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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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den Normalversuchen die Ermüdung rascher und deutlicher hervor,
während in den Alkoholreihen mit dem Nachlassen der lähmenden
Wirkung nach 40--50 Minuten nur ein ganz geringfügiges Anwachsen
der Muskelleistung sich geltend machen konnte.

In De.'s Versuchen begegnen wir nur dem zweiten Stadium des
Alkoholeinflusses, wenn man nicht allenfalls den ersten Werth des
Versuches 1 auf eine Steigerung der Muskelleistung durch das Medi-
cament zurückführen will. Im Hinblicke auf die hohe Anfangszahl
des Versuches 2 und den weiteren Verlauf der Uebung ist es indessen
wol wahrscheinlicher, dass wir ohne Alkohol in der Reihe 1, und ganz
gewiss in der Reihe 5, von vornherein höhere Werthe erhalten hätten.
Als Ursache für diese Abweichung zwischen den beiden Versuchs-
personen kommt, nach unsern Erfahrungen bei den Wahlreactionen
zu schliessen, vor Allem die höhere Dosis bei De. in Betracht, welche
vermuthlich auch bei mir das anfängliche Anwachsen der Muskel-
leistung verhindert oder doch wenigstens eingeschränkt hätte. Sodann
aber darf auch hier wieder darauf hingewiesen werden, dass Dehio
wahrscheinlich überhaupt den lähmenden Wirkungen des Alkohols in
höherem Grade zugänglich war, als ich.

Es ist gewiss nicht ohne Interesse, dass die von mir erhaltenen dynamo-
metrischen Ergebnisse, wie ich nach Abschluss dieser Zeilen ersah, durch
einige neuere Untersuchungen im Wesentlichen bestätigt werden. De-
Sarlo
und Bernardini, *) welche mit Rhum experimentirten, fanden
eine ganz leichte Erhöhung der Muskelkraft nach dem Genusse von 70 gr
dieses Mittels. P. Lombard Warren, **) über dessen Arbeit ich
allerdings nur aus dem Referate im Neurologischen Centralblatte unter-
richtet bin, hat ebenfalls eine Steigerung der Muskelkraft bei kleinen
Alkoholgaben festgestellt. Bei grossen Alkoholdosen soll der kraft-
erhöhenden eine herabsetzende Wirkung folgen. Freilich wird die
Dauer jener ersteren Wirkung auf 1--2 Stunden angegeben, doch
liegt hier vielleicht eine ungenaue Berichterstattung vor; sonst müsste
ich mit Entschiedenheit widersprechen.


*) Ricerche sulla circolazione cerebrale durante l'attivita psichica sotto
l'azione dei veleni intellettuali. Rivista sperimentale di freniatria, XVIII, 1,
p. 16.
**) Some of the influence, which affect the power of voluntary muscular
contractions. Journal of physiology, XIII, 1 u. 2, Febr. 1892. Referat im
Neurologischen Centralblatt 1892, XI, 10, p. 319.

den Normalversuchen die Ermüdung rascher und deutlicher hervor,
während in den Alkoholreihen mit dem Nachlassen der lähmenden
Wirkung nach 40—50 Minuten nur ein ganz geringfügiges Anwachsen
der Muskelleistung sich geltend machen konnte.

In De.’s Versuchen begegnen wir nur dem zweiten Stadium des
Alkoholeinflusses, wenn man nicht allenfalls den ersten Werth des
Versuches 1 auf eine Steigerung der Muskelleistung durch das Medi-
cament zurückführen will. Im Hinblicke auf die hohe Anfangszahl
des Versuches 2 und den weiteren Verlauf der Uebung ist es indessen
wol wahrscheinlicher, dass wir ohne Alkohol in der Reihe 1, und ganz
gewiss in der Reihe 5, von vornherein höhere Werthe erhalten hätten.
Als Ursache für diese Abweichung zwischen den beiden Versuchs-
personen kommt, nach unsern Erfahrungen bei den Wahlreactionen
zu schliessen, vor Allem die höhere Dosis bei De. in Betracht, welche
vermuthlich auch bei mir das anfängliche Anwachsen der Muskel-
leistung verhindert oder doch wenigstens eingeschränkt hätte. Sodann
aber darf auch hier wieder darauf hingewiesen werden, dass Dehio
wahrscheinlich überhaupt den lähmenden Wirkungen des Alkohols in
höherem Grade zugänglich war, als ich.

