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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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regelmässig die Normalzeit übertreffen. Bestünde diese Verschieden-
heit zwischen passiver Auffassung und activer Schätzung hier
nicht, so könnte natürlich die anfängliche Erhöhung der Werthe
durch die Ermüdung in der dargelegten Weise nicht erklärt
werden.

Prüfen wir diese Annahme an der Hand der von uns gewonnenen
Versuchszahlen, so ergiebt sich zunächst, dass in der That nicht
nur hohe Durchschnittsmittel der ersten Gruppe sich regelmässig mit
rascher Abnahme der späteren Mittel verknüpfen, sondern dass auch
in der Tabelle XXXV, wenigstens bei De, die ersten Mittel jeder
Gruppe immer höher werden, trotzdem sich in dem fortschreitenden
Sinken der Gesammtmittel der wachsende Einfluss der Ermüdung
deutlich ausspricht. Jede Gruppe beginnt höher, als die vorige; trotzdem
enden die beiden letzten viel tiefer, als die ersten. Bei K. ist diese
Erscheinung hier nicht deutlich; vielmehr zeigen alle Gruppen nahezu
die gleichen Anfangswerthe, während die Gesammtmittel mehr und
mehr abnehmen. Vergleichen wir indessen hier nur die ersten
Schätzungswerthe aller Normalreihen, so ergeben sich für die beiden
Versuchspersonen folgende Durchschnittszahlen:

Tabelle XXXVIII.

[Tabelle]

Nun erkennen wir also auch bei K. im Verlaufe des Versuchstages
die Steigerung der Anfangswerthe von Gruppe zu Gruppe, während
sie bei De. für die erste Schätzung erst in der Gruppe d, dann aber
sehr stark hervortritt. Es ist natürlich keine strenge und unverbrüch-
liche Gesetzmässigkeit, die wir hier vorfinden. Dennoch ist die Regel-
mässigkeit auffallend, mit der auf einem so vielen Zufällen ausge-
setzten Gebiete doch immer wieder das Zusammentreffen hoher Anfangs-
werthe mit niedrigen Endwerthen sich herausstellt. Mir scheint daher
die Deutung beider Erscheinungen als Ermüdungssymptome einstweilen
die beste Erklärung zu liefern, um so mehr, als sie sich eben gerade
dort vereinigt zu finden pflegen, wo wir nach der subjectiven Er-
fahrung die Anzeichen der Ermüdung erwarten müssen.

Wollen wir noch einen Schritt weiter gehen, so empfiehlt es sich,
zu untersuchen, in wie weit an den einzelnen Versuchstagen niedrige

regelmässig die Normalzeit übertreffen. Bestünde diese Verschieden-
heit zwischen passiver Auffassung und activer Schätzung hier
nicht, so könnte natürlich die anfängliche Erhöhung der Werthe
durch die Ermüdung in der dargelegten Weise nicht erklärt
werden.

Prüfen wir diese Annahme an der Hand der von uns gewonnenen
Versuchszahlen, so ergiebt sich zunächst, dass in der That nicht
nur hohe Durchschnittsmittel der ersten Gruppe sich regelmässig mit
rascher Abnahme der späteren Mittel verknüpfen, sondern dass auch
in der Tabelle XXXV, wenigstens bei De, die ersten Mittel jeder
Gruppe immer höher werden, trotzdem sich in dem fortschreitenden
Sinken der Gesammtmittel der wachsende Einfluss der Ermüdung
deutlich ausspricht. Jede Gruppe beginnt höher, als die vorige; trotzdem
enden die beiden letzten viel tiefer, als die ersten. Bei K. ist diese
Erscheinung hier nicht deutlich; vielmehr zeigen alle Gruppen nahezu
die gleichen Anfangswerthe, während die Gesammtmittel mehr und
mehr abnehmen. Vergleichen wir indessen hier nur die ersten
Schätzungswerthe aller Normalreihen, so ergeben sich für die beiden
Versuchspersonen folgende Durchschnittszahlen:

Tabelle XXXVIII.

[Tabelle]

Nun erkennen wir also auch bei K. im Verlaufe des Versuchstages
die Steigerung der Anfangswerthe von Gruppe zu Gruppe, während
sie bei De. für die erste Schätzung erst in der Gruppe d, dann aber
sehr stark hervortritt. Es ist natürlich keine strenge und unverbrüch-
liche Gesetzmässigkeit, die wir hier vorfinden. Dennoch ist die Regel-
mässigkeit auffallend, mit der auf einem so vielen Zufällen ausge-
setzten Gebiete doch immer wieder das Zusammentreffen hoher Anfangs-
werthe mit niedrigen Endwerthen sich herausstellt. Mir scheint daher
die Deutung beider Erscheinungen als Ermüdungssymptome einstweilen
die beste Erklärung zu liefern, um so mehr, als sie sich eben gerade
dort vereinigt zu finden pflegen, wo wir nach der subjectiven Er-
fahrung die Anzeichen der Ermüdung erwarten müssen.

Wollen wir noch einen Schritt weiter gehen, so empfiehlt es sich,
zu untersuchen, in wie weit an den einzelnen Versuchstagen niedrige

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[101/0117] regelmässig die Normalzeit übertreffen. Bestünde diese Verschieden- heit zwischen passiver Auffassung und activer Schätzung hier nicht, so könnte natürlich die anfängliche Erhöhung der Werthe durch die Ermüdung in der dargelegten Weise nicht erklärt werden. Prüfen wir diese Annahme an der Hand der von uns gewonnenen Versuchszahlen, so ergiebt sich zunächst, dass in der That nicht nur hohe Durchschnittsmittel der ersten Gruppe sich regelmässig mit rascher Abnahme der späteren Mittel verknüpfen, sondern dass auch in der Tabelle XXXV, wenigstens bei De, die ersten Mittel jeder Gruppe immer höher werden, trotzdem sich in dem fortschreitenden Sinken der Gesammtmittel der wachsende Einfluss der Ermüdung deutlich ausspricht. Jede Gruppe beginnt höher, als die vorige; trotzdem enden die beiden letzten viel tiefer, als die ersten. Bei K. ist diese Erscheinung hier nicht deutlich; vielmehr zeigen alle Gruppen nahezu die gleichen Anfangswerthe, während die Gesammtmittel mehr und mehr abnehmen. Vergleichen wir indessen hier nur die ersten Schätzungswerthe aller Normalreihen, so ergeben sich für die beiden Versuchspersonen folgende Durchschnittszahlen: Tabelle XXXVIII. Nun erkennen wir also auch bei K. im Verlaufe des Versuchstages die Steigerung der Anfangswerthe von Gruppe zu Gruppe, während sie bei De. für die erste Schätzung erst in der Gruppe d, dann aber sehr stark hervortritt. Es ist natürlich keine strenge und unverbrüch- liche Gesetzmässigkeit, die wir hier vorfinden. Dennoch ist die Regel- mässigkeit auffallend, mit der auf einem so vielen Zufällen ausge- setzten Gebiete doch immer wieder das Zusammentreffen hoher Anfangs- werthe mit niedrigen Endwerthen sich herausstellt. Mir scheint daher die Deutung beider Erscheinungen als Ermüdungssymptome einstweilen die beste Erklärung zu liefern, um so mehr, als sie sich eben gerade dort vereinigt zu finden pflegen, wo wir nach der subjectiven Er- fahrung die Anzeichen der Ermüdung erwarten müssen. Wollen wir noch einen Schritt weiter gehen, so empfiehlt es sich, zu untersuchen, in wie weit an den einzelnen Versuchstagen niedrige

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/117>, abgerufen am 29.03.2024.