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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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keit mit erst dann sich herausstellender Ermüdung betrachten können.
Eine Deutung der dritten, nur einmal in K. 2 (Tabelle XXXVI)
beobachteten Verlaufsart möchte ich bei der Unsicherheit, mit welcher
wir uns jetzt noch auf diesem Gebiete bewegen, einstweilen gar nicht
versuchen.

Wenden wir uns nunmehr der Betrachtung der Alkoholversuche
zu, so begegnen uns hier erfreulicherweise Züge, welche mit Be-
stimmtheit auf eine gesetzmässige Beeinflussung der Zeitschätzung
hindeuten, wenn auch das Wesen dieser Wirkung vorerst nur mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit klargestellt werden kann. In ganz
unzweideutigem Massstabe beobachten wir hier überall eine Erhöhung
der mittleren Schätzungswerthe. Dieselbe ist am ausgeprägtesten bei
De., dauert hier vom Anfange bis zum Ende des Versuches in zunächst
steigender, später abnehmender Ausdehnung fort, und erreicht eine sehr
bedeutende Grösse, selbst bis zu 12 und 13". Bei K. fehlt sie
zwar in der ersten Versuchsgruppe, tritt aber in den beiden letzten
Gruppen sehr deutlich hervor, in Beträgen bis zu 16". In der zweiten
Gruppe zeigt das erste Mittel dieselbe Erscheinung; dann aber kommt
es zu einem raschen Sinken der Zahlen bis weit unter die ent-
sprechenden Werthe der Normalreihe. Eine nähere Betrachtung lehrt
sodann, dass diese überaus schnelle und beträchtliche Abnahme der
Schätzungswerthe innerhalb der einzelnen Gruppen sich überall wieder-
findet und demnach für die Alkoholwirkung entschieden charakteristisch
sein muss. Wir werden in dieser Auffassung bestärkt durch die Be-
obachtung, dass jene Erscheinung in der ersten Gruppe am wenigsten,
in der zweiten am stärksten und in den letzten beiden wieder etwas
schwächer ausgesprochen ist. Die eine hohe Zahl in der Gruppe
b bei De. darf uns dabei nicht irre machen; sie ist, wie eine Durch-
sicht der Protokolle ergiebt, durch einen einzigen, völlig aus dem
Rahmen aller übrigen Schätzungen herausfallenden Werth bedingt,
der offenbar zufälligen Ursachen seine Entstehung verdankt.

Berücksichtigen wir die Zeitverhältnisse, so haben wir die inten-
sivste Wirkung des Alkohols gerade in den Ablauf der zweiten Gruppe
hineinzuversetzen. Es kann somit kaum einem Zweifel unterliegen,
dass die Erhöhung der Anfangswerthe wie das rasche Sinken der
späteren Schätzungszahlen als wesentliche Symptome der Alkohol-
wirkung angesehen werden müssen. Die ersten Andeutungen beider
Störungen finden sich bei De. sofort nach der Einverleibung des
Mittels; bei K. lässt sich das beginnende Sinken der Schätzungs-
werthe erst nach etwa 13--15 Minuten erkennen. Bis dahin zeigen die

keit mit erst dann sich herausstellender Ermüdung betrachten können.
Eine Deutung der dritten, nur einmal in K. 2 (Tabelle XXXVI)
beobachteten Verlaufsart möchte ich bei der Unsicherheit, mit welcher
wir uns jetzt noch auf diesem Gebiete bewegen, einstweilen gar nicht
versuchen.

Wenden wir uns nunmehr der Betrachtung der Alkoholversuche
zu, so begegnen uns hier erfreulicherweise Züge, welche mit Be-
stimmtheit auf eine gesetzmässige Beeinflussung der Zeitschätzung
hindeuten, wenn auch das Wesen dieser Wirkung vorerst nur mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit klargestellt werden kann. In ganz
unzweideutigem Massstabe beobachten wir hier überall eine Erhöhung
der mittleren Schätzungswerthe. Dieselbe ist am ausgeprägtesten bei
De., dauert hier vom Anfange bis zum Ende des Versuches in zunächst
steigender, später abnehmender Ausdehnung fort, und erreicht eine sehr
bedeutende Grösse, selbst bis zu 12 und 13″. Bei K. fehlt sie
zwar in der ersten Versuchsgruppe, tritt aber in den beiden letzten
Gruppen sehr deutlich hervor, in Beträgen bis zu 16″. In der zweiten
Gruppe zeigt das erste Mittel dieselbe Erscheinung; dann aber kommt
es zu einem raschen Sinken der Zahlen bis weit unter die ent-
sprechenden Werthe der Normalreihe. Eine nähere Betrachtung lehrt
sodann, dass diese überaus schnelle und beträchtliche Abnahme der
Schätzungswerthe innerhalb der einzelnen Gruppen sich überall wieder-
findet und demnach für die Alkoholwirkung entschieden charakteristisch
sein muss. Wir werden in dieser Auffassung bestärkt durch die Be-
obachtung, dass jene Erscheinung in der ersten Gruppe am wenigsten,
in der zweiten am stärksten und in den letzten beiden wieder etwas
schwächer ausgesprochen ist. Die eine hohe Zahl in der Gruppe
b bei De. darf uns dabei nicht irre machen; sie ist, wie eine Durch-
sicht der Protokolle ergiebt, durch einen einzigen, völlig aus dem
Rahmen aller übrigen Schätzungen herausfallenden Werth bedingt,
der offenbar zufälligen Ursachen seine Entstehung verdankt.

