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Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.

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Nicht tadle diese, wenn der Zeitenstrom
Sie namenlos und unberühmt verschlingt,
Wenn durch den Kreuzgang, den gewölbten Dom
Kein Mausoläum ihre Thaten singt.
Ruft wohl die Urne, bannt der Sarkophag
Den Hochgepriesnen aus der Nacht hervor?
Drommetet wohl der Ruhm den Schläfer wach?
Rührt wohl die Schmeicheley des Tauben Ohr?
Gewiss verwest in dieser Mauren Ring
Manch edles Herz, das hohen Ahnens voll
Am Busen der Natur süsstrunken hing,
Und von den Fluthen der Begeistrung schwoll.
Doch nie entfaltet ihm die Wissenschaft
Ihr Buch, bereichert mit dem Raub der Zeit.
Früh knickte Mangel seines Geistes Kraft,
Den Strom des Genius eiste Dürftigkeit.
Wie mancher theure Edelstein versprüht
Den Glanz in Tiefen, die kein Loth ermisst!
Wie manche Blum' erröthet und verblüht
In öden Schrunden, die kein Lichtstrahl küsst!
Wie mancher Hampden, welcher unverzagt
Den Dränger seines Dorfs zu Boden schlug,
Wie mancher Milton, der kein Lied gewagt,
Wie mancher Cromwell, nie verfolgt vom Fluch,
Nicht tadle diese, wenn der Zeitenstrom
Sie namenlos und unberühmt verschlingt,
Wenn durch den Kreuzgang, den gewölbten Dom
Kein Mausoläum ihre Thaten singt.
Ruft wohl die Urne, bannt der Sarkophag
Den Hochgepriesnen aus der Nacht hervor?
Drommetet wohl der Ruhm den Schläfer wach?
Rührt wohl die Schmeicheley des Tauben Ohr?
Gewiſs verwest in dieser Mauren Ring
Manch edles Herz, das hohen Ahnens voll
Am Busen der Natur süſstrunken hing,
Und von den Fluthen der Begeistrung schwoll.
Doch nie entfaltet ihm die Wissenschaft
Ihr Buch, bereichert mit dem Raub der Zeit.
Früh knickte Mangel seines Geistes Kraft,
Den Strom des Genius eiste Dürftigkeit.
Wie mancher theure Edelstein versprüht
Den Glanz in Tiefen, die kein Loth ermiſst!
Wie manche Blum' erröthet und verblüht
In öden Schrunden, die kein Lichtstrahl küſst!
Wie mancher Hampden, welcher unverzagt
Den Dränger seines Dorfs zu Boden schlug,
Wie mancher Milton, der kein Lied gewagt,
Wie mancher Cromwell, nie verfolgt vom Fluch,
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[50/0070] Nicht tadle diese, wenn der Zeitenstrom Sie namenlos und unberühmt verschlingt, Wenn durch den Kreuzgang, den gewölbten Dom Kein Mausoläum ihre Thaten singt. Ruft wohl die Urne, bannt der Sarkophag Den Hochgepriesnen aus der Nacht hervor? Drommetet wohl der Ruhm den Schläfer wach? Rührt wohl die Schmeicheley des Tauben Ohr? Gewiſs verwest in dieser Mauren Ring Manch edles Herz, das hohen Ahnens voll Am Busen der Natur süſstrunken hing, Und von den Fluthen der Begeistrung schwoll. Doch nie entfaltet ihm die Wissenschaft Ihr Buch, bereichert mit dem Raub der Zeit. Früh knickte Mangel seines Geistes Kraft, Den Strom des Genius eiste Dürftigkeit. Wie mancher theure Edelstein versprüht Den Glanz in Tiefen, die kein Loth ermiſst! Wie manche Blum' erröthet und verblüht In öden Schrunden, die kein Lichtstrahl küſst! Wie mancher Hampden, welcher unverzagt Den Dränger seines Dorfs zu Boden schlug, Wie mancher Milton, der kein Lied gewagt, Wie mancher Cromwell, nie verfolgt vom Fluch,

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Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen03_1802/70>, abgerufen am 29.03.2024.