatte, nach ihrer Grösse gruppirte und aus den beiden in
der Mitte stehenden Versuchsdaten, eine kleine und harmlose Incon-
sequenz, das arithmetische Mittel bildete. Nunmehr lag also die eine
Hälfte aller Beobachtungen oberhalb, die andere Hälfte unterhalb des
so entstandenen Mittels; es war für jeden Versuch gerade so wahr-
scheinlich, dass er einen höheren, wie dass er einen geringeren Werth
lieferte, als jene Zahl. Weiterhin wurden für die beiden Theile der
ganzen Reihe in derselben Weise neue Mittel aufgesucht. Diese beiden
Theilmittel schlossen offenbar 50 % aller Beobachtungen zwischen sich,
den Kern der ganzen Reihe, der gewissermassen aus der Mitte heraus-
geschnitten worden war. Wenn das Fehlergesetz bei den hier be-
sprochenen Versuchen Geltung hat, so muss auf jeden Bruchtheil und
jedes Vielfache des Abstandes der Theilmittel eine bestimmte, nach
der Gauss'schen Formel zu berechnende Anzahl von Beobachtungs-

auf andere Weise einen einfachen Zahlenausdruck ausfindig zu machen,
der sich mit hinreichender Sicherheit schon aus einer kleineren Gruppe
von Beobachtungen ableiten lässt, das Ergebniss dieser letzteren in
möglichst einwandfreier Weise wiedergiebt und namentlich der Be-
einflussung durch extreme Werthe weniger unterliegt, als das arith-
metische Mittel. Ein solcher Ausdruck wäre offenbar das wahr-
scheinliche
Mittel. Die Auffindung desselben hätte nicht die ge-
ringsten Schwierigkeiten, wenn die oben definirte Curve nach beiden
Seiten vollkommen symmetrisch wäre; es würde dann mit dem arith-
metischen Mittel zusammenfallen. Allein, wie schon früher erwähnt,
sind regelmässig die zahlenverlängernden Ursachen mächtiger, als
die zahlenverkürzenden. Die Curve steigt daher rascher zum Gipfel,
als sie abfällt. Trotzdem erschien mir die Möglichkeit nicht ausge-
schlossen, dass man auch hier als geeigneten Repräsentanten einer
Versuchsgruppe denjenigen Werth betrachten dürfe, der gerade so
häufig übertroffen, als nicht erreicht wird. Natürlich würde dieser
Werth bei der Asymmetrie der Beobachtungszahlen der kleinsten der-
selben näher liegen, als der grössten.

Um über die Anwendbarkeit dieser Berechnungsart unter den vor-
liegenden Verhältnissen ein Urtheil zu gewinnen, galt es zu unter-
suchen, ob die Gruppirung der Beobachtungswerthe, abgesehen von der
erwähnten Abweichung, überhaupt den Bedingungen des Fehlergesetzes
einigermassen entspricht. Zu diesem Zwecke bestimmte ich zunächst
für die einzelnen Versuchstage der grossen 17 tägigen Associationsreihe
die Grösse des wahrscheinlichen Mittelwerthes, indem ich sämmtliche
150 Associationsreactionen eines Tages, für die ich mir Zählkarten
angefertigt hatte, nach ihrer Grösse gruppirte und aus den beiden in
der Mitte stehenden Versuchsdaten, eine kleine und harmlose Incon-
sequenz, das arithmetische Mittel bildete. Nunmehr lag also die eine
Hälfte aller Beobachtungen oberhalb, die andere Hälfte unterhalb des
so entstandenen Mittels; es war für jeden Versuch gerade so wahr-
scheinlich, dass er einen höheren, wie dass er einen geringeren Werth
lieferte, als jene Zahl. Weiterhin wurden für die beiden Theile der
ganzen Reihe in derselben Weise neue Mittel aufgesucht. Diese beiden
Theilmittel schlossen offenbar 50 % aller Beobachtungen zwischen sich,
den Kern der ganzen Reihe, der gewissermassen aus der Mitte heraus-
geschnitten worden war. Wenn das Fehlergesetz bei den hier be-
sprochenen Versuchen Geltung hat, so muss auf jeden Bruchtheil und
jedes Vielfache des Abstandes der Theilmittel eine bestimmte, nach
der Gauss’schen Formel zu berechnende Anzahl von Beobachtungs-

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[25/0041] auf andere Weise einen einfachen Zahlenausdruck ausfindig zu machen, der sich mit hinreichender Sicherheit schon aus einer kleineren Gruppe von Beobachtungen ableiten lässt, das Ergebniss dieser letzteren in möglichst einwandfreier Weise wiedergiebt und namentlich der Be- einflussung durch extreme Werthe weniger unterliegt, als das arith- metische Mittel. Ein solcher Ausdruck wäre offenbar das wahr- scheinliche Mittel. Die Auffindung desselben hätte nicht die ge- ringsten Schwierigkeiten, wenn die oben definirte Curve nach beiden Seiten vollkommen symmetrisch wäre; es würde dann mit dem arith- metischen Mittel zusammenfallen. Allein, wie schon früher erwähnt, sind regelmässig die zahlenverlängernden Ursachen mächtiger, als die zahlenverkürzenden. Die Curve steigt daher rascher zum Gipfel, als sie abfällt. Trotzdem erschien mir die Möglichkeit nicht ausge- schlossen, dass man auch hier als geeigneten Repräsentanten einer Versuchsgruppe denjenigen Werth betrachten dürfe, der gerade so häufig übertroffen, als nicht erreicht wird. Natürlich würde dieser Werth bei der Asymmetrie der Beobachtungszahlen der kleinsten der- selben näher liegen, als der grössten. Um über die Anwendbarkeit dieser Berechnungsart unter den vor- liegenden Verhältnissen ein Urtheil zu gewinnen, galt es zu unter- suchen, ob die Gruppirung der Beobachtungswerthe, abgesehen von der erwähnten Abweichung, überhaupt den Bedingungen des Fehlergesetzes einigermassen entspricht. Zu diesem Zwecke bestimmte ich zunächst für die einzelnen Versuchstage der grossen 17 tägigen Associationsreihe die Grösse des wahrscheinlichen Mittelwerthes, indem ich sämmtliche 150 Associationsreactionen eines Tages, für die ich mir Zählkarten angefertigt hatte, nach ihrer Grösse gruppirte und aus den beiden in der Mitte stehenden Versuchsdaten, eine kleine und harmlose Incon- sequenz, das arithmetische Mittel bildete. Nunmehr lag also die eine Hälfte aller Beobachtungen oberhalb, die andere Hälfte unterhalb des so entstandenen Mittels; es war für jeden Versuch gerade so wahr- scheinlich, dass er einen höheren, wie dass er einen geringeren Werth lieferte, als jene Zahl. Weiterhin wurden für die beiden Theile der ganzen Reihe in derselben Weise neue Mittel aufgesucht. Diese beiden Theilmittel schlossen offenbar 50 % aller Beobachtungen zwischen sich, den Kern der ganzen Reihe, der gewissermassen aus der Mitte heraus- geschnitten worden war. Wenn das Fehlergesetz bei den hier be- sprochenen Versuchen Geltung hat, so muss auf jeden Bruchtheil und jedes Vielfache des Abstandes der Theilmittel eine bestimmte, nach der Gauss’schen Formel zu berechnende Anzahl von Beobachtungs-

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/41>, abgerufen am 25.04.2024.