Es ist gewiss nicht ohne Interesse, dass die von mir erhaltenen dynamo-
metrischen Ergebnisse, wie ich nach Abschluss dieser Zeilen ersah, durch
einige neuere Untersuchungen im Wesentlichen bestätigt werden. De-
Sarlo
und Bernardini, *) welche mit Rhum experimentirten, fanden
eine ganz leichte Erhöhung der Muskelkraft nach dem Genusse von 70 gr
dieses Mittels. P. Lombard Warren, **) über dessen Arbeit ich
allerdings nur aus dem Referate im Neurologischen Centralblatte unter-
richtet bin, hat ebenfalls eine Steigerung der Muskelkraft bei kleinen
Alkoholgaben festgestellt. Bei grossen Alkoholdosen soll der kraft-
erhöhenden eine herabsetzende Wirkung folgen. Freilich wird die
Dauer jener ersteren Wirkung auf 1—2 Stunden angegeben, doch
liegt hier vielleicht eine ungenaue Berichterstattung vor; sonst müsste
ich mit Entschiedenheit widersprechen.


*) Ricerche sulla circolazione cerebrale durante l’attività psichica sotto
l’azione dei veleni intellettuali. Rivista sperimentale di freniatria, XVIII, 1,
p. 16.
**) Some of the influence, which affect the power of voluntary muscular
contractions. Journal of physiology, XIII, 1 u. 2, Febr. 1892. Referat im
Neurologischen Centralblatt 1892, XI, 10, p. 319.
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[95/0111] den Normalversuchen die Ermüdung rascher und deutlicher hervor, während in den Alkoholreihen mit dem Nachlassen der lähmenden Wirkung nach 40—50 Minuten nur ein ganz geringfügiges Anwachsen der Muskelleistung sich geltend machen konnte. In De.’s Versuchen begegnen wir nur dem zweiten Stadium des Alkoholeinflusses, wenn man nicht allenfalls den ersten Werth des Versuches 1 auf eine Steigerung der Muskelleistung durch das Medi- cament zurückführen will. Im Hinblicke auf die hohe Anfangszahl des Versuches 2 und den weiteren Verlauf der Uebung ist es indessen wol wahrscheinlicher, dass wir ohne Alkohol in der Reihe 1, und ganz gewiss in der Reihe 5, von vornherein höhere Werthe erhalten hätten. Als Ursache für diese Abweichung zwischen den beiden Versuchs- personen kommt, nach unsern Erfahrungen bei den Wahlreactionen zu schliessen, vor Allem die höhere Dosis bei De. in Betracht, welche vermuthlich auch bei mir das anfängliche Anwachsen der Muskel- leistung verhindert oder doch wenigstens eingeschränkt hätte. Sodann aber darf auch hier wieder darauf hingewiesen werden, dass Dehio wahrscheinlich überhaupt den lähmenden Wirkungen des Alkohols in höherem Grade zugänglich war, als ich. Es ist gewiss nicht ohne Interesse, dass die von mir erhaltenen dynamo- metrischen Ergebnisse, wie ich nach Abschluss dieser Zeilen ersah, durch einige neuere Untersuchungen im Wesentlichen bestätigt werden. De- Sarlo und Bernardini, *) welche mit Rhum experimentirten, fanden eine ganz leichte Erhöhung der Muskelkraft nach dem Genusse von 70 gr dieses Mittels. P. Lombard Warren, **) über dessen Arbeit ich allerdings nur aus dem Referate im Neurologischen Centralblatte unter- richtet bin, hat ebenfalls eine Steigerung der Muskelkraft bei kleinen Alkoholgaben festgestellt. Bei grossen Alkoholdosen soll der kraft- erhöhenden eine herabsetzende Wirkung folgen. Freilich wird die Dauer jener ersteren Wirkung auf 1—2 Stunden angegeben, doch liegt hier vielleicht eine ungenaue Berichterstattung vor; sonst müsste ich mit Entschiedenheit widersprechen. *) Ricerche sulla circolazione cerebrale durante l’attività psichica sotto l’azione dei veleni intellettuali. Rivista sperimentale di freniatria, XVIII, 1, p. 16. **) Some of the influence, which affect the power of voluntary muscular contractions. Journal of physiology, XIII, 1 u. 2, Febr. 1892. Referat im Neurologischen Centralblatt 1892, XI, 10, p. 319.

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/111>, abgerufen am 28.03.2024.