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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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mit Fremden zusammen, denen man im Vaterlande zu
begegnen nicht das Glück hatte, und ich entsinne mich
unter andern mit großem Vergnügen, bei dem amerika-
nischen Gesandten, Herrn Livingston, den Grafen
Rumford gefunden zu haben, den mein Herz schon
längst verehrte. Die Gegenwart dieses achtungswerthen
Menschenfreundes und die der höchstliebenswürdigen
Schwiegertochter des Gesandten (einer jüngern Schwe-
ster der Venus pudique) hätten schon hingereicht, jede
Erwartung des Fremdlings zu befriedigen.

Noch habe ich eines Hauses nicht erwähnt, wo An-
stand, Fröhlichkeit und geistreiche Unterhaltung zwanglos
vereiniget sind; ich meine das Haus des preußischen Mi-
nisters, Marquis von Luchesini, dessen Geist sich nie
erschöpft, wie seine Gefälligkeit nie ermüdet. Die in der
großen Welt erforderlichen Talente, die er alle in ei-
nem ausgezeichneten Grade besitzt, haben einen leichten
Firniß über die Eigenschaften seines Herzens gezogen,
der aber so durchsichtig ist, wie der Firniß auf einem
köstlichen Gemälde, und folglich nur dient, ihm Glanz
zu leihen. Sein Geschmack ist so geläutert, und seine
Kenntnisse sind so mannichfaltig, daß er mit der größten
Leichtigkeit hier einen Politiker, dort einen Philosophen
hier einen Dichter, dort einen Künstler, Jeden in seinem
Fache unterhält, und in jedes Fach zu gehören scheint.
Dabei leuchtet unverkennbar eine gewiße Gutmüthigkeit
hervor, die seinem Gaste Behaglichkeit und Zutrauen ein-
flößt. Alle die Annehmlichkeiten, welche sein Haus ihm
verdankt, weis seine geistreiche Gemahlinn noch zu erhö-
hen, und es wird wohl kein Fremder, der das Glück ge-
habt hat, ihm näher anzugehören, Paris ohne eine blei-
bende dankbare Erinnerung verlassen.

mit Fremden zusammen, denen man im Vaterlande zu
begegnen nicht das Gluͤck hatte, und ich entsinne mich
unter andern mit großem Vergnuͤgen, bei dem amerika-
nischen Gesandten, Herrn Livingston, den Grafen
Rumford gefunden zu haben, den mein Herz schon
laͤngst verehrte. Die Gegenwart dieses achtungswerthen
Menschenfreundes und die der hoͤchstliebenswuͤrdigen
Schwiegertochter des Gesandten (einer juͤngern Schwe-
ster der Venus pudique) haͤtten schon hingereicht, jede
Erwartung des Fremdlings zu befriedigen.

Noch habe ich eines Hauses nicht erwaͤhnt, wo An-
stand, Froͤhlichkeit und geistreiche Unterhaltung zwanglos
vereiniget sind; ich meine das Haus des preußischen Mi-
nisters, Marquis von Luchesini, dessen Geist sich nie
erschoͤpft, wie seine Gefaͤlligkeit nie ermuͤdet. Die in der
großen Welt erforderlichen Talente, die er alle in ei-
nem ausgezeichneten Grade besitzt, haben einen leichten
Firniß uͤber die Eigenschaften seines Herzens gezogen,
der aber so durchsichtig ist, wie der Firniß auf einem
koͤstlichen Gemaͤlde, und folglich nur dient, ihm Glanz
zu leihen. Sein Geschmack ist so gelaͤutert, und seine
Kenntnisse sind so mannichfaltig, daß er mit der groͤßten
Leichtigkeit hier einen Politiker, dort einen Philosophen
hier einen Dichter, dort einen Kuͤnstler, Jeden in seinem
Fache unterhaͤlt, und in jedes Fach zu gehoͤren scheint.
Dabei leuchtet unverkennbar eine gewiße Gutmuͤthigkeit
hervor, die seinem Gaste Behaglichkeit und Zutrauen ein-
floͤßt. Alle die Annehmlichkeiten, welche sein Haus ihm
verdankt, weis seine geistreiche Gemahlinn noch zu erhoͤ-
hen, und es wird wohl kein Fremder, der das Gluͤck ge-
habt hat, ihm naͤher anzugehoͤren, Paris ohne eine blei-
bende dankbare Erinnerung verlassen.

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[42/0042] mit Fremden zusammen, denen man im Vaterlande zu begegnen nicht das Gluͤck hatte, und ich entsinne mich unter andern mit großem Vergnuͤgen, bei dem amerika- nischen Gesandten, Herrn Livingston, den Grafen Rumford gefunden zu haben, den mein Herz schon laͤngst verehrte. Die Gegenwart dieses achtungswerthen Menschenfreundes und die der hoͤchstliebenswuͤrdigen Schwiegertochter des Gesandten (einer juͤngern Schwe- ster der Venus pudique) haͤtten schon hingereicht, jede Erwartung des Fremdlings zu befriedigen. Noch habe ich eines Hauses nicht erwaͤhnt, wo An- stand, Froͤhlichkeit und geistreiche Unterhaltung zwanglos vereiniget sind; ich meine das Haus des preußischen Mi- nisters, Marquis von Luchesini, dessen Geist sich nie erschoͤpft, wie seine Gefaͤlligkeit nie ermuͤdet. Die in der großen Welt erforderlichen Talente, die er alle in ei- nem ausgezeichneten Grade besitzt, haben einen leichten Firniß uͤber die Eigenschaften seines Herzens gezogen, der aber so durchsichtig ist, wie der Firniß auf einem koͤstlichen Gemaͤlde, und folglich nur dient, ihm Glanz zu leihen. Sein Geschmack ist so gelaͤutert, und seine Kenntnisse sind so mannichfaltig, daß er mit der groͤßten Leichtigkeit hier einen Politiker, dort einen Philosophen hier einen Dichter, dort einen Kuͤnstler, Jeden in seinem Fache unterhaͤlt, und in jedes Fach zu gehoͤren scheint. Dabei leuchtet unverkennbar eine gewiße Gutmuͤthigkeit hervor, die seinem Gaste Behaglichkeit und Zutrauen ein- floͤßt. Alle die Annehmlichkeiten, welche sein Haus ihm verdankt, weis seine geistreiche Gemahlinn noch zu erhoͤ- hen, und es wird wohl kein Fremder, der das Gluͤck ge- habt hat, ihm naͤher anzugehoͤren, Paris ohne eine blei- bende dankbare Erinnerung verlassen.

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/42>, abgerufen am 29.03.2024.