Berücksichtigen wir die Zeitverhältnisse, so haben wir die inten-
sivste Wirkung des Alkohols gerade in den Ablauf der zweiten Gruppe
hineinzuversetzen. Es kann somit kaum einem Zweifel unterliegen,
dass die Erhöhung der Anfangswerthe wie das rasche Sinken der
späteren Schätzungszahlen als wesentliche Symptome der Alkohol-
wirkung angesehen werden müssen. Die ersten Andeutungen beider
Störungen finden sich bei De. sofort nach der Einverleibung des
Mittels; bei K. lässt sich das beginnende Sinken der Schätzungs-
werthe erst nach etwa 13—15 Minuten erkennen. Bis dahin zeigen die

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[103/0119] keit mit erst dann sich herausstellender Ermüdung betrachten können. Eine Deutung der dritten, nur einmal in K. 2 (Tabelle XXXVI) beobachteten Verlaufsart möchte ich bei der Unsicherheit, mit welcher wir uns jetzt noch auf diesem Gebiete bewegen, einstweilen gar nicht versuchen. Wenden wir uns nunmehr der Betrachtung der Alkoholversuche zu, so begegnen uns hier erfreulicherweise Züge, welche mit Be- stimmtheit auf eine gesetzmässige Beeinflussung der Zeitschätzung hindeuten, wenn auch das Wesen dieser Wirkung vorerst nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit klargestellt werden kann. In ganz unzweideutigem Massstabe beobachten wir hier überall eine Erhöhung der mittleren Schätzungswerthe. Dieselbe ist am ausgeprägtesten bei De., dauert hier vom Anfange bis zum Ende des Versuches in zunächst steigender, später abnehmender Ausdehnung fort, und erreicht eine sehr bedeutende Grösse, selbst bis zu 12 und 13″. Bei K. fehlt sie zwar in der ersten Versuchsgruppe, tritt aber in den beiden letzten Gruppen sehr deutlich hervor, in Beträgen bis zu 16″. In der zweiten Gruppe zeigt das erste Mittel dieselbe Erscheinung; dann aber kommt es zu einem raschen Sinken der Zahlen bis weit unter die ent- sprechenden Werthe der Normalreihe. Eine nähere Betrachtung lehrt sodann, dass diese überaus schnelle und beträchtliche Abnahme der Schätzungswerthe innerhalb der einzelnen Gruppen sich überall wieder- findet und demnach für die Alkoholwirkung entschieden charakteristisch sein muss. Wir werden in dieser Auffassung bestärkt durch die Be- obachtung, dass jene Erscheinung in der ersten Gruppe am wenigsten, in der zweiten am stärksten und in den letzten beiden wieder etwas schwächer ausgesprochen ist. Die eine hohe Zahl in der Gruppe b bei De. darf uns dabei nicht irre machen; sie ist, wie eine Durch- sicht der Protokolle ergiebt, durch einen einzigen, völlig aus dem Rahmen aller übrigen Schätzungen herausfallenden Werth bedingt, der offenbar zufälligen Ursachen seine Entstehung verdankt. Berücksichtigen wir die Zeitverhältnisse, so haben wir die inten- sivste Wirkung des Alkohols gerade in den Ablauf der zweiten Gruppe hineinzuversetzen. Es kann somit kaum einem Zweifel unterliegen, dass die Erhöhung der Anfangswerthe wie das rasche Sinken der späteren Schätzungszahlen als wesentliche Symptome der Alkohol- wirkung angesehen werden müssen. Die ersten Andeutungen beider Störungen finden sich bei De. sofort nach der Einverleibung des Mittels; bei K. lässt sich das beginnende Sinken der Schätzungs- werthe erst nach etwa 13—15 Minuten erkennen. Bis dahin zeigen die

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/119>, abgerufen am 25.04.2